„Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass US-Medienschaffende in Russland unter fadenscheinigen Anschuldigungen festgehalten werden, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Wir befürchten, dass Moskau festgenommene Journalistinnen und Journalisten wie Alsu Kurmaschewa und Evan Gershkovich künftig als Druckmittel einsetzen könnte. Wir fordern ihre umgehende Freilassung!“
Alsu Kurmaschewa lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Tschechiens Hauptstadt Prag und ist für den tatarisch-baschkirischen Dienst von RFE/RL tätig. Sie befasst sich seit vielen Jahren mit den Problemen nationaler Minderheiten in Tatarstan und der russischen Republik Baschkortostan. Sie berichtete insbesondere über Bürgerinitiativen, die für das Überleben der tatarischen Kultur und Sprache kämpfen. Die Bevölkerungsgruppe aus der Wolgaregion steht seit mehreren Jahren unter zunehmendem Druck der russischen Behörden.
Ohne Pässe in Russland gestrandet
Nach Angaben ihres Senders reiste Alsu Kurmaschewa im Mai wegen eines „familiären Notfalls“ nach Russland. Als die Journalistin das Land Anfang Juni wieder verlassen wollte, wurde sie beim Warten auf ihren Rückflug nach Tschechien vorrübergehend festgenommen. Ihr russischer und ihr amerikanischer Pass wurden beschlagnahmt. Die Medienschaffende wurde mit einer Geldstrafe belegt, weil sie den Behörden nicht ihre US-Staatsangehörigkeit angezeigt haben soll. Ohne ihre Pässe konnte sie Russland nicht mehr verlassen.
Am 18. Oktober wurde die Journalistin erneut festgenommen. Der Vorwurf diesmal: Sie habe Informationen über russische Militäraktivitäten zur „Weitergabe an ausländische Quellen“ gesammelt und es versäumt, sich als „ausländische Agentin“ registrieren zu lassen. Russischen Angaben zufolge ging es um die Mobilisierung von Lehrkräften einer tatarischen Hochschule. Nach Informationen der amtlichen Nachrichtenagentur Tatar-Inform könnte Kurmaschewa zudem ein weiteres Strafverfahren drohen: Die Medienschaffende ist Herausgeberin eines Buches, das den russischen Krieg gegen die Ukraine „in einem schlechten Licht“ erscheinen lasse.
Als Agentin abgestempelt
Radio Free Europe / Radio Liberty wurde 2017 als eines der ersten Medien in Russland als „ausländischer Agent“ eingestuft. Der russische Staat stigmatisiert mit dieser Kennzeichnung unabhängige Redaktionen und Medienschaffende. Entsprechend Eingestufte sind verpflichtet, regelmäßig ihre Finanzquellen und Ausgaben offenzulegen. Außerdem müssen sie im Internet und über sämtlichen Veröffentlichungen in Großbuchstaben auf ihren Status hinweisen. Gegenwärtig sind insgesamt 244 Medienschaffende und Medien in Russland als „ausländische Agenten“ gelistet. Alsu Kurmaschewa befindet sich als Person bisher nicht auf dieser Liste.
Es ist nicht die erste Festnahme von US-Medienschaffenden in Russland in diesem Jahr: Bereits seit März sitzt der US-Reporter Evan Gershkovich im Moskauer Gefängnis Lefortowo in Untersuchungshaft. Der Journalist des Wall Street Journal war wegen Spionagevorwürfen festgenommen worden. Er ist der erste US-Medienschaffende seit dem Ende des Kalten Krieges, der in Russland verhaftet wurde.
In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit belegt Russland Platz 164 von 180 Staaten. Mehr zur Lage der Pressefreiheit in Russland unter https://www.reporter-ohne-grenzen.de/russland
Sie erhalten diese E-Mail, weil Sie sich für unseren Presseverteiler angemeldet haben. Um ausschließlich Pressemitteilungen zu ausgewählten Regionen und Themen zu erhalten, können Sie sich in unsere Regionalverteiler eintragen lassen. Bitte melden Sie sich dazu per E-Mail an presse@reporter-ohne-grenzen.de. Eine Übersicht der verfügbaren Regionen können Sie auf unserer Website einsehen.
Reporter ohne Grenzen e.V.
Postfach 304108
10756 Berlin
Telefon: +49 (30) 60989533-0
Telefax: +49 (30) 2021510-29
http://www.reporter-ohne-grenzen.de