Am 15. Dezember wurden mit den Sobek Forschungspreisen 2023 herausragende und richtungsweisende Leistungen von Wissenschaftlern im Bereich der Multiplen-Sklerose-Forschung und der dazugehörenden Grundlagenforschung in einem Festakt in der Stuttgarter Musikhochschule gewürdigt. Der mit 100.000 Euro europaweit höchstdotierte Preis in der MS-Forschung ging in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Prof. Dr. med. Martin Kerschensteiner, Leiter des Instituts für Klinische Neuroimmunologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), München und an Prof. Dr. med. Thomas Korn, stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) und Leiter des Instituts für Experimentelle Neuroimmunologie der TUM. Den mit 15.000 Euro dotierten Nachwuchspreis 2023 erhielt Dr. med. Dr. rer. biol. hum. Max Kaufmann, Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Wissenschaftler am Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose des UKE. Ein
Ehrenpreis für das Lebenswerk wurde Prof. em. Dr. med. Adriano Fontana aus Zürich verliehen. Die jährliche Preisverleihung findet in Zusammenarbeit mit AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V., und dem DMSG-Bundesverband sowie unter Schirmherrschaft des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg statt.

Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem, das eigentlich vor körperfremden und gefährlichen Eindringlingen schützen soll, sich gegen den eigenen Körper richtet und die Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark angreift. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei vor allem falsch programmierte T-Zellen. Beide Sobek Hauptpreisträger 2023 eint daher nicht nur, dass sie aus München kommen, sondern sich ebenfalls hauptsächlich der Erforschung der T-Zell-Regulation und der akuten wie chronischen Gewebeschädigung im Zusammenhang mit der MS verschrieben haben.

Die Preisträger
Professor Dr. med. Martin Kerschensteiner studierte Humanmedizin in Aachen und München, promovierte 1999 zum Thema „Protektive Mechanismen humaner T-Zellimmunität“ am Max-Planck-Institut, Martinsried. Nach mehrjähriger Forschungstätigkeit, u.a. an der Harvard Medical School in Boston, leitet er seit 2013 das Institut für Klinische Neuroimmunologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2001 erhielt er den ersten Sobek Nachwuchspreis. Prof. Kerschensteiner identifizierte unter anderem 18 Regulatoren für die MS, die bereits zu Beginn einer MS (mit-)verantwortlich für die Entstehung von Entzündungsherden sind. Außerdem gelang es dem 52-Jährigen, neuronale Bahnsysteme selektiv zu markieren und axonale Schädigungen erstmals durch in vivo Mikroskopie sichtbar zu machen. Von großer Bedeutung ist auch seine Entdeckung eines vorübergehenden, potenziell reversiblen Stadiums der entzündlichen Axonschädigung. Hier liegen wichtige Ansatzpunkte für zukünftige neuroprotektive und neuroregenerative Therapiestrategien.

Professor Dr. med. Thomas Korn studierte Medizin in Würzburg und London und durchlief die Weiterbildung zum Facharzt in Würzburg, gefolgt von vielen Jahren wissenschaftlicher Arbeit an der Harvard Medical School. Seit 2017 ist er stellvertretender Direktor der Neurologischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) und seit 2019 Leiter des Instituts für Experimentelle Neuroimmunologie der TUM. Der 51-jährige Wissenschaftler beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