Der Gebäudesektor verfehlt auch in diesem Jahr, übrigens bereits zum dritten Mal in Folge, das gesetzlich vorgegebene Klimaziel. Dies geht aus den aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) hervor, die am 15.3. zu den emissionsrelevanten Entwicklungen in den Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallsektor vorgelegt wurden.

Eine Lehre aus den vom UBA vorgestellten Zahlen ist: Mit Gebäude und Verkehr rutschen genau jene Bereiche in die roten Zahlen, die bislang nicht vom EU-Emissionshandel erfasst waren und bei denen politisches Handeln wichtiger wäre als in allen anderen Bereichen. Klar sollte damit inzwischen sein, dass es mit ein paar Förderprogrammen und Marktanreizen nicht mehr getan ist. Um im Gebäudebereich endlich auf Kurs zu kommen, braucht es seitens der Politik Mut für ambitionierte Maßnahmen und eben auch ordnungsrechtliche Weichenstellungen. Denn je knapper die Zeit für das Erreichen der vereinbarten Klimaschutzziele ist, – aktuell haben wir noch 22 Jahre – desto durchschlagender werden die nötigen Veränderungen sein.

Das Bundeswirtschafts- und das Bundesbauministerium arbeiten aktuell an einer solchen ambitionierten wie auch wichtigen Weichenstellung. Gemeint sind die Pläne zur Einführung einer Pflicht, wonach alle neu eingebauten Heizungen in Deutschland ab 2024 mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien gespeist werden sollen. Konkret heißt das, dass ab 2024 weder beim Neueinbau noch beim Austausch Gas- oder Öl-Heizungen zum Einsatz kommen dürfen. Seit Ende Februar kursiert hierzu ein nicht-offizieller Änderungsentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG). Mit Schlagzeilen wie „Habecks Heiz-Hammer“ o. ä. polemisierten einzelne Redaktionen zuletzt gegen dieses Vorhaben.

Eine weitere wesentliche Weichenstellung, die sich in dieser Woche abzeichnete, ist die Positionierung des EU-Parlaments zur Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie EPBD. Herzstück und sicherlich auch der umstrittenste Punkt ist die Festsetzung EU-weiter Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand (auf Englisch „Minimum Energy Performance Standards“ kurz „MEPS“). Auch hierzu wurde mit Schlagzeilen wie „Zwangssanierung“ Stimmung gegen die Pläne der EU-Kommission gemacht.

„Ziel verfehlt“ können wir uns nicht mehr leisten

Wenn wir das Klimaschutzziel jedoch ernst nehmen, und wenn wir in den kommenden Jahren im Gebäudebereich nicht immer wieder zu dem Befund „Ziel verfehlt“ kommen möchten, dann sind beide Vorstöße unumgänglich: sowohl das von den BMWK und BMWSB geplante Verbot zum Einbau von rein fossil betriebenen Heizungen als auch die von der EU-Kommission vorgeschlagene und vom EU-Parlament in dieser Woche befürwortete Einführung von Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand.

„Es ist ein volkswirtschaftlicher Irrsinn, wenn die Bundesregierung einerseits Milliarden an Steuergeldern für eine Gaspreisbremse und für neue LNG-Terminals aufbringen muss, um der Abhängigkeit von russischem Gas und den explodierenden Heizkosten etwas entgegenzusetzen, und wenn andererseits allein 2022 ganze 600.000 Gasheizungen neu eingebaut wurden“ mahnt Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. „Angesichts der Gas-Krise und des Ziels, dass im Jahr 2045 – also in 22 Jahren! – keine fossil betriebenen Heizungen mehr in deutschen Heizungskellern laufen sollten, kann die folgerichtige Antwort nur lauten, dass spätestens ab 2024 Schluss sein muss mit dem Neu- oder Wieder-Einbau von Gas- oder Ölheizungen. Deren übliche Nutzungsdauer beträgt übrigens ca. 25 – 30 Jahre. Wir müssen ins Handeln kommen!“

Auch was die Sanierungsrate angeht, kommen wir in Deutschland seit Jahren nicht auf die erforderlichen Zahlen. In 22 Jahren sollen auch die bestehenden Gebäude klimazielkonform sein. Bislang hat man im Gebäudebestand vor allem auf Anreize und Freiwilligkeit gesetzt. Es braucht jedoch einen verbindlichen Mechanismus, der dafür sorgt, dass unser Gebäudebestand – angefangen bei den energetisch schlechtesten Gebäuden – frist- und klimaschutzgemäß transformiert wird. Die von der EU-Kommission vorgesehenen Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand sind daher folgerichtig.

