Kein untertouriger Bass-Beat hätte die hiesige Electro-Punk-Szenerie je so erschüttern können wie der Post, den Torsun von Egotronic Anfang des Jahres absetzte und in dem er eine unheilbare Krebserkrankung offenlegte. Es sah finster aus, doch der letzte Chemo-Versuch schlug an und räumte ihm noch mal Zeit ein. Wie lange? Keine Ahnung, aber sicher ist, wir werden alle sterben, Bruder! Doch noch nicht heute.
Warum steht da oben eigentlich „Torsun von Egotronic“? Der geneigte Musikfan hat doch sicher mitbekommen, dass der rastlose Exil-Odenwälder Torsun sein sagenumwobenes Provo-Punk-Polit-Outfit Egotronic mit dem Ende von 2022 abgelegt hat. Die Zäsur schlechthin – aber vor allem auch eine Entscheidung für die Liebe zur Musik. Statt Dienstleister der eigenen GbR sein zu müssen, widmete sich Torsun einem brandneuen Lieblingsprojekt, das ohne Druck aber dafür mit Joker-Status ausgestattet ist: Torsun & The Stereotronics. Ein Trio mit Ex-Bandmate Christian und big Love Selina. Das Frühjahrs-Album „Songs To Discuss In Therapy“ wurde quasi als Bundle mit der Krebsdiagnose veröffentlicht. Das war zwar übertrieben mies vom Schicksal, aber immerhin bescherte die riesige Anteilnahme auch Torsuns Kunst eine große Beachtung. Zurecht, denn musikalisch wie aktivistisch – dieser Typ hat nicht nur ein paar Songs sondern vor allem Geschichte in der Alternativ-Kultur geschrieben. Und doch ist es ein großes Glück, das das wunderbare Album der Stereotronics nicht als Tombstone fungieren muss.
Denn Torsun nutzte viel mehr die jüngste Zeit, um eine ganz persönliche wie pointierte Egotronic-„Best Of“ zusammenzustellen. Das Wort „Best Of“ humpelt hier allerdings zum letzten Mal durchs Bild, denn es handelt sich doch eher um die ultimative Werkschau eines wandlungsintensiven Acts, der zur Jahrtausendwende damit begann, AJZ-Konzerte zu Raves umzugestalten. Paradigmenwechsel mit Ansage – und oft wie im Rausch.
Auf dieser Veröffentlichung nun werden nicht einfach die jeweiligen Singles ihrer Zeit zusammengetrommelt und sich an ein paar ergänzende Crowdpleaser erinnert, nein, die Platte besticht durch einen dezenten „Dogma“-Charme. Von (fast) jedem Album hat sich Torsun seine (meist) drei eigenen Favoriten gepickt. Das gibt der Zusammenstellung einen sehr kuratierten Touch – und lässt durch die musikalische Entwicklung der Band gleiten. Von Homestudio-Bleeps über Minimal-Electro zu Gitarren und zurück. Doch bei allen interessanten Facetten, die Torsuns eigener Blick liefert, fällt dir das Ergebnis natürlich nicht ohne die „großen“ Songs wie „Raven gegen Deutschland“, „Lustprinzip“, „Rannte der Sonne hinterher“ oder „Exportschlager Leitkultur“ in die Arme. Dazu gibt es noch für alle Nerds, Ultras, Komplettisten und ähnliche Egotronic-Mäuse mit „Gedanken“ einen bislang unveröffentlichten Track aus der absoluten Frühphase.
Das hier ist ein geführter Ausflug durch die Schaffenskraft des vermutlich wichtigsten und aufregendsten Electro-Punk-Acts überhaupt. Torsun nimmt hiermit noch mal unsere Hände, der Rest geht ganz von selbst.
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