Anders als befürchtet hat sich die wirtschaftliche Lage des Handwerks in der Region Stuttgart von dem allgegenwärtigen Krisenszenario nicht einschüchtern lassen. „Aufholeffekte nach dem Wegfall der Corona-Beschränkungen haben im vergangenen Jahr den Konsum, vor allem der Privatkundschaft, gefestigt. Davon konnte eine Vielzahl der Handwerksbetriebe in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg, dem Rems-Murr-Kreis und im Stadtkreis Stuttgart profitieren“, betonte Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart. Die Situation färbt auf den Betriebsbestand ab. Die Zahl der Handwerksbetriebe stieg in 2022 um 425 Unternehmen (+1,4 Prozent) auf 31.403. Der Zuwachs resultiert besonders aus zahlreichen Neuanmeldungen von klimarelevanten Betrieben wie beispielsweise Elektrotechniker oder Installateur und Heizungsbauer.

Bei der Jahrespressekonferenz der Handwerkskammer Region Stuttgart wies Präsident Rainer Reichhold auf die außergewöhnliche Gesamtsituation hin. „Unsere Umfrage ergab, dass die Auftragslage und Betriebsauslastung zum Jahresende noch stabil sind, die Umsatzsteigerungen aber vor allem den eklatanten Preissteigerungen beim Material geschuldet sind.“ Der voraussichtliche Umsatz des Handwerks mit 198.000 Beschäftigten in der Region liegt für 2022 bei 31,32 Mrd. Euro.

Massive Probleme würden nach wie vor die unverändert hohen Materialkosten und die Lieferkettenprobleme verursachen. „Stabstahl ist um 40 Prozent teurer geworden, Flachglas um fast 50 Prozent im Vergleich zu 2021. Hinzu kommen teilweise endlose Wartezeiten auf Produkte.“ Das belaste die Situation rund ums Produzieren und vor allem Bauen ganz massiv. Hinzu kämen die deutlich gestiegenen Bauzinsen. „Da kippt bei Bauherren ganz schnell die Finanzierung des Neubaus und die Aufträge fürs Handwerk werden auf Eis gelegt.“ Damit sei die Konjunkturabschwächung auch beim bisherigen Garanten für die stabile Wirtschaftslage, dem Bau- und Ausbauhandwerk, angekommen.

Große Sorgen bereiten den Handwerksunternehmern die explodierten Energiepreise, die im Schnitt um 62 Prozent gestiegen sind. Problematisch sei, dass die Preise meist nicht weitergegeben werden können, da die Zahlungsbereitschaft der Kunden begrenzt sei. „Eine Brezel zum doppelten oder dreifachen Preis akzeptiert der Markt nicht“, bemerkte Kammerpräsident Reichhold. Hinzu kämen noch die Unsicherheiten mit den Anschlussverträgen, falls der Energieversorger Verträge kündigt sowie die noch ausstehenden Jahresendabrechnungen. In dem Zusammenhang sei die Gas- und Strompreisbremse zu begrüßen, führte Reichhold aus. „Sie kommt etwas spät aber immerhin rückwirkend.“ Außerdem arbeitet das Land derzeit mit Hochdruck an der Ausgestaltung der Härtefallhilfen. „Sehr positiv bewerten wir, dass die Hilfen nun auch energieträgerunabhängig gewährt werden.“

Beim Pressetermin in Stuttgart erklärte Präsident Rainer Reichhold, dass die Energie- und Klimawende ohne das Handwerk nicht zu schaffen sei. „Deshalb ist die Zunahme der Zahl der Betriebe im Elektrotechnik-Handwerk und bei den Installateur- und Heizungsbauern mit ein Indiz dafür, dass sich die nachrückende Unternehmergeneration der Klima-Herausforderung stellt und mit anpackt.“ Die Chancen würden in vielen Handwerksbranchen wie Bau, Ausbau oder Mobilität gesehen und erkannt. „Entscheidend ist allerdings, dass die Betriebe und Neugründer ausreichend qualifiziertes Personal finden, um die Aufträge abarbeiten zu können. Zudem darf uns die Zulieferindustrie nicht hängen lassen. Komponenten wie beispielsweise Steuereinheiten, PV-Anlagen, Dämmmaterial oder spezielle Produkte und Werkstoffe müssen termingerecht bereitstehen.“

Die Zahl der Handwerksbetriebe in der Region Stuttgart stieg von 30.978 auf 31.403 zum 31.12.2022 (+ 1,4 Prozent). Bei den zulassungspflichtigen Handwerken, also Betriebe mit Meisterpflicht, reduzierte sich die Gesamtzahl um 0,9 Prozent, die zulassungsfreien und die handwerksähnlichen legten um 7,0 Prozent beziehungsweise um 4,2 Prozent zu. Den größten Zuwachs verzeichnen die Gebäudereiniger mit 267 Neuanmeldungen. Dem Trend „zum Bike“ folgte auch eine gestiegene Bestandszahl – die Zweiradmechaniker nahmen um 12 Betriebe zu. 

Der ausführliche Konjunkturbericht sowie die relevanten Statistiken stehen online unter http://www.hwk-stuttgart.de/konjunktur und www.hwk-stuttgart.de/statistik   

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