Bei der so genannten „Heizungsdebatte“ herrschte großer Streit. Man könnte meinen, das eigentliche Ziel sei dabei aus dem Fokus geraten…
In der Tat. Es wurde und wird nur über den Austausch der Heizsysteme diskutiert, die Fronten verhärten immer mehr. Dabei ist grundsätzlich klar: Wir müssen es schaffen, unsere Gebäude zeitnah mit immer weniger fossilen Brennstoffen warm zu halten. In gewisser Weise stimmt also die Richtung bei der Überarbeitung des GEG: Es ist wichtig, die fossilen Heizsysteme möglichst schnell loszuwerden. Und der richtige Zeitpunkt dafür ist, wenn die alte Anlage kaputt geht. Allerdings müssen wir nicht nur an der Heizung etwas tun, sondern auch an den Gebäuden selbst, vor allem an der Gebäudehülle.
Warum reicht es nicht aus, lediglich die Heizsysteme zukunftsfähig aufzustellen?
Unsere Gebäude haben nicht nur einen Heizungskeller und es darf nicht nur um die Wahl des Heizsystems gehen. Für nachhaltige Lösungen muss vor allem der Wärmebedarf des gesamten Gebäudes verringert werden!
Denn auch erneuerbaren Strom gibt es nicht im Überfluss, gerade im Winter nicht. Eine nachhaltige Energieversorgung für alle ist nur möglich, wenn auch der Energiebedarf deutlich reduziert wird. Das müssen sich auch Entscheidungsträger*innen vergegenwärtigen.
„Dünnes Hemd“ hilft nicht!
Die wichtigsten Bauteile befinden sich in der Gebäudehülle: Wände, Fenster, Türen und natürlich das Dach. Eine unsanierte Gebäudehülle ohne Wärmedämmung kann nicht mit einer neuen Heizung „geheilt“ werden. Das ist, als wenn Sie Ihre Kinder im Winter nur mit einem dünnen Hemd aus dem Haus gehen lassen. Ohne eine warme Winterjacke geht es nicht.
Wärmeschutz verbessern
Daher dürfen wir nicht vergessen, den Wärmeschutz der Gebäude zu verbessern. Polemik gegen die Wärmedämmung ist nicht nur schädlich für den Klimaschutz. Sie führt auch all diejenigen in die Irre, die weiterhin mit hohen Heizkosten leben müssen.
Ist der Kompromiss in der Heizungsdebatte ein Erfolg?
Energetisch betrachtet ist es nicht zielführend, wenn mit dem jetzt erzielten Kompromiss für das GEG viele Maßnahmen unnötig lange verschoben werden, weil auf eine kommunale Wärmeplanung gewartet werden darf. Eine kommunale Wärmeplanung ist ohne Zweifel wichtig. Maßnahmen zum Wärmeschutz an der Gebäudehülle können und sollten aber unbedingt schon ab sofort realisiert werden. Die bisherigen Anforderungen des GEG sind an dieser Stelle eindeutig nicht ausreichend, um die Klimaschutzziele zu erreichen!
Kann unser Gebäudebestand denn so saniert werden, dass der Verbrauch an Energie tatsächlich großflächig deutlich sinkt?
Technisch ist das überhaupt kein Problem, es gibt seit Jahrzehnten viele gute und kostengünstige Beispiele dafür. Fast alle Gebäude lassen sich mit vertretbarem Aufwand energetisch so sanieren, dass sie anschließend deutlich weniger Energie zum Heizen brauchen.
Wie das geht, das wissen alle Energieberater*innen. Die kommunizieren dieses Wissen seit mehr als 30 Jahren – man müsste ihnen einfach mal zuhören.
Soziale Gerechtigkeit
Einige energetische Sanierungen sind ausgezeichnet dokumentiert. Die Frankfurter Wohnbaubaugesellschaft ABG zum Beispiel hat schon Projekte umgesetzt, mit der Beratung seitens des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) sowie durch das Passivhaus Institut (PHI). In Darmstadt gibt es das Passivhaus-SozialPlus: Hohe Energieeffizienz hat viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Die entsprechenden Erfolgsberichte gibt es im Internet.
Was passiert, wenn großflächig Wärmepumpen in unsanierte Altbauten eingebaut werden? Reicht das Stromnetz dafür aus?
Wärmepumpen können in einem schlecht gedämmten Altbau mit unveränderten Heizkörpern meist nur sehr ineffizient arbeiten, da sie hohe Temperaturen erzeugen müssen. Weil das unsanierte Haus viel Wärme verliert, brauchen solche Wärmepumpen gerade an den kältesten Tagen sehr viel Strom. Das Stromnetz ist aber nicht darauf ausgelegt, in großem Umfang solche schlecht gedämmten Gebäude zu beheizen.
Wärmebedarf reduzieren
Wenn wir dagegen im Laufe der Jahre den Heizwärmebedarf der Gebäude deutlich reduzieren − je nach Ausgangszustand des Gebäudes ist eine Verringerung von bis zu 90 Prozent drin − dann können wir den verbleibenden Rest leicht mit einer Wärmepumpe bereitstellen. Das ist der Bonus: Wenn die Gebäudehülle das Haus gut warmhält, dann ist es viel einfacher und günstiger, eine (dann kleinere) Wärmepumpe einzubauen und den alten Kessel stillzulegen. Das geht dann auch ohne großen Aufwand bei den Wärmequellen und bei der Wärmeverteilung. Die Wärmepumpe arbeitet umso effizienter, je weniger Leistung das vorhandene Heizsystem übertragen muss. Mit ausreichend verbessertem Wärmeschutz erreicht sie eine Arbeitszahl über 3: Sie kann aus einer Kilowattstunde elektrischer Energie mehr als 3 Kilowattstunden Wärme bereitstellen, und das bei stark reduziertem Wärmebedarf des Gebäudes.
Bares Geld sparen
Das erspart es dem Energieversorger, für wenige Tage im Jahr das Stromnetz massiv auszubauen und diese Kosten auf alle umzulegen. Und den Bewohnerinnen und Bewohnern spart es bares Geld für Heizenergie. Ein Passivhaus können Sie sogar mit einem einzelnen sogenannten Klima-Split-Gerät heizen. Das gibt es fix und fertig eingebaut für deutlich weniger als 3000 Euro.
Wie sollen Sanierungen am besten umgesetzt werden, damit diese Aufgabe auch ökonomisch machbar ist?
Sanierungen rechnen sich sehr wohl wirtschaftlich, wenn es richtig gemacht wird. Sinnvoll ist das Prinzip „Wenn schon, denn schon!“. Immer dann, wenn ein Bauteil des Hauses sowieso saniert werden muss, dann sollte eine Wärmeschutzqualität auf Passivhaus-Niveau gewählt werden; für Einfamilien- und Reihenhäuser entspricht das in etwa dem Effizienzhaus 40 der KfW.
Guter Wärmeschutz
Bei Außenwänden empfehlen wir mit Blick auf bauphysikalische Grundlagen im Neubau einen Wärmeschutz von 30 Zentimetern. Da, wo es bei einer Sanierung möglich ist ebenfalls, mindestens jedoch 20 Zentimeter. Leider gibt es immer wieder Fälle, bei denen Sanierungsinteressierten ein ungenügender Wärmeschutz empfohlen wird. Die festen Kosten für Gerüst und Handwerker fallen ohnehin an. Die spätere Energieeinsparung ist dann jedoch bei weitem nicht so hoch, wie sie mit einer besseren Dämmstärke sein könnte. Dasselbe gilt für eine bessere Qualität von Komponenten wie zum Beispiel Fenstern. Auf Jahrzehnte hinaus wird so die Chance vertan, den Energiebedarf des Gebäudes deutlich zu senken, denn aus ökonomischen Gründen wird dieses Bauteil zeitnah nicht noch mal erneuert. Dieser Lock-in-Effekt muss unbedingt vermieden werden.
Bessere Gebäudehülle
Der Löwenanteil der Sanierungskosten fällt dafür an, überhaupt etwas zu erneuern. Die Mehrkosten für eine bessere Dämmung oder effizientere Fenster sind dann vergleichsweise gering. Rechnet man die Einsparung an Heizenergie dagegen, dann wird sofort klar, dass sich Investitionen in eine bessere Gebäudehülle zusätzlich zum spürbar besseren Wohnkomfort auch finanziell lohnen.
Energetisch zu sanieren ist also wirtschaftlich sinnvoll, gerade mit Blick auf Förderungen?
Langfristig gesehen ist das richtig, ja! Wie gesagt, vor allem wenn man das oben beschriebene Kopplungsprinzip beachtet: Dann, wenn die Erneuerung eines Bauteils sowieso ansteht, sollte eine hohe energetische Qualität realisiert werden. Die deutliche Energieeinsparung nach der energetischen Sanierung refinanziert die zusätzlichen Kosten für höherwertige Komponenten. Durch staatliche Förderung können Lösungen wirtschaftlich noch attraktiver werden. Sie sorgt zudem für Unterstützung, um solche Investitionen stemmen zu können und sie kann zusätzliche Anreize schaffen, effizientere Lösungen umzusetzen.
Turnusmäßige Kosten
Allerdings darf niemand erwarten, dass Förderung und Energieeinsparung auch die grundsätzlichen Kosten für die Erneuerung des veralteten Bauteils abdecken. Jeder Immobilienexperte weiß, dass diese turnusmäßig anfallenden Kosten anders finanziert werden müssen. Leider wird das oft durcheinander geworfen. Die Leute erschrecken dann, wenn bei einer Sanierung einer Wohneinheit von 100.000 Euro die Rede ist. Ein Großteil dieser Kosten würde ohnehin anfallen, da Bauteile nach einer gewissen Lebensdauer ausgetauscht werden müssen. Diese Kosten müssen daher beim Kauf bzw. Verkauf einer Immobilie berücksichtigt werden.
Verkaufspreise werden hinterfragt
In dieser Hinsicht werden die Verkaufspreise von energetisch schlecht oder gar nicht sanierten Immobilien in letzter Zeit tatsächlich hinterfragt. Unbestritten ist, dass viele Sanierungen mit einem Bankkredit teilweise finanziert werden müssen, ebenso wie Neubauten. Die dafür gewährten staatlichen Zuschüsse sind sinnvoll und helfen zusätzlich.
Können wir die Energiewende auch schaffen, wenn wir lediglich die wenig ambitionierten Anforderungen des GEG an die Gebäudehülle erfüllen?
Ganz klar nein! Das GEG verlangt auch nach der aktuellen Überarbeitung einen zu schlechten Wärmeschutz, für Neubauten wie für Sanierungen. Höhere Anforderungen sind wirtschaftlich und für den Klimaschutz sehr wichtig. Wir hoffen sehr, dass dies in einer baldigen, erneuten Novellierung des GEG dann angemessen berücksichtigt wird. Die Expertinnen und Experten für Energieeffizienz mahnen dies seit langem an.
Die Bundesbauministerin und andere argumentieren, dass höhere Anforderungen an die Gebäudehülle, z.B. eine bessere Dämmung, die ohnehin hohen Baukosten weiter in die Höhe treiben.
Diese Sichtweise ist ziemlich kurzsichtig. Die Mehrkosten für hoch effiziente Bauteile in Passivhaus-Qualität, für Sanierung und Neubau, liegen im Vergleich zu einer Standard-GEG-Lösung bei rund 5 Prozent, also je nach Gebäude bei etwa 100 bis 200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Diese Investition ist sinnvoll und spart letztlich sogar Geld, wenn die Einsparungen gegengerechnet werden.
Über 50 Jahre anschauen
Wir dürfen nicht nur die Bau- bzw. Investitionskosten sehen, sondern müssen die „vollständigen Lebenszykluskosten“ im Blick haben. Kurz gesagt: Ich investiere heute überschaubar mehr, habe dann aber aufgrund der beträchtlichen Energieeinsparung über die nächsten 30, 40 oder auch 50 Jahre deutlich geringere Energiekosten. Das lohnt sich mit Blick auf die Energiepreise, die prognostiziert auf einem hohen Niveau bleiben werden, heute mehr denn je.
Macht es Sinn, die derzeitigen Sanierungsraten stark zu erhöhen?
Theoretisch wäre das natürlich schön, aber wirtschaftlich wäre es ein gewaltiger Kraftakt. Dafür müssten dann auch Bauteile erneuert werden, die noch gut funktionieren. Hier fallen uns einfach die verpassten Gelegenheiten der letzten Jahrzehnte auf die Füße. Da wurde bei Sanierungen leider ein wenig effizienter Standard realisiert, der häufig schon jetzt wieder überholungsbedürftig wäre.
Zeitverschwendung
Wie oben beschrieben: Wichtig ist, wenn saniert wird, dann mit der besten verfügbaren Effizienz der Komponenten. Wir haben nicht die Kapazitäten für halbherzige Sanierungen: Das ist wirklich Zeitverschwendung – und am Ende auch nicht günstiger.
In den Debatten geht es auch um wertvolle Rohstoffe und um den Energieeinsatz für die Produktion der Dämmstoffe. Wie können wir die CO2-Emissionen der Gebäude am besten reduzieren?
Nutzungsphase entscheidet
Die Wahl der Baumaterialien hat natürlich einen Einfluss, das ist richtig. Entscheidend für den Energiebedarf ist aber weit mehr die jahrzehntelange Nutzung des Gebäudes. Daher macht es auch wenig Sinn, die Wärmedämmung zu diskreditieren. Die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung von Dämmstoffen entstehen, machen z.B. bei einem Wärmeschutz der Außenwände in Passivhaus-Qualität im Höchstfall 10 bis 20 % der Gesamtemissionen über die Lebensdauer des Gebäudes aus. Selbstverständlich sollte auch für hoch energieeffiziente Komponenten möglichst wenig Rohstoffmasse genutzt werden. Das gilt übrigens für alle Rohstoffe, auch für die nachwachsenden: Auch Holz werden wir in Zukunft nicht im Überfluss zur Verfügung haben.
Nicht wenige planen, jetzt noch schnell die fossile Heizung gegen ein neueres, wiederum fossiles Modell auszutauschen. Ist das eine gute Idee?
Davon kann man nur abraten. Der neue Gas- oder auch Ölkessel wird auf die Dauer sehr teuer, wenn nämlich die CO2-Preise steigen und, bei einer Gasversorgung, immer weniger Verbraucher die Infrastruktur werden finanzieren müssen. Besser ist es, in Ruhe nachzudenken, noch bevor der Kessel ausfällt, und dann bei Bedarf nach einem zukunftsfähigen Konzept zu handeln. Beratung gibt es von Architekt*innen und Energieberater*innen. Der wichtigste Rat: Die Gebäudehülle bei passender Gelegenheit zukunftsfähig machen.
Welche Heiztechnologien sind zukunftsträchtig?
Als Forschungsinstitut zum hoch energieeffizienten Bauen und Sanieren bevorzugen wir die elektrische Wärmepumpe. Sie geht am effizientesten mit den erneuerbaren Energien um, die gerade im Winter immer knapp sein werden. In Kombination mit einem besseren Wärmeschutz ist sie sogar auf den gesamten Gebäudebestand anwendbar, auch ohne extreme Kosten im Netz oder extremem Flächenbedarf für die erneuerbare Erzeugung. Und die Gefahr, dass sie am Ende doch fossil betrieben wird, ist geringer.
Erneuerbare Fernwärme begrenzt
Bei dichter Bebauung im innerstädtischen Bereich kann auch ein Wärmenetz mit kurzen Anschlussleitungen sinnvoll sein. Wichtig ist jedoch zu bemerken, dass auch in Zukunft Fernwärme aus erneuerbarer Energie nur begrenzt zur Verfügung stehen wird. Sie wird nicht ausreichen, um alle Gebäude im heutigen, überwiegend unsanierten Zustand klimaneutral mit Wärme zu versorgen.
Zusammengefasst: Was ist und bleibt das A & O für Neubau und Sanierung?
Bauen war und ist aufwendig, vor allem ist es material- und arbeitsintensiv. Wichtig ist, dass wir den Aufwand zur Sanierung unserer Gebäude sinnvoll planen und nur das jeweils Notwendige umsetzen, das dann aber immer mit einer sehr guten Energieeffizienz. Die dementsprechende Sanierung des Gebäudebestands hat somit Priorität gegenüber Neubauten.
Nicht an falscher Stelle sparen
Der Aufwand für den Wärmeschutz von Gebäuden ist nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes in absehbarer Zeit immer gut begründet. An dieser Stelle zu sparen würde viele Menschen teuer zu stehen kommen. In diesem Sinne das Für und Wider unseres Tuns sorgsam auszuloten wird sowohl politisch wie wirtschaftlich die größte Herausforderung der nächsten Jahre bleiben.
Das von Prof. Dr. Wolfgang Feist 1996 gegründete Passivhaus Institut ist unabhängig und belegt eine internationale Spitzenposition bei der Forschung und Entwicklung zum hoch energieeffizienten Bauen und Sanieren.
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