Frau Kammerlander, profitiert ein mittelständisches Unternehmen eigentlich, wenn es sich bemüht, ökologisch nachhaltig zu wirtschaften?
Die Studien zu dieser Frage sind zweigeteilt. Bei einigen ist das Ergebnis, dass es eine positive Korrelation gibt zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und Unternehmensprofit. Dieses Ergebnis ist allerdings umstritten. Grundsätzlich ist es auf jeden Fall wichtig, Geschäftsmodelle zu überdenken und stärker in Richtung Kreislaufwirtschaft zu kommen. Jedes Unternehmen muss darüber nachdenken, wie es Ressourcen schonen und möglichst sparsam einsetzen kann. Das ist keine einfache und zudem sehr branchenspezifische Aufgabe, die die nächste Generation noch stärker anpacken muss. Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, zumal sie von Kunden erwartet wird und für eine positivere Reputation sorgt.
Ist ökologische Nachhaltigkeit im Mittelstand und in Familienunternehmen auch eine Generationenfrage?
Generell sagen uns die meisten Mittelständler, dass ökologische Nachhaltigkeit in ihrer DNA liege. Gerade Familienunternehmen, die ja selbst über ihre angestrebten Gewinnmargen entscheiden können, haben schon vor 20 oder gar 30 Jahren, als das Thema noch gar nicht in aller Munde war, in Nachhaltigkeit investiert. Das gilt insbesondere für die eigenen Erneuerbaren Energie wie Solar- und Windkraftanlagen, weil Familienunternehmen stets sehr auf ihre Unabhängigkeit achten. Das war also noch die Generation, die derzeit meistens noch das Sagen hat. Die Jüngeren legen aber sicher einen noch größeren Wert darauf. Potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger in Familienunternehmen sehen in Investitionen in die Nachhaltigkeit oft eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt. Sie sehen sich aber oft ausgebremst.
Wieso?
Die Investitionskraft vieler Unternehmen ist in Deutschland geschwächt, wie der Fall Viessmann gerade gezeigt hat. Hinzu kommt die Furcht vor einer regulatorischen Instabilität – sie können sich nicht darauf verlassen, dass die Gesetze, die heute erlassen werden, auch in zwei Jahren noch gelten. Für Mittelständler, die mit ihrem eigenen Geld arbeiten und nicht mit dem von Aktionären, ist das ein großes Problem. Schließlich gibt es als drittes Hemmnis noch die prinzipielle Zurückhaltung vor allem bei Familienunternehmen, was Controlling und Reporting betrifft. Sie geben nicht gerne ihre Zahlen heraus, aber genau diese Verpflichtung ist die Folge einer ständig wachsenden Regulierung.
Ist Nachhaltigkeit ohne Digitalisierung möglich?
Nein. Digitalisierung bringt viele Möglichkeiten mit sich, die Unternehmen nachhaltiger machen – zum Beispiel die Predictive Maintenance, die vorausschauende Wartung von Maschinen, damit es nicht zu einem Ausfall wegen der Notwendigkeit einer Reparatur kommt. Oder die Prüfung, welche Auswirkungen Umstellungen in der Produktion haben; letztlich gehört das ganze Datenmanagement dazu. Das gilt für fast alle Arten von Unternehmen.
Ist Digitalisierung zugleich auch ein Teil der sozialen Komponente von Nachhaltigkeit?
Auf jeden Fall, denn wenn die eigenen Mitarbeitenden nicht mitgenommen werden, dann nützt die Digitalisierung nichts. Das gilt sowohl für die Bereitschaft, mit digitalen Lösungen zu arbeiten als auch für die dafür notwendige Ausbildung. Insgesamt haben gerade viele Familienunternehmen in den vergangenen Jahren sehr viel für gute Arbeitsbedingungen getan. Das ist heute aufgrund des Fachkräftemangels auch unerlässlich, denn ansonsten bekommen sie gar keine Nachwuchskräfte mehr.
Welche Rolle spielen im Mittelstand faire Produktionsbedingungen in den Schwellenländern und faire Lieferketten?
Auch an dieser Stelle hat sich in den vergangenen Jahren viel getan und die Bereitschaft, solche Grundsätze zu beachten, ist gewachsen. Allerdings haben viele mittelständische Unternehmen gar nicht die notwendigen Ressourcen für ein ausgefeiltes Audit ihrer Lieferketten, wie es das neue Lieferkettengesetz vorschreibt. Hier ist ein Bürokratiemonster entstanden, das vielen Unternehmen das Leben zusätzlich schwer macht. Es ist ein Beispiel dafür, dass der bürokratische Aufwand immer höher wird, während zugleich die Unterstützungsleistungen nicht mitwachsen.
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