Startklar für Piloteinsatz: Die weltweit erste mobile und modulare Klinik für Kinderherzchirurgie (MOHKI) rettet Kindern mit angeborenem Herzfehler in Krisenregionen sowie Ländern, die medizinisch für Operationen von herzkranken Kinder nicht ausreichend ausgestattet sind das Leben. Teams hochspezialisierter Kinderherzchirurg:innen, Anästhesist:innen, Kinder-kardiolog:innen und Pflegefachkräften aus ganz Deutschland werden Herzkinder dort ehrenamtlich operieren. Die mit modernster Medizintechnik ausgestattete Baukasten-Klinik startet im Winter zu ihrem ersten Auslandseinsatz: Ziel El Salvador.

Etwa 1,35 Millionen Kinder werden weltweit jedes Jahr mit einem Herzfehler geboren. Kinder mit angeborenem Herzfehler haben in Krisengebieten, Entwicklungs- und Schwellenländern oft nur eine geringe oder keine Überlebenschance. Die notwendigen Herzoperationen sind wegen schlechter medizinischer Bedingungen vor Ort nahezu unmöglich. Um die komplexen herzchirurgischen Eingriffe dennoch durchführen zu können, hat die gemeinnützige Organisation Kinderherzen e.V. aus Bonn die weltweit erste mobile Kinderherzklinik (MOHKI) gebaut. Am 30. Juni wird die Klinik an ihrem Erstellungsort in Niedersachsen eingeweiht. Im Winter 2023 wird sie von dort, verpackt in nur zehn Containern, für ihren Piloteinsatz nach El Salvador verschifft.

Wenn der Strom ausfällt: Lebensrettende OP mit Taschenlampe und Handkurbel

Während des dreiwöchigen Einsatzes in der Hauptstadt San Salvador werden in der MOHKI etwa 30 Kinder operiert. Erstmals können die erfahrenen und hochspezialisierten OP-Teams unter den gewohnt hohen Hygiene- und Ausstattungsstandards arbeiten. Anja Schlarb, Leiterin Kinderherzen International, erklärt: „Werden betroffene Kinder in Krisenregionen nicht operiert, gleicht das oft einem Todesurteil. Von unseren bisherigen Auslandseinsätzen kennen wir allerdings auch die meist hoffnungslosen Bedingungen vor Ort. Zum Beispiel fällt während der Operation der Strom aus. Wir müssen dann mit Taschenlampen weitermachen oder komplexe Geräte wie die Herz-Lungenmaschine per Hand ankurbeln.“ Der Verein Kinderherzen e.V. will die Überlebenschancen und die Lebensqualität für Kinder mit angeborenem Herzfehler in Deutschland und weltweit entscheidend verbessern. Seine Auslandseinsätze sind, ebenso wie die mobile Kinderherzklink, zu 100 Prozent aus Spenden finanziert. Alle OP-Teams arbeiten ehrenamtlich. Für die Familien der kleinen Herzpatienten sind die Herzoperationen kostenlos. Sie liegen pro Operation bei etwa 6.000 Euro. Zum Vergleich: Würde ein Herzkind nach Deutschland eingeflogen und operiert, lägen die Kosten bei etwa 40.000 Euro.

Außen Baukasten, innen modernste Medizintechnik

Die mobile, modulare Kinderherzklinik kann in nur wenigen Tagen nach einfachem Baukastenprinzip an ihrem Einsatzort aufgebaut werden. Operationssaal, Intensivstation sowie eine Pflege- und Ausbildungseinheit sind mit modernsten medizinischen Geräten ausgestattet. Mit eigenem Generator, Solarmodulen und einem Energiespeicher ist die Klinik weitestgehend unabhängig von der lokalen Stromversorgung – eines der größten Probleme für Operationen in Entwicklungsländern. „Bisher gibt es weltweit keine Möglichkeit, eine Klinik mobil aufzustellen und Kinderherzoperationen, also Mikrochirurgie, vorzunehmen. Unsere Klinik kann von wenigen handwerklich begabten Menschen innerhalb kürzester Zeit an nahezu jedem Standort aufgebaut werden“, erläutert Oberst a.D. Edgar Chatupa, technischer Leiter der mobilen Kinderherzen-Klinik.

Leben retten auf lange Sicht: Klinik bringt nachhaltige Effekte für medizinische Versorgung vor Ort

Vor Auslandseinsätzen reist eine Kinderherzen-Delegation in das Einsatzland und verhandelt dort mit Ministerien, NGOs und Krankenhäusern über die Rahmenbedingungen. Ziel des Vereins ist es, über die lebensrettenden Operationen hinaus zu einer nachhaltig medizinischen Entwicklung beizutragen. Mediziner:innen, Fach- und Pflegekräften vor Ort bietet die mobile Kinderherzen-Klinik ein herausragendes Lernumfeld. Die lokalen Krankenhausteams sind an Voruntersuchung und Diagnose beteiligt und unterstützen bei Operationen und Nachbehandlung. MOHKI-Leitung Anja Schlarb: „Der medizinische Wissenstransfer stärkt die Gesundheitssysteme vor Ort. Zusätzlich fördern wir die nachhaltige Entwicklung der medizinischen Versorgung im Einsatzland durch Programme zur Aus- und Weiterbildung einheimischer Ärzt:innen und Pflegekräfte. Ein wechselseitiger Erfahrungsaustausch ist extrem wichtig – auch wir können viel von anderen medizinischen Systemen lernen.“

2026 bis zu 200 Operationen im Jahr

Rund sieben Tage bleibt ein medizinisches Team am Einsatzort. In diesem Zeitraum können etwa zehn Kinder operiert werden. Ein längerer Zeitraum ist für viele Expert:innen nicht möglich, da sie die Einsätze ehrenamtlich im Urlaub durchführen. Im Rahmen der Klinikeinweihung sind daher zum "ExpatsDay“ am 01. Juli 2023 auch Medizinner:innen und Fachpflegekräfte aus Deutschland und Europa nach Ahlhorn bei Oldenburg eingeladen, sich in der neu eingeweihten Klinik über die Einsätze zu informieren. Darüber hinaus werden die feststehenden Teams für die Ersteinsätze in 2024 bei einem Workshop erstmalig eingewiesen. Nach Planung der Kinderherzen soll es mit weiteren Teams dann möglich werden, bis 2026 bis zu 200 Herzkinder pro Einsatzjahr zu operieren.

Über kinderherzen – Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e.V

1989 wurde Kinderherzen als Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e.V. von Ärzten und Eltern herzkranker Kinder gegründet. Eines von 100 Kindern startet herzkrank ins Leben. Ziel des gemeinnützigen Vereins ist es, die Überlebenschancen, die Behandlungsmöglichkeiten und die Lebensqualität für Kinder mit angeborenem Herzfehler in Deutschland und weltweit entscheidend zu verbessern. Der Verein erforscht neue Wege in der Kinderherzmedizin und fördert Weiterbildungsmaßnahmen. Er sorgt in Kliniken deutschlandweit für moderne Technik und Therapien, damit kleine Herzpatienten ein möglichst langes und normales Leben vor sich haben. Für Herzkinder in medizinisch unterversorgten Ländern sind die Operationen der Kinderherzen-Teams oft die einzige Überlebenschance. Als gemeinnütziger Verein finanziert sich Kinderherzen zu 100 Prozent aus Spenden.

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