In Anlehnung an den Pride-Month traf GQ Germany im Juni sieben Aktivist:innen und Innovator:innen aus der ganzen Welt: Calima (Madrid), Gigi Spelsberg (Berlin), Santi Suarez und Emman Debattista (beide London), Carly Tommasini (Mailand), Mariana Benenge (Paris) und Kan (London/Tokio) sprachen mit Contributing Editor Stuart Brumfitt über ihr Engagement, mit dem sie aktiv dazu beitragen, queere Lebenswelten in den öffentlichen Fokus zu rücken, Räume und Safe Spaces zu schaffen sowie Vorurteile abzubauen. Die zugehörige Fotostrecke entstand in Berlin unter der kreativen Leitung von Tobias Frericks, Head of Editorial Content GQ Germany. Fotograf war Luke Abby.  „A Kaleidoscope of Queerness“ ist eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, UK, Indien und Japan

Mit unserem Themenspecial zum Pride Month geben wir der internationalen LGBTQIA+-Community eine Plattform und feiern Menschen, die mit ihrem Engagement queere Lebensrealitäten sichtbar machen und aktiv dazu beitragen, den Dialog voranzutreiben. Die vielfältigen Projekte und Ansätze vereinen Stimmen aus der ganzen Welt. Um sie zu finden, haben wir uns mit unseren Bruder-Ausgaben in Frankreich, Italien, Spanien, UK, Indien und Japan zusammengetan. Wie GQ Germany werden auch sie die sieben Interviews und die in Berlin entstandene Fotostrecke, auf ihren Kanälen zeigenTobias Frericks, Head of Editorial Content GQ Germany. 

Die sieben Talents und ihre Herzensprojekte im Überblick 

Calima, Gründerin des Anti-Racist-Ballroom in Madrid 
Nur ein Jahr nach der Teilnahme an ihrem ersten Ball im Jahr 2021 gründete Calima den „Fairytale Ball“ in Madrid und schuf einen Raum gegen Rassismus und Homophobie:Ich versuche, in Spanien, vor allem in Madrid, eine erwachsenere Ballroom-Szene und Community zu etablieren. Ich muss dafür sorgen, dass die Leute wissen, was White Privilege ist und wie sich dieses Privileg auch im Ballroom manifestiert. (…) Denn es gibt viele verschiedene Geschlechter im Ballroom, also muss man sich dessen wirklich bewusst sein, damit man niemanden enttäuscht. Der Ballroom ist zudem eine sehr lokale Angelegenheit, und man muss alles an seine eigene Szene anpassen, um im Endeffekt einen wirklich tollen Raum zu schaffen.“ 

Gigi Spelsberg & der New-Wave-Swim-Club
Spelsberg ist Schauspielerin, Aktivistin und Schwimmerin. Die Berlinerin ermutigt Transfrauen dazu, ins Schwimmbad zu gehen:Als Kind war ich in einem Schwimmverein und habe an Wettkämpfen teilgenommen. Dann, in meinen frühen Teenagerjahren, begannen sich körperdysmorphe Störungen zu zeigen, deshalb kann Schwimmen für Transmenschen in vielerlei Hinsicht ein Trigger sein. Eines Tages postete ich: ‚Hey, ich gehe schwimmen, und sie haben geschlechtsneutrale Umkleidekabinen für alle, die mitkommen wollen‘, und ich habe darauf viel Feedback bekommen. Das war der Beginn eines großen Gesprächs mit vielen meiner Transfreund:innen. Womöglich habe ich ein bisschen Freiraum geschaffen. (…) Ich denke, was wir im Moment brauchen, sind Verbündete. Sport ist ein Menschenrecht. Ich liebe den Flow, in den man beim Schwimmen gerät, so sehr. Ich würde gerne einen Verein gründen, und ich würde sogar gerne eines Tages ein eigenes Schwimmbad besitzen.“ 

Santi Suarez gründete einen All-Inclusive-Cycling-Club in London
Der Spanier Santi Suarez gründete den Londoner Fahrradfahrer-Club „Queers on Wheels“, um einer vielfältigen LGBTQIA+-Gruppe die Freuden des Radfahrens näherzubringen – und sie zu ermutigen, das Vereinigte Königreich auch außerhalb der Hauptstadt zu erkunden:„Ich liebe die Freiheit, die man mit dem Fahrrad hat: die Freiheit, wo man will, loszufahren und dort hinzugelangen, wo immer man hinwill. Es gibt keine Grenzen. Das ist sehr befreiend. Alle Mitglieder von „Queers on Wheels“ kommen aus verschiede­nen Ländern. Es ist ein perfektes Abbild Londons: Es sind lauter Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Viele cis Männer (Männer, die als Mann geboren wurden und sich auch so identifizieren), aber auch Transfrauen und non-binary Per­sonen. (…) Für mich war es wichtig, etwas zu schaffen, das für alle leicht zugänglich und sehr einladend ist. Bei „Queers on Wheels“ kann man sich ausdrücken, man kann man selbst sein und hat dabei Zugang zur Natur. (…) Es geht nicht nur ums Radfahren. Letztendlich geht es um Befreiung. Queer zu sein ist eine Befreiung von all den sozialen Konstrukten, und beim Radfahren geht es um ebendiese Befreiung und das allgemeine Gefühl von Unabhängigkeit. Das ist ziemlich radikal.“ 

