Derzeit verhandeln die Staaten der Welt in Montreal über ein globales Artenschutzabkommen. Das Artensterben findet auch in Brandenburg statt. Es ist unerträglich, dass parallel zum Weltnaturschutzgipfel in Kanada ein wirksamer Beitrag gegen das Artensterben in Brandenburg scheitert.
„Wir sind enttäuscht und fühlen uns getäuscht. Die Regierungsfraktionen hatten die Vertreter der Volksinitiative ausdrücklich aufgefordert, eine Verständigung mit den Landnutzerverbänden zu erreichen. Der erarbeitete Gesetzentwurf ist nicht nur wichtig für die Artenvielfalt im Land, er war zugleich ein hoffnungsvoller Beitrag für die Zusammenarbeit von Landnutzern und Naturschützern“, erklärt Friedhelm Schmitz-Jersch, Vertreter für den NABU Brandenburg.
Bis zuletzt war versucht worden, den Gesetzentwurf durch Kompromissvorschläge zu retten. Überzogene Forderungen der Landnutzer haben dies verhindert. Das Verbot des Einsatzes von Pestiziden und Düngemitteln in FFH-Gebieten sollte aufgrund der Forderungen der Landnutzer vollständig entfallen. Gerade für diese wertvollen, europaweit gesicherten Gebiete besteht aber besonderer Handlungsbedarf. Bisher fehlt es überhaupt an Regelungen zum Schutz dieser Gebiete. Darüber hinaus wurden vom Landesbauernverband überzogene Forderungen für den finanziellen Ausgleich für das Verbot von Pestiziden in Naturschutzgebieten gestellt.
„Nach zweieinhalb Jahren Verhandlungen sehen die Landnutzer und die beiden Regierungsfraktionen SPD und CDU jetzt wohl den Zeitpunkt als günstig an, den Gesetzentwurf zu beerdigen. Verbindliche Regelungen zum Schutz der Natur und gegen das fortschreitende Artensterben werden abgelehnt. Wie bereits bei der Volksinitiative gegen Massentierhaltung und für mehr Tierwohl wird auch diese Volksinitiative von den beiden größeren Regierungsfraktionen ausgebremst.“, so Axel Kruschat, Geschäftsführer des BUND Brandenburg.
Das Artensterben ist genauso verhängnisvoll wie die Klimakrise. Um dem Artenverlust gegenzusteuern, sind gerade in der Landwirtschaft Veränderungen erforderlich. Dem gegenüber wollen die beiden Regierungsfraktionen gemeinsam mit Teilen der Landwirtschaft überkommenes Besitzstandsdenken zum Schaden der Natur fortsetzen. Die Landwirtschaft will auf Freiwilligkeit setzen, unterstützt mit finanziellen Fördermaßnahmen. „Die Erfahrung lehrt, dass wir mit Freiwilligkeit das Artensterben nicht stoppen werden“, meint Axel Kruschat.
Die Forderungen der Volksinitiative beziehen sich auf die wertvollsten Schutzgebiete im Land, die Naturschutzgebiete und die europäisch gesicherten FFH-Gebiete. „Wie glaubwürdig ist die Festlegung im Koalitionsvertrag, in einer ambitionierten Reduktionsstrategie für chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel die eingesetzte Menge bis 2030 nach Möglichkeit zu halbieren, wenn den wichtigsten Refugien der Artenvielfalt in Brandenburg der notwendige Schutz verweigert wird“, fragt Friedhelm Schmitz-Jersch. „Gleichzeitig wird der Wille zehntausender Brandenburgerinnen und Brandenburger missachtet.“
Mit der weiteren Forderung will die Volksinitiative für alle Gewässerrandstreifen eine dauerhafte Begrünung und das Verbot des Einsatzes von Pestiziden und von Düngemitteln erreichen. 94 Prozent unserer Fließgewässer befinden sich in mäßigem bis schlechtem ökologischen Zustand. Gewässerrandstreifen vermindern wirksam den Schadstoffeintrag in die Gewässer.
Unzutreffend ist die Behauptung, Neuerungen im Bundesrecht würden die landesrechtlichen Vorgaben überflüssig machen. Die bundesrechtlichen Regelungen sind lückenhaft und weniger wirkungsvoll (siehe Hintergrund). Der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten etwa ist im Bundesrecht nur zum Teil untersagt. Für den Einsatz von Düngemitteln gibt es gar keine Regelungen. In FFH-Gebieten ist der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln auf allen Ackerflächen weiterhin erlaubt.
Verlauf der Verhandlungen zu den Forderungen
Mehr als 73.052 Brandenburgerinnen und Brandenburger haben die Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern!“ mit ihrer Unterschrift unterstützt. Nur 20.000 wären für einen Erfolg nötig gewesen. Der Landtag hat dann aber aus rechtsformalen Gründen die Volksinitiative für unzulässig erklärt.
