• Germanwatch fordert vor dem am Sonntag beginnenden Welt-Gesundheitsgipfel: Verringerter Einsatz von Antibiotika in Ställen gehört auf die Agenda der internationalen Politik
  • Neuer Bericht zeigt: Antibiotikaresistenzen müssen mit zusätzlichen Maßnahmen eingedämmt und die Wirksamkeit von Reserveantibiotika besser geschützt werden

Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch hat heute  einen Bericht zum Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland und Europa vorgestellt. Er zeigt im Vorfeld des World Health Summit auf, wie groß das Problem des übermäßigen Antibiotikaverbrauchs in der industriellen Tierhaltung noch immer ist und welche massiven Gefahren für Menschen von Antibiotikaresistenzen aus der Tierhaltung ausgehen. Der Bericht erläutert zudem konkret, wie der Einsatz von Antibiotika wirksam reduziert werden kann.

„Die Reduktion des Einsatzes von Antibiotika muss vor allem in der deutschen und europäischen Landwirtschaft mit weiteren Maßnahmen beschleunigt werden. Dieses wichtige Thema gehört bei Konferenzen wie dem World Health Summit auf die Agenda. Die Bundesregierung sollte das vorantreiben“, fordert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Einen viel zu hohen Anteil am Verbrauch haben immer noch die für Menschen besonders wichtigen Reserveantibiotika, die dann eingesetzt werden, wenn andere Antibiotika bereits nicht mehr wirken. Unser Bericht zeigt, dass nur der systematische Umbau der industriellen Tierhaltung den Antibiotikaeinsatz signifikant reduzieren kann. Wir brauchen Konzepte, um gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten Lösungen zu entwickeln und sie bei der Umsetzung zu unterstützen“, ergänzt Bals.

Jedes zweite Hähnchen enthält Resistenzen gegen Reserveantibiotika

Reinhild Benning, Teamleiterin Landwirtschaft und Ernährung bei der Deutschen Umwelthilfe, die bei der Erstellung des Reports unterstützt hat: „Mit 73,2 Milligramm Antibiotika pro Kilogramm Fleisch setzen Tierärzte in Deutschland noch immer zu viele Antibiotika ein, nämlich zweieinhalbmal so viel wie in Großbritannien und mehr als sechsmal so viel wie in Schweden. Die bisherigen Maßnahmen haben lediglich die Spitze des Antibiotikamissbrauchs in Deutschland abgeflacht. Jetzt steuern wir auf eine Stagnation auf einem viel zu hohen Verbrauchslevel zu, weil es im Stall noch immer keine ausreichenden Verbesserungen für die Tiergesundheit gibt.“

Eine aktuelle Zusammenfassung von Antibiotikaresistenz-Daten aus den Jahren 2012 bis 2021 im Bundesgesundheitsblatt (6/2023) zeigt: Praktisch jedes zweite Hähnchen ist mit Resistenzen gegen Reserveantibiotika kontaminiert. Allein im Jahr 2019 standen 1,3 Millionen Todesfälle weltweit, auch in Europa, in einem direkten Zusammenhang mit antimikrobiellen Resistenzen, dabei vor allem Resistenzen gegen Antibiotika. „Der Schutz vor weiterer Resistenzentwicklung, dieser stillen Pandemie, muss als gemeinschaftliches Projekt angegangen werden, basierend auf dem Verständnis, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander zusammenhängt“, erläutert Dr. Jana Schroeder, Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital, Infektiologin und Antibiotic Stewardship Expertin. „Ohne eine wirksame Infektionstherapie durch Antibiotika kann die Medizin nicht weiter auf dem heutigen Niveau stattfinden.“

Antibiotika zügig reduzieren: Von Zuchtzielen bis Auslaufmöglichkeiten

Konkrete Maßnahmen präsentiert der Report anhand von Eckpunkten und einer daran gekoppelten Befragung, die von Germanwatch zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe zu Beginn des Jahres mit Unterstützung von 21 Verbänden aus Human- und Veterinärmedizin sowie Umwelt- und Tierschutz an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sowie weitere zentrale Akteure aus Politik, Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Veterinärmedizin versendet wurde. Die Bundesregierung sollte die Forderungen mit der höchsten Zustimmung berücksichtigen und

  •  … für den Einsatz aller Reserveantibiotika eine grundsätzliche Labortest-Pflicht zur Ermittlung der Empfindlichkeit von Krankheitserregern gegen verschiedene Antibiotika einführen. Sie sollte den Einsatz von Reserveantibiotika in ganzen Tiergruppen über das Trinkwasser oder Futter schrittweise auf 0 reduzieren  
  •  … neue Zuchtziele für landwirtschaftlich genutzte Tiere gesetzlich verankern und fördern, um eine stabile Immunabwehr und Anpassungsfähigkeit auch gegenüber Futterveränderungen und extremen Umweltschwankungen im Zuge der Klimakrise zu gewährleisten  
  •  … im Rahmen der kommenden Tiergesundheitsstrategie eine Datenbank etablieren, die die gesamte Erzeugungskette berücksichtigt  
  • … Außenkontakt und Tageslicht sowie abgegrenzte Funktionsbereiche und strukturierte Auslaufmöglichkeiten für die Tierhaltung als Regel anstreben  
  • … die Sachkunde und Ausbildung der Tierhalter:innen auf eine „tiergerechte“ Haltung, Zucht und Fütterung ausweiten  
  • … in der neuen Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie „DART 2030“ und im dazugehörigen Aktionsprogramm der Bundesregierung die Ziele zur Antibiotikaresistenz-Reduktion und Maßnahmen für deren Erreichung vom Zuchtbetrieb über den Stall bis zum Fleischverkauf definieren

Dazu Konstantinos Tsilimekis, Leiter des Bereichs Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch und Autor des Reports: „Mit einigen dieser Maßnahmen wird nur die Umsetzung dessen eingefordert, was die Bundesregierung explizit in ihrem Koalitionsvertrag verankert hat. Dazu gehört die Etablierung einer umfassenden Datenbank im Rahmen der Tiergesundheitsstrategie. Das Versprechen der Regierung, die seit Jahren kritisierte Qualzucht rechtlich verbindlich zu konkretisieren, muss in die Verankerung neuer Zuchtziele münden. Diese und weitere Maßnahmen aus unserem Bericht zeigen darüber hinaus zentrale Stellschrauben für den Tierschutz und den Umbau der Tierhaltung auf. Dort schlummern ganz erhebliche Potenziale für die weitere Reduktion von Antibiotika in den Ställen.“

Report: Antibiotika schützen – Resistenzen bekämpfen: https://www.germanwatch.org/de/89451

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