Wie steht es um das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien in Ost- und Westdeutschland? Was führt bei einer nicht geringen Zahl von Menschen zu Kritik und Ablehnung journalistischer Arbeit? Wie ließe sich das Abdriften in eine Gegen-Nachrichtenwelt aus „Fake-News“, Lügen, Propaganda überhaupt verhindern? Diesen Fragen geht die Studie „Medien zwischen Achtung & Ächtung – Eine Untersuchung zur Kluft zwischen Medienakzeptanz und Medienaversion in Ost- und Westdeutschland“ nach, die die Kölner Marktforschungsagentur rheingold salon im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse mit Unterstützung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) durchgeführt hat. Erstmals präsentiert wurden die Ergebnisse heute anlässlich der Konferenz Chefredaktionen des BDZV in Berlin.

Die Einstellungen gegenüber Medien spiegeln danach eine gesellschaftliche Spaltung wider: Während das eine Lager – zu dem die große Mehrheit von 75 Prozent der Deutschen zählt – grundsätzlich Vertrauen in die Medien und ihre Arbeit hat, begegnet ihnen ein Viertel der Deutschen ausgesprochen kritisch. Von diesen Medienkritikern nehmen nur neun Prozent Medien als vertrauensvolle Instanz wahr und ebenso wenige finden, dass Medien eine sehr gute Arbeit leisten. Zugleich ist immerhin ein Drittel dieser Medienkritiker dennoch froh, dass es Zeitungen und Nachrichten gibt; bei den Medienakzeptierenden liegt die Zustimmung zu dieser Aussage jedoch fast doppelt so hoch (64 Prozent).

Dabei ist der Blick auf die Medien in Ostdeutschland durchweg kritischer als im Westen: Vertrauen haben in Westdeutschland 77 und in Ostdeutschland 69 Prozent, misstrauisch sind 23 Prozent im Westen und 31 Prozent im Osten.

Medienkritik als Ausdruck von Systemkritik

Die Studie legt nahe, dass Misstrauen und Ablehnung gegenüber Medien meist kein isoliertes Phänomen sind, sondern einhergehen mit einer allgemeinen Systemkritik. So fühlen sich 68 Prozent der Medienkritikerinnen und -kritiker von der Politik vernachlässigt. Ihre skeptische Haltung wird flankiert von großen persönlichen Enttäuschungen, Zukunftssorgen oder dem Drang, gegen die bestehenden Verhältnisse aufzubegehren. Mit ihren Anliegen fühlen sich die Kritiker in den vorhandenen Medienangeboten nicht mehr „zuhause“ und werden von ihnen auch kaum mehr erreicht. Ein weiteres Ergebnis: Menschen mit sehr kritischer Haltung gegenüber den Medien versuchen, diese immer wieder zu bestätigen.

Dabei basiert in Ostdeutschland die größere Vorsicht beim Vertrauen in System und Medien für die Älteren auf einer anderen, nicht-demokratischen Medienhistorie und vielen problematischen Wende- und Nachwende-Erfahrungen. In Westdeutschland deuten die Studienergebnisse Zukunftsängste und gesellschaftliche Polarisierungen als vertrauensmindernde Komplexe.

Signifikant ist die Parteipräferenz der Medienkritikerinnen und -kritiker für die AFD: Während ein knappes Drittel der Medienkritiker (32 Prozent) bekennende AFD-Wählerinnen und -Wähler sind, sind es unter den Medienakzeptierenden nur neun Prozent. Zu den typischen Narrativen der Kritiker zählen die Themen: „Corona“, „Klima“, „Einwanderung & Geflüchtete“, „Ukraine & Russland“, aber auch „Inflation“, „Bildung“ und die „EU“.

Emotionale Faktoren

Mithilfe tiefenpsychologischer Interviews wurden im Rahmen der Studie Gründe für die medienkritische Haltung ausgemacht: So fühlen sich manche Menschen von der steigenden Komplexität und Angebotsflut der Medien überfordert. Der fortwährende Medienkonsum versetzt sie – auch durch die mediale Dramatisierung im Kampf um Aufmerksamkeit – in einen Zustand der Hypersensibilität und Dauererregung. Auf diese Überdosis reagieren sie mit dem Rückzug von etablierten Nachrichtenangeboten.

Neben Rückzug und Vermeidung kommt es aber auch zur „Medien-Aggression“ und „Medien-Bashing“. Gründe sind hier beispielsweise persönliche Enttäuschungen und Verlustangst. Viele Medienkritiker empfinden Verbitterung aufgrund unerfüllter Lebensträume und sehen die Medien als Unterstützer eines gesellschaftlichen Kurses, der „das Land vor die Wand fährt“ (Zustimmung Medienkritiker: 78 Prozent) und der ihre Anstrengungen behindert. Gesucht werden Führung und Medien, „die sagen, wo es lang geht“. Zugleich wird von den Kritikern Unlust geäußert, nur „eine Meinung“ in den Medien zu hören.

Zuhören und Zuwendung

Um die Medienakzeptanz zu erhöhen, sollten die etablierten Medien den Enttäuschungen und Anliegen von Kritikern mehr Beachtung schenken, raten die Verfasser der Studie. Ein großer Teil der Medienkritikerinnen und -kritiker habe schlichtweg das Gefühl, kein Gehör mehr zu finden in einer Medienwelt, in der fast jeder „sendet“ und um Aufmerksamkeit buhlt, aber kaum einer mehr zuhört.

Zudem könnten durch konstruktiven Journalismus persönliche Zukunftsperspektiven aufgezeigt und positive Impulse gesetzt werden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei regionale Medien: Sie werden von Medienkritikerinnen und -kritikern insgesamt positiver bewertet als nationale Medien. Durch die Nähe und Berichterstattung zur unmittelbaren Lebenswelt der Menschen können sie ein wichtiger Faktor sein, um die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.

Zur Methodik:

Die Studie wurde im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse mit Unterstützung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) von der Kölner Marktforschungsagentur rheingold salon durchgeführt.  Das Studiendesign kombiniert eine repräsentative Untersuchung mit 2.000 Befragten (davon 1.000 in Ost- und 1.000 in Westdeutschland) mit tiefenpsychologischen Interviews. Ziel ist die Exploration von Medienkritik und Medienakzeptanz in West- und Ostdeutschland sowie möglicher Lösungsansätze für den Umgang mit Medienkritik. Um möglichst viele Perspektiven zu integrieren, erfolgte die Studiendurchführung mit einem Team aus Forschenden aus Ost- und Westdeutschland und unterschiedlichen Altersgruppen.

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