Dennoch hatten sich die Umwelt- und Naturschutzverbände mit den Regierungsfraktionen und den Verbänden der Landnutzer Anfang 2020 darauf geeinigt, in einem Moderationsverfahren eine Verständigung zu erreichen. Als Ergebnis zahlreicher Sitzungen wurde ein Gesetzentwurf erarbeitet, der dann Mitte 2021 in den Landtag eingebracht wurde. Erneut wurde eine Verhandlungsrunde gestartet – diesmal unter dem Titel „Begleitgremium“ und neben den Sitzungen der Landtagsausschüsse. Das Begleitgremium hatte seit Herbst 2021 zehn Sitzungen durchgeführt.
Gegen das Vorgehen des Landtags von 2020, die Volksinitiative für unzulässig zu erklären, haben die Vertreter der Volksinitiative Klage beim Landesverfassungsgericht eingereicht. Das Gericht hat angekündigt, das Verfahren Anfang 2023 zu bearbeiten und zum Abschluss zu bringen. Ist die Klage erfolgreich, kann die Volksinitiative mit der nächsten Stufe, der Einleitung des Volksbegehrens, fortgesetzt werden.
Unterschied zwischen landesrechtlichen Regelungen und Bundesrecht
Die Bundesgesetzgebung (Bundesnaturschutzgesetz, Wasserhaushaltsgesetz, Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und Düngeverordnung) erfasst wesentliche Regelungen, die im Gesetzentwurf der Volksinitiative vorgesehen sind, nicht. So sind laut Bundesrecht in Naturschutzgebieten nicht alle Pestizide verboten. Beispielsweise sind Fungizide und nicht direkt bienengefährliche Insektizide erlaubt. Fungizide haben aber eine schädliche Wirkung auf die Artenvielfalt und das Bodenleben. Der Gesetzentwurf der Volksinitiative sieht im Gegensatz dazu das Verbot aller Pestizide in Naturschutzgebieten ab 2023 vor.
Noch deutlicher wird der Unterschied bei den FFH-Gebieten. Laut Bundesrecht soll dort der Einsatz von Pestiziden auf Ackerflächen gar nicht eingeschränkt werden. Der Volksinitiativen-Gesetzentwurf sieht ein vollständiges Verbot von Pestiziden ab 2028 vor.
Bei Düngemitteln sind auf Bundesebene keinerlei Beschränkungen festgelegt worden. Aber besonders die Überdüngung ist eine wesentliche Ursache für den Schwund der Biodiversität. Im Volksinitiativen-Gesetzentwurf ist dazu ein verbindlicher Verzicht auf mineralische Düngung sowohl in Naturschutzgebieten als auch in FFH-Gebieten ab 2028 vorgesehen.
Auch bei den Gewässerrandstreifen bleibt das Bundesrecht hinter den vorgesehenen landesrechtlichen Regelungen deutlich zurück. Beim Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln können die Anwender wählen zwischen 10 Meter Abstand zum Gewässerrand mit ackerbaulicher Nutzung oder 5 Meter Abstand bei durchgehender Begrünung (§ 4a Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung). Für die Ausbringung von Düngemitteln gilt weitgehend ein Abstand von einem Meter (§ 4 Abs.2 Düngeverordnung). Das heißt, bei ackerbaulicher Nutzung muss für den Einsatz von Düngemitteln nur ein Abstand von einem Meter, für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aber ein Abstand von 10 Metern zum Gewässerrand eingehalten werden. Wie passt dies zusammen? Die im 10 Meter-Streifen liegende Fläche darf gedüngt werden. Es dürfen dort aber gleichzeitig keine Pestizide eingesetzt werden.
Demgegenüber die vorgesehene Landesregelung: Der Gewässerrandstreifen ist verpflichtend 5 Meter breit und durchgehend begrünt, mit einem Verbot von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln. Der Gesetzentwurf schafft damit eine stimmige Regelung. Dies ist der eine Vorteil der landesrechtlichen Regelung. Der andere Vorteil folgt aus der durchgehenden Begrünung gegenüber ackerbaulicher Nutzung. Begrünte Gewässerrandstreifen vermindern wirksam die Abschwemmung von schädlichen Bodensedimenten. Bei begrünten Gewässerrandstreifen besteht auch kaum Bedarf für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Abgrenzung zu anliegenden Ackerflächen ist eindeutig. Darüber hinaus wird zusätzlich durch die begrünten Gewässerrandstreifen ein landesweites Biotopverbundsystem geschaffen.
Für alle Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität soll es einen angemessenen finanziellen Ausgleich geben, auch sind auf Antrag Befreiungen von den Regelungen möglich.
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