Für gut 9,2 Millionen Beschäftigte werden im Laufe des Jahres 2023 Tariferhöhungen wirksam, die bereits 2022 oder früher in Tarifverträgen mit mehrjähriger Laufzeit festgelegt wurden. Hierzu gehören auch große Tarifbranchen wie z. B. die Metall- und Elektroindustrie oder die Chemische Industrie, deren in diesem Jahr wirksame Tariferhöhungen bereits im Herbst 2022 vereinbart wurden. Hinzu kommen im 1. Halbjahr 2023 neue Tarifvereinbarungen für weitere 4,4 Millionen Beschäftigte, darunter die Deutsche Post AG und der Öffentliche Dienst (Bund und Gemeinden). Werden lediglich die Tarifabschlüsse aus den Jahren 2022 und früher berücksichtigt, so ergibt sich ein durchschnittlicher Zuwachs von 5,1 Prozent. Die Neuabschlüsse aus dem 1. Halbjahr 2023 liegen hingegen bei einer durchschnittlichen Tariferhöhung von 6,6 Prozent (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Insgesamt gilt für etwa die Hälfte der rund 34 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland ein Tarifvertrag.
Gegenüber der durchschnittlichen Tariferhöhung von 2022 hat sich der nominale Zuwachs der Tariflöhne 2023 von 2,7 Prozent auf 5,6 Prozent mehr als verdoppelt (siehe auch Abbildung 2 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). "Die aktuellen Tarifabschlüsse, die oft erst nach umfangreichen Warnstreiks erzielt werden konnten, zeigen einen deutlichen Trend hin zu höheren Tariflohnzuwächsen", sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. "Angesichts einer nach wie vor sehr hohen Inflationsrate von 7,4 Prozent im 1. Halbjahr 2023 konnten die Tariflohnzuwächse bislang trotzdem im Durchschnitt die Preissteigerungen nicht ausgleichen. Allerdings kann im 2. Halbjahr 2023 mit einem starken Rückgang der Inflation gerechnet werden, so dass am Jahresende eine deutlich positivere Tarifbilanz absehbar ist, bei der die Reallohnverluste stärker begrenzt werden."
-Wirkung von steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien-
In den meisten Tarifabschlüssen des Jahres wurden zudem sogenannte Inflationsausgleichsprämien vereinbart (siehe auch Tabelle 1). Hierbei handelt es sich um steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen, die den Beschäftigten, im Vergleich zu einer regulären Tariferhöhung, einen höheren Nettolohn und den Arbeitgebern niedrigere Arbeitskosten ermöglichen. Je nach Tarifbereich variieren die Inflationsausgleichsprämien zwischen 1.000 und 3.000 Euro und werden über einen Zeitraum von zwei Jahren in mehreren Tranchen oder auch als monatliche Zusatzzahlungen ausgezahlt.
Da die Steuer- und Abgabenersparnisse bei den Inflationsausgleichsprämien, je nach Steuerklasse und Haushaltskontext, sehr unterschiedlich ausfallen, sind sie in den Berechnungen zur durchschnittlichen Tariflohnentwicklung lediglich als Bruttoeinmalzahlungen berücksichtigt. Um die darüber hinaus gehenden Steuer- und Abgabenersparnisse der Inflationsprämie zu bewerten, hat das WSI-Tarifarchiv zusätzlich auf der Grundlage der durchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote für einzelne Tarifbranchen Modellrechnungen durchgeführt. Wenn der "Brutto-für-netto"-Effekt der Inflationsausgleichsprämien berücksichtigt wird, fallen die Tariflohnerhöhungen 2023 in einigen Branchen deutlich höher aus. Beispielsweise steigen die Tariflöhne im Öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) unter Berücksichtigung der Steuer- und Abgabenersparnisse um 9,8 Prozent, ohne diesen Effekt sind es lediglich 6,8 Prozent.
"Die steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien tragen 2023 in vielen Tarifbranchen dazu bei, die Reallöhne zu sichern", sagt Schulten. "Da es sich hierbei um Einmalzahlungen handelt, wirken sie sich mit ihrem Auslaufen in den Folgejahren jedoch stark dämpfend auf die Lohnentwicklung aus."
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