Anlässlich des Starts der Weltnaturschutzkonferenz (CBD COP 15) im kanadischen Montreal fordern der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und der Deutsche Naturschutzring (DNR) in einem gemeinsamen Papier die Verankerung eines Verbesserungsgebots für den ökologischen Zustand von Natur und Landschaft im deutschen Naturschutzrecht. Bundesumweltministerin Steffi Lemke nimmt das Papier mit zahlreichen Lösungsvorschlägen für verbesserten Artenschutz am heutigen Donnerstag von Werner Schnappauf, RNE-Vorsitzender, Kai Niebert, DNR-Präsident und Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident und RNE-Mitglied entgegen.

Das bisherige Verschlechterungsverbot bei Eingriffen in die Natur reicht dem Papier zufolge angesichts des dramatisch voranschreitenden Artensterbens nicht aus, um den Zustand der biologischen Vielfalt zu erhalten, geschweige denn zu verbessern. Gleichzeitig können die derzeit geforderten Ausgleichsmaßnahmen vor Ort den dringend nötigen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien behindern. Insbesondere diese Flächenkonkurrenz zwischen Naturschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland könnte mit einem gesetzlich verankerten Verbesserungsgebot – und dem daraus folgenden großflächigen überregionalen Ausgleich statt kleinteiliger Maßnahmen vor Ort – aufgelöst werden und Biodiversitäts- und Artenkrise gleichermaßen und gleichzeitig bekämpfen.

RNE-Vorsitzender Werner Schnappauf: „Wir stehen unter hohem Druck, unsere Energiesysteme schnell und vollständig umzubauen – aus Klimaschutzgründen, aber auch um unsere Energieversorgung unabhängig zu machen. Gleichzeitig müssen wir den Artenschutz verbessern. Die derzeitigen kleinteiligen Ausgleichsmaßnahmen vor Ort helfen hier weder dem Klima- noch dem Artenschutz. Stattdessen müssen wir in der Summe Verbesserung für den Zustand der Natur vorantreiben und gleichzeitig Tempo in den Ausbau der Erneuerbaren bringen, um den Zwillingskrisen Artensterben und Klimawandel zu begegnen.“

DNR-Präsident Kai Niebert: „Wir befinden uns mitten im sechsten großen Artensterben der Erdgeschichte und das erste Mal sind wir Menschen die Verursacher. Die voranschreitende Klimakrise verschärft die Lage dramatisch. Viele unserer Ökosysteme stehen kurz vor dem Kipppunkt – international, aber auch in Deutschland, wie beispielsweise nährstoffarme Moore oder artenreiches Grünland. Weil die Natur so belastet ist, reicht es künftig nicht mehr, Verluste einfach nur auszugleichen, sondern wir müssen den Zustand der Natur an anderer Stelle qualitativ deutlich verbessern. Dies erfordert ein grundlegendes Umdenken, um großflächig bessere Lebensbedingungen in unseren Kulturlandschaften herzustellen und Schutzgebiete wieder zu ungestörten Rückzugsflächen zu machen.“

In sechs Eckpunkten geben die Autoren konkrete Lösungsvorschläge zur Stärkung der Biodiversität in Deutschland. Dabei geht es auch darum, die in der Diskussion teilweise festgefahrene Flächenkonkurrenz des Naturschutzes mit der Energiewende, der Nahrungsmittelproduktion, der Ressourcengewinnung und der menschlichen Gesundheit aufzulösen. Vorgeschlagen werden neben dem Verbesserungsgebot zum Beispiel die Prüfung eines Systems handelbarer Zertifikate zur Reduktion des Risikos und der Anwendungsmenge von Pflanzenschutzmitteln oder ein Honorierungssystem für eine klima- und biodiversitätsfreundliche Landnutzung, um Anreize für nachhaltige landwirtschaftliche Produktion zu schaffen.

Auch Unternehmen sollten den Autoren zufolge einen stärkeren Beitrag zur Regeneration der Biodiversität leisten. Die Biodiversitäts- und die Klimakrise stellen ein enormes Risiko für unternehmerisches Handeln dar. So bedroht der Rückgang der Bestäuber beispielsweise die Landwirtschaft in hohem Maße, der Klimawandel schädigt u. a. die Wälder und bedroht damit unmittelbar die Holzwirtschaft.  Deshalb sollten sich Unternehmenskulturen und -strategien rasch und umfassend anpassen, Risiken durch Klimakrise und Biodiversitätskrise strategisch und planerisch in die unternehmerischen Handlungen einbezogen werden. Ein international akzeptierter, einheitlicher und einfach zu messender Indikator im Biodiversitätsbereich, analog etwa zu der Mess- und Wirkungsgröße „CO2“ im Klimaschutz, könnte helfen, Biodiversität fundiert und ausführlich innerhalb der Accounting- und Reporting-Standards zu berücksichtigen.

Deutschland trägt aufgrund seiner Wirtschafts- und Ernährungsweise für den Schutz der Biodiversität auch eine internationale Verantwortung. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass auf der Artenschutzkonferenz in Montreal ein starkes und verbindliches internationales Abkommen beschlossen wird, das den Verlust der biologischen Vielfalt stoppen und umkehren kann.

Das gemeinsame Papier „Verbesserungsgebot für die Artenvielfalt. Die Biodiversität in der Nachhaltigkeitstransformation stärken” ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), einem Beratungsgremium, das die Bundesregierung in Nachhaltigkeitsfragen berät, sowie dem Deutschen Naturschutzring (DNR), dem Dachverband der Umwelt-, Natur- und Tierschutzorganisationen in Deutschland.

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