Am Freitagnachmittag des 21. Aprils drängten Mitarbeitende, Patienten und Bürger Göppingens in den Herrensaal. Das Klinikum Christophsbad und seine Gesellschafter hatten zu einer Buchvorstellung und Feierstunde geladen, um den 293 Patienten zu gedenken, die zwischen April 1940 und März 1941 aus dem Christophsbad in staatliche Anstalten zwangsverlegt wurden. Das menschenverachtende NS-System betrachtete diese psychisch und neurologisch Erkrankten als lebensunwert. Trotz vehementen Widerspruchs der damaligen Leiter Dr. Fritz Glatzel und Dr. Werner Landerer wurden diese Menschen in staatliche Einrichtungen deportiert. Was aus ihnen geworden ist, trieb die Gesellschafter des Christophsbads bis heute um. 2017 ergriffen sie die Initiative, riefen einen Arbeitskreis ins Leben und beauftragten die Historiker Thomas Stöckle und Daniel Hildwein von der Gedenkstätte Grafeneck mit der Nachforschung.

Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Buch: "Das Christophsbad Göppingen – Eugenik und NS-‚Euthanasie‘ 1933 bis 1945". Stöckle, ein ausgewiesener Spezialist zur NS-"Euthanasie" in Baden-Württemberg, verantwortete die Kapitel über das Christophsbad in dieser dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte. Hildwein gelang es mit nur einer Ausnahme, allen 293 Opfern eine Identität zu geben, sie eben mit einer Kurzbiografie und oftmals mit einem Porträtbild aus den Patientenakten des Christophsbads zu versehen. Dies "entreißt sie der Anonymität" und "holt die Opfer in die Erinnerung der Stadt zurück", brachte es Almut Cobet, Erste Bürgermeisterin der Stadt Göppingen, auf den Punkt. Nun wissen wir: 180 dieser 293 Patienten starben in den Gasbaracken der Vernichtungsanstalten Grafeneck und Hadamar, weitere fielen der "stillen Euthanasie" zum Opfer, einer beging Selbstmord, eine Frau starb in Auschwitz. 61 überlebten die NS-Zeit.

Das Buch ist dem Zusammenwirken vieler zu verdanken: Dem Historiker-Duo Thomas Stöckle und Daniel Hildwein, der Geschäftsführung und dem Ärztlichen Direktor des Christophsbads sowie insbesondere den Mitarbeitenden Rolf Brüggemann und Frank Pfennig vom MuSeele und der Referentin Dr. Ute Kühlmann. Der Dank gilt auch Dr. Dominik Sieber, Leiter Archiv und Museen Göppingen, Prof. Maike Rotzoll von der Universität Marburg und Thomas Schwarz von der Schwarz Gruppe Design. Auch Gesellschafter des Christophsbads haben mitgewirkt. Der Stadt Göppingen und der Landeszentrale für politische Bildung ist Dank für die finanzielle Unterstützung geschuldet.

Das Buch ist im MuSeele (Christophsbad, Haus 10, geöffnet Mi 16 – 18 Uhr und So 14 – 16 Uhr) und im Stadtarchiv Göppingen für 15 Euro erhältlich.

Über die Christophsbad GmbH & Co. Fachkrankenhaus KG

Das Klinikum Christophsbad in Göppingen ist ein modernes Akutplankrankenhaus für Neurologie einschließlich regionaler Stroke Unit, Frührehabilitation und Schlaflabor, für Psychiatrie und Psychotherapie, Gerontopsychiatrie, Psychosomatik und für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit einer über 170-jährigen Tradition. Es besteht, zusammen mit der geriatrischen Rehabilitationsklinik in Göppingen und der orthopädischen Rehaklinik Bad Boll, aus 8 Kliniken mit ambulanten, teil- und vollstationären Bereichen.
Angegliedert an das Klinikum ist das Christophsheim, ein spezialisiertes Wohnheim für psychisch u./od. neurologisch kranke Erwachsene. Die vier Standorte des Unternehmens befinden sich in Göppingen, Geislingen und Bad Boll sowie mit MentaCare, unserem Zentrum für Psychische Gesundheit, in Stuttgart. Die Christophsbad Klinikgruppe ist mit rund 1.050 Betten/Plätzen Arbeitgeber für rund 1.800 Mitarbeiter.

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