Die Botschaft ist angekommen: Wird die Krankenhausstruktur-Reform, wie von der Bundesregierung im Entwurf geplant, umgesetzt, hat das massive Folgen für die Gesundheitsversorgung vor allem im ländlichen Bereich. Es drohen Klinikschließungen, Job-Verluste und das Aussterben der wohnortnahen Versorgung. Das lässt bei MdB Alexander Föhr (CDU) und MdB Dr. Albrecht Schütte (CDU) die Alarmglocken schrillen. Beide trafen sich am Montag in der GRN-Verwaltung am Standort Schwetzingen zum Austausch mit den GRN-Geschäftsführerinnen Katharina Elbs und Judith Masuch und sicherten den beiden ihre Unterstützung zu.
Judith Masuch stellte eingangs die Struktur des GRN-Verbundes vor und wies anschließend auf aktuelle Probleme in der Krankenhausfinanzierung hin. Das Abrechnungssystem sei auf ein stark leistungsbezogenes Arbeiten ausgerichtet. Für Notfälle vorgehaltenes Personal ließe sich damit nicht abrechnen, hinzu komme ein großer Investitionsstau. Für Investitionen in die Infrastruktur stehe nicht ausreichend Geld vom Land zur Verfügung. „Wir haben Glück, dass der Rhein-Neckar-Kreis mit Landrat Stefan Dallinger, den Kreisräten und unseren GRN-Aufsichtsräten bedingungslos hinter uns steht und die Finanzlücken auffängt.“ – Eigentlich nicht Aufgabe des Landkreises, sondern des Landes.
Ebenfalls vor Problemen stehen die GRN, wie zahlreiche andere Kliniken bundesweit auch, in Bezug auf das Thema Personalmangel. Dieses wiegt besonders schwer im pflegerischen Bereich, trifft inzwischen aber auch Ärzte und Bereiche, die nicht als erstes mit einem Krankenhaus assoziiert werden, dennoch unverzichtbar sind, wie beispielsweise das Küchenpersonal. Hinzu kommen Renteneintritte durch die alternde Bevölkerung. „Wir können gar nicht so viel neues Personal ausbilden, dass wir die wegfallenden Stellen nachbesetzt bekämen“, zeigt sich Judith Masuch alarmiert.
On top steht das Thema „Überbürokratisierung“. Ärzte und Pflegefachkräfte sind übermäßig mit Dokumentieren beschäftigt. Dabei vergeht wertvolle Zeit, die sie eigentlich für die Versorgung von Patienten nutzen könnten und sollten.
Erschreckend für die GRN-Geschäftsführerin ist ein Ergebnis aus einer Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG): Demnach rechnen dreiviertel der Krankenhäuser in Baden-Württemberg für das Jahr 2022 mit einem negativen Ergebnis. Zum Vergleich: 2021 rechnete etwa die Hälfte der Krankenhäuser mit einem Defizit. Unter öffentlichen Häuser rechnen für 2022 sogar rund 90 Prozent mit roten Zahlen. Wesentliche Gründe dafür sind die Inflation, steigende Energiepreise und Tarifsteigerungen, die mit der Krankenhausfinanzierung nicht abgefangen werden. Corona-Ausgleichszahlungen hätten viele Kliniken in den Jahren 2020 und 2021 gerettet, diese sind aber zur Mitte des Jahres 2022 ausgelaufen – und die Kliniken sind auf sich gestellt, obwohl weiterhin Corona-Patienten versorgt werden, Personal vorgehalten werden muss und vermehrt krankheitsbedingte Ausfälle zu kompensieren sind.
„Da stehen wir momentan“, sagt Judith Masuch überleitend an ihre Amtskollegin Katharina Elbs, „und jetzt schickt Dr. Karl Lauterbach seine Krankenhausreform ins Rennen“.
Katharina Elbs wiederum stellt klar: „Wir sind mit einer Krankenhausreform an sich grundsätzlich sehr einverstanden. Die Ziele können wir so unterschreiben und möchten sie unterstützen. Das ‚Wie‘ ist die Schwierigkeit, mit der wir uns auseinandersetzen.“ Kurz stellt sie den Gästen Dr. Albrecht Schütte und Alexander Föhr die Grundsätze der von der Bundesregierung geplanten Reform vor. Zur Einteilung der Krankenhäuser sind Level vorgesehen: von Level I: eigentlich nur noch dünnste fachärztliche Versorgung mit Pflegebetten – „also ein besseres Pflegeheim“, wirft Dr. Schütte ein – über eine Basisversorgung, bei der zahlreiche Leistungen wie Geburtshilfe, Herzkatheteruntersuchungen, Gastroenterologie nicht mehr angeboten werden dürfen, bis zu Maximalversorgern, die das gesamte Leistungsspektrum abdecken sollen, hauptsächlich Unikliniken, die künftig auch die bisher in der Peripherie erfolgenden medizinischen Behandlungen mit abfangen müssten. Das Ganze soll bis 2024 als neues Gesetz stehen und dann umgesetzt werden.
Einig sind sich alle vier darin: Das ist ein straffer und optimistischer Zeitplan. Für die Umsetzung und Entwicklung eines solchen Gesetzes braucht es zum einen eine sehr viel bessere Abstimmung, in die die Länder und Landkreise unbedingt mit einbezogen werden müssen – nur so könne auf die speziellen regionalen Bedingungen eingegangen werden. Außerdem kann eine reine Notfallversorgung nicht funktionieren, wenn wie im Entwurf der Regierung keine medizinischen Leistungen dahinterstehen, Herzkatheter, Stroke Unit etc. Im Klartext: Wie soll eine Notfallversorgung gelingen, wenn eine Erkrankung zwar diagnostiziert, aber nicht versorgt werden kann und ein Patient mit Herzinfarkt oder Schlaganfall erst 20 bis 30 Minuten in die nächstgelegene Klinik gebracht werden muss. Dabei vergeht wertvolle Zeit, die über Leben und Tod entscheiden kann. Leidtragende sind Menschen in ländlichen Gebieten. Zudem fehlt dem Entwurf der Regierung ein ganz wesentlicher Part: Für so gravierende Änderungen der Krankenhausstruktur und überhaupt für das Überleben der Kliniken ist zunächst eine staatliche Finanzierung notwendig, für die im Reformentwurf überhaupt noch kein Vorschlag enthalten ist.
Schon allein deshalb sprechen sich Katharina Elbs und Judith Masuch für den Alternativvorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) aus. Auch hier werden Krankenhäuser nach Leveln unterteilt, jedoch entscheiden bei der Zuordnung die Länder mit. Und allem voran, so die Forderung der DKG, muss eine umfassende Krankenhaus-Akutfinanzierung stehen, um weitere massenhafte Klinik-Insolvenzen zu verhindern, und das Finanzierungsmodell grundsätzlich überarbeitet werden.
Schütte und Föhr haben die Problematik schnell erkannt: „Hauptverlierer sind Leute in ländlichen Regionen, für die es keine adäquate Notfallversorgung mehr gäbe.“, sagt Dr. Albrecht Schütte. „Das Konzept ist falsch“, findet er. „Bei einem Notfall müsse man rasch in einem Krankenhaus sein, in dem Herzinfarkte, Schlaganfälle etc. auch behandelt werden können“.
Alexander Föhr gibt zu bedenken, dass für ein solches Programm wie von der Regierung vorgeschlagen, zunächst mal sehr viel Geld fließen müsste. Auch der Zeitstrahl sei „sehr ambitioniert“. Er zeigt sich „der festen Überzeugung, dass so eine Planung nicht zentral aus Berlin stattfinden darf. Es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern, deshalb müssen Länder und Kreise mit ins Boot, um das Know-how vor Ort mit einzubeziehen“.
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