Ganze 5.058.242 Tiere – diese erschreckende Bilanz zeigen die aktuell veröffentlichten offiziellen Tierversuchsstatistiken. Der Grund für eine völlig andere, viel höhere Zahl als 2020 (ca. 2,5 Mio.) liegt darin, dass 2021 erstmals die Zahl der sogenannten Überschusstiere erfasst wurde: Tiere, die im Labor geboren, aber nicht für Versuche oder zur Organentnahme verwendetet wurden und daher einfach getötet wurden, tauchten bisher in den Statistiken nicht auf. ÄgT kritisiert diese Dunkelziffer bereits seit Jahren, in die nun ein wenig mehr Licht gebracht wurde. Hier wurden 2.553.664 Tiere erfasst – zusätzlich zu 2.503.682 Tieren, die in Tierversuchen oder zur Organentnahme verwendet wurden.

Im Jahr 2021 wurden 1.859.475 Tiere in Tierversuchen verwendet und größtenteils getötet. Weitere 644.207 Tiere wurden zu „wissenschaftlichen Zwecken“ getötet, etwa um Organe oder Gewebe zu entnehmen. Zusammen ergibt sich eine Zahl von 2.503.682 Tieren, die mit den Vorjahren vergleichbar ist. 2020 lag diese Zahl bei 2.503.682, das sind 29.982 Tiere weniger als 2021.

Mäuse sind die in der Forschung mit Abstand am häufigsten verwendeten Tiere und machten 2021 mit 1.342.779 Tieren ganze 72,2 % der Gesamtzahl aus. Fische sind mit 226.094 die zweithäufigste Tierart, gefolgt von Ratten mit 135.022. Es werden aber auch nach wie vor Kaninchen (62.771), Vögel (26.745), Hunde (2.657), Katzen (862), Meerschweinchen (8.731), Schweine (11.151), Affen (1.886) und Pferde/Esel (1.852) verwendet.

Die Statistiken des Bf3R (Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren), das als Teil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) seit 2020 die Tierversuchszahlen herausgibt, beziehen sich allerdings nur auf die Tiere, die tatsächlich in Versuchen eingesetzt werden. „Diese rund 1.8 Millionen werden prominent und mundgerecht platziert, sodass sich diese Zahl in einigen Medienbeiträgen findet,“ erläutert Julia Radzwill, Diplom-Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche. „Sowohl die ‘zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten‘ Tiere als auch die Überschusstiere müssen aber unbedingt in die Gesamtzahl einfließen und die Zahl darf nicht künstlich niedrig gehalten werden.“ So ist es nach Aussage von Ärzte gegen Tierversuche zu begrüßen, dass jetzt zusätzlich auch die Überschusstiere erfasst werden, also Tiere, die getötet werden, weil sie zu alt sind, das „falsche“ Geschlecht oder unerwünschte genetische Merkmale haben. In jedem Fall fehlen die wirbellosen Tiere außer Kopffüßer – Insekten, Krebse und andere Wirbellose tauchen nämlich in keiner Statistik auf.

Haupteinsatzgebiet bleibt auch 2021 mit 55,8 % die Grundlagenforschung (1.037.931 Tiere), was einen leichten Rückgang gegenüber 2020 zeigt (1.097.139 bzw. 57,7 %). Ein tatsächlicher Trend scheint sich im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche abzuzeichnen: Für das Jahr 2021 entfallen 313.557 Tiere (16,9 %) auf diesen Bereich, während es 2018 noch 22,6 % waren.

Mit einem prozentualen Anteil von 4,3 % ist der Anteil der Schweregrad „schwer“-Versuche wieder gestiegen. Der prozentuale Anteil scheint gering, in absoluten Zahlen aber litten 79.451 Tiere in Versuchen, die z. B. Elektroschocks, denen das Tier nicht entkommen kann, Schwimmen bis zur Verzweiflung, Tod durch Abstoßung von Transplantaten oder Tod durch Vergiftung beinhalteten.

Die genetische Manipulation von vor allem Mäusen und Fischen ist weiter auf dem Vormarsch, 2021 wurden 952.837 Tiere genetisch manipuliert, das entspricht einem Anteil von ca. 51 %. Zum Vergleich: 2011 betrug der Anteil der genmanipulierten Tiere nur die Hälfte dessen.

Die leichten Rückgänge in den Tierversuchszahlen wurden 2021 vom BfR mit dem „[…] Engagement Deutschlands für mehr Tierschutz […]“ (1) begründet.

„Natürlich begrüßen wir jeden Rückgang der Tierversuchszahlen und freuen uns über jedes Tier, das nicht im Labor leiden muss!“ stellt Julia Radzwill klar. „Man muss aber auch ganz genau hinschauen: Woran liegt es wirklich? Insbesondere 2020 und auch noch 2021 legten die Lockdowns nicht nur das öffentliche Leben, sondern in Teilen auch die Labore lahm. (2,3) Möglicherweise sind auch vor allem darauf die sinkenden Tierversuchszahlen zurückzuführen.“ Vorbild in Sachen Tierschutz ist Deutschland nämlich nicht gerade: Die Bundesregierung steht mit der unzureichenden Nachbesserung des Tierschutzgesetzes aufgrund juristischen Drucks von der EU weiterhin in der Kritik.

„Nicht nur beim Tierschutz muss nachgebessert werden, es muss endlich auch eine strategische und intensive Förderung der humanbasierten Forschungsmethoden, den Non-Animal Technologies (NATs), angegangen werden. Besonders im Bereich Regulatorik gibt es schon einige Methoden, die zum Einsatz kommen – und der Anteil der in diesem Bereich durchgeführten Tierversuche sinkt ja auch kontinuierlich als einziger. Da ist so viel Potenzial!“ so die Biologin. Der Ärzteverein macht dieses Potenzial mit der NAT-Datenbank für tierversuchsfreie Forschungsmethoden der Öffentlichkeit zugänglich. Diese zeigen eine erstaunliche Leistungsfähigkeit gegenüber Tierversuchen, deren Zahl dann in Zukunft hoffentlich tatsächlich kontinuierlich absinkt.

Quellen

  1. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Zahl der verwendeten Versuchstiere geht deutlich zurück, 16.12.2021
  2. Subbaraman N: Return to the lab: scientists face shiftwork, masks and distancing as coronavirus lockdowns ease. Nature 2020; 582(7810):15–16
  3. Universität Hamburg. Universität Hamburg verlängert Lockdown-Maßnahmen, 08.01.2021

Weitere Infos

Tierversuchsstatistik 2021 >>

NAT-Database www.nat-database.de

Über den Ärzte gegen Tierversuche e.V.

Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche e.V. besteht seit 1979 und ist ein bundesweiter Zusammenschluss aus Ärzten, Tierärzten und Naturwissenschaftlern, die Tierversuche aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen ablehnen. Der Verein engagiert sich für eine moderne, humane Medizin und Wissenschaft ohne Tierversuche, die sich am Menschen orientiert und bei der Ursachenforschung und Vorbeugung von Krankheiten sowie der Einsatz von modernen Forschungsmethoden z.B. mit menschlichen Zellkulturen und Organchips im Vordergrund stehen.

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