Das „Ob“ dieser Maßnahmen sollte also nicht zur Debatte stehen. Zum „Wie“ dieser Maßnahmen darf und muss noch diskutiert werden. Denn viele Fragen sind noch nicht endgültig beantwortet worden:

Die Heizungshersteller benötigen aktuell noch eine gewisse Zeitspanne, um die stark wachsende Nachfrage an erneuerbar betriebenen Wärmeerzeugern zu decken. Handwerker sind aktuell auf Monate hin ausgebucht. Die Baukosten sind weiterhin sehr hoch und bürokratische Hürden verzögern die Umsetzung.

Klimaschutz ist keine private Angelegenheit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Vor allem die soziale Frage gilt es sehr ernst zu nehmen. Wie kann vermieden werden, dass die Kosten der Modernisierung die Ärmsten treffen? BMWK und BMWSB haben in ihrem bisherigen Konzept noch keine überzeugenden Antworten auf diese Frage geliefert. Insbesondere private Eigentümer älterer Einfamilienhäuser werden durch die Regelung mit massiven Kosten belastet werden. Geht die alte Gasheizung kaputt oder ist deren Altersgrenze von 30 Jahren erreicht, dann sind sie gezwungen, eine erneuerbar betriebene Wärmequelle einzubauen. In den meisten Fällen wird es auf eine Wärmepumpe hinauslaufen. Da die meisten Einfamilienhäuser schlecht gedämmt sind und keine Fußbodenheizung haben, müsste auf sehr leistungsstarke Wärmepumpen zurückgegriffen werden, deren Anschaffungskosten weit über 30.000 Euro liegen können. Aktuell wird der Umstieg von Gas auf Wärmepumpe noch mit bis zu 40 Prozent gefördert. Greift allerdings in Zukunft das GEG, weil die Gasheizung ihre maximale Lebensdauer erreicht hat oder kaputt gegangen ist, dann besteht für die Gebäudeeigentümer entsprechend der aktuellen Logik „Was gefordert wird, wird nicht gefördert.“ kein Anspruch auf Förderung. Hier muss der Bund aus Sicht der BAK nachsteuern und vor allem Eigentümern mit geringem Einkommen oder geringer Aussicht auf Finanzierung unter die Arme greifen. Das muss es uns Wert sein, denn Klimaschutz ist keine private Angelegenheit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Mehr gewinnen als die Einsparung von Energie

Auch die „Worst-First“-Strategie der EU-Kommission mag vernünftig sein, weil damit die größten Effekte erzielt werden können und ein „Zwangsimpuls“ für die längst überfällige Erhöhung der Sanierungsquote gesetzt wird. Dennoch ist die Rasenmäher-Methode nie besonders zielgenau. Ökonomisch sinnvoll ist immer eine Verknüpfung mit ohnehin fälligen Renovierungszyklen.

„Im gesamtgesellschaftlichen Sinne liefert die Strategie erst dann einen Mehrwert, wenn sie mit echten Qualitätssteigerungen, nicht nur einzelner Gebäude, sondern ganzer Quartiere, einhergeht, wenn eine bessere Adaptierbarkeit an künftige Entwicklungen möglich ist, wenn robuste, dauerhafte Lösungen im Vordergrund stehen – und unsere gebaute Umwelt lebenswerter und schöner wird“, erläutert Andrea Gebhard. „Das verlangt eine sorgfältige, ganzheitliche Planung, die nur wir Architektinnen, Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplaner leisten können. „Der Wert dieser Planung muss in die Köpfe der Politik, welche die Qualifikationsanforderungen etwa für die Erstellung von Sanierungsplänen definiert und Rahmenbedingungen für eine angemessene Honorierung setzen muss. Und es muss in die Köpfe von Investoren und Bauherrinnen, dass sie durch gute Planung viel mehr gewinnen als die Einsparung von Energie.“    

Zur ausführlichen Stellungnahme der BAK zum Gebäudeenergiegesetz (GEG):

BAK-Stellungnahme_65-Prozent-EE-Vorgabe-im-GEG_2022-08-20.pdf

Zur ausführlichen Stellungnahme der BAK zum Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD):

EU-Gebaeuderichtlinie-EPBD_BAK-Stellungnahme_2022-02-24.pdf

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