Emman Debattista: Eine Designerin öffnet die Tore der Mode
Als Creative Consultant für Modemarken wie GmbH und Trussardi nutzt Debattista ihre Position und ihren indisch-fidschianischen sowie mediterranen Hintergrund, um anderen queeren BIPoC Möglichkeiten zu eröffnen:„Queer Spaces sind so wichtig. So konnte ich andere kennenlernen und mit ihnen in Kontakt treten. In der Clubwelt traf ich Benjamin (A. Huseby, Creative Director zusammen mit Serhat Işık des Modekollektivs GmbH). (…) Wenn wir queere oder transsexuelle Menschen sehen, sehen wir sie oft nicht unbedingt hinter den Kulissen arbeiten. Wir setzen queere oder transsexuelle Menschen nur für das Image ein. Aber es ist sehr wichtig, dass wir kein Trend sind. Wir haben Geschichten zu erzählen, wir sind schlau, wir sind intelligent. Dadurch, dass ich diesen Zugang habe, kann ich anderen Menschen, die sich wahr­scheinlich in der gleichen Situation befinden wie ich vor fünf bis zehn Jahren, ebenfalls Zugang verschaffen. Wir können ihnen Mög­lichkeiten bieten und der Gemeinschaft etwas zurückgeben, indem wir Platz für diese Menschen schaffen – was ein wichtiger Teil der Repräsentation und der Inklusivität ist.“ 

Carly Tommasini und ihr Podcast, der das Gespräch ins Rollen bringt
Carly Tommasini ist Model und Kommentatorin. Vor Kurzem hat sie ihren Podcast „Transenna“ gestartet, um über Lebenserfahrungen „jenseits von Tabus und Stereotypen“ zu sprechen:„Mein Podcast ist ganz neu und handelt von verschiedenen Themen und Erfahrungen im Leben. Im Jahr 2020 stand ich am Anfang meiner Transition und hatte große Angst davor, offen darüber zu sprechen. Aber nach drei Jahren habe ich eine Menge Erfah­rungen gesammelt. (…) Ich möchte Menschen mit anderen Lebensperspektiven inter­viewen. Nicht nur Trans-, sondern auch queere Menschen und auch heterosexuelle, weiße Männer. Denn wenn man sagt, dass cis Männer „böse“ oder unsere „Feinde“ sind, schafft man Barrieren. Eine für mich sehr wichtige Sache ist es, keine Unterschiede zwi­schen Menschen zu kreieren. Das Hauptpro­blem in unserer Community ist allerdings, dass man zensiert oder ignoriert wird, wenn man eine andere Sichtweise hat. Ich wurde beschimpft, weil ich manche Dinge nicht so sehe wie andere. Aber ich führe gerne gute Debatten, ohne dabei über andere zu urteilen.“ 

Mariana Benenge veranstaltet die Partyreihe „P3“ in Paris
Die Designerin, Tänzerin und Choreografin Mariana Benenge hat „P3“ ins Leben gerufen. Einen Club für Frauen in Paris, der ein Safe Space für alle ist:„Ich leite das „P3“ zusammen mit Stencia Yambogaza und Sephora Haze. Es ist eine Party für queere Frauen, und wir richten uns an Schwarze, Latinx und arabische Frauen, weil es in Paris bereits viele Spaces für weiße lesbische, pansexuelle und bisexuelle Frauen gibt und wir unseren eigenen Space nicht finden konnten. (…) Wir haben die Verantwortung, die Türen auch für andere Leute zu öffnen, die noch keinen eigenen Space haben. Du bist also will­kommen, wenn du trans-maskulin oder bi bist. Manche Leute mögen es, manche nicht, aber im Grunde verkaufen wir unseren Club als einen Safe Space.“ 

Kan kämpft in Japan für die Ehe für Alle
Kans Auftritt bei „Queer Eye: We’re in Japan!“ hat ihn ins Rampenlicht gerückt, wo er seine Stimme nun für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in seinem Heimatland nutzt:„Ich bin in Japan geboren und aufgewachsen. Ich wusste, dass ich schwul bin. Aber es war wirklich schwierig für mich, mein Leben auf eine hoffnungsvolle Weise zu leben, da ich keine Vorbilder hatte. (…) In Japan gibt es keine Antidiskri­minierungsgesetze zum Schutz von LGBTQIA+-Personen. Deshalb konzentriere ich mich darauf, dieses Problem zu thematisieren, sobald es mir die Gelegenheit bietet, in Zeitschriften oder im Fern­sehen zu sein. Ich spreche sehr lautstark über das Thema. Tom und ich haben im Vereinigten Königreich geheiratet. Nicht weil wir nicht in Japan heiraten wollten oder nicht in Japan leben wollten, sondern weil wir es nicht konnten – das ist Ungleich­heit. (…) Es gibt so viele Aktivist:innen, die sich für die Gleichstellung der Ehe in Japan einsetzen, und viele queere Paare verklagen der­zeit die Regierung. Die Kampagne kommt allmählich voran, und wir gehen davon aus, dass sie bis zum Obersten Gerichtshof gehen wird. Wenn das Urteil positiv ausfällt, werden sie die Regierung dazu drängen, die Gleichstellung der Ehe einzuführen. Es könnte Jahre dauern, und es fühlt sich wirklich seltsam an, weil Tom und ich im Vereinigten Königreich geheiratet haben – aber immer, wenn wir nach Japan zurückkehren, sind wir rechtlich gesehen Fremde.“ 

Die aktuelle Ausgabe von GQ Germany (03/23) ist ab 13. Juni 2023 im Handel und online erhältlich. Die Interviews mit den Aktivist:innen finden Sie ab sofort auch auf GQ.de. 

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