Der vielleicht wichtigste Teil des Literaturbetriebs findet nicht in Berlin statt, auch nicht in Frankfurt am Main, Hamburg oder München, sondern in kleineren Städten, besonders in jenen mit bedeutenden Universitäten und großartigen Buchhandlungen. Ein Musterbeispiel hierfür war die ›Atlantis‹-Buchhandlung in der Wahlenstraße in Regensburg, die von Fred Strohmaier (1930–2020) fast 55 Jahre lang geführt wurde, bevor sie 2016 schließen musste. ›Atlantis‹ galt als private Schule des Lesens, und Strohmaier wurde schon in den sechziger Jahren weit über Bayern hinaus bekannt. Dies lag vor allem an seinem Lesungsprogramm, das er in einer Zeit etablierte, als es in der Bundesrepublik noch kein einziges Literaturhaus gab.

Jüngst hat Strohmaiers Familie dem Deutschen Literaturarchiv Marbach die gesammelten Korrespondenzen mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus sechs Jahrzehnten übergeben. Hinzu kommen Gästebücher und handschriftliche Grüße zu Geburtstagen und Jubiläen. In der Fülle dieser Dokumente spiegelt sich die Literaturgeschichte der Nachkriegszeit auf eindrückliche Weise wider.

Über die Jahre traten bei Strohmaier fast alle namhaften Autorinnen und Autoren auf, von Uwe Johnson, der bereits 1961 zum ersten Mal in Regensburg las, über Martin Walser, Hermann Lenz, Wolfgang Hildesheimer, Hubert Fichte, Günter Eich, Ilse Aichinger, Peter Handke, Thomas Bernhard, Siegfried Lenz, Zbigniew Herbert, Elias Canetti, Gabriele Wohmann, Walter Kempowski, Ernst Jandl, Tadeusz Różewicz, Günter Grass, Thomas Brasch, Eva Demski, Peter Rühmkorf, Stephan Hermlin, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch bis hin zu Cees Nooteboom, Ralf Rothmann, Ulla Berkéwicz, Brigitte Kronauer, Nora Bossong und Daniel Kehlmann. Mit den meisten von ihnen führte Strohmaier Briefwechsel, die zukünftig dazu beitragen können, den bundesrepublikanischen Literaturbetrieb in all seiner Vielfalt darzustellen. Schließlich konstatierte der legendäre Erzähler Jurek Becker, von dem auch das Drehbuch für die TV-Serie Liebling Kreuzberg stammt, bereits 1986 bei Strohmaier ganz berlinerisch: »Ich bin ein Regensburger.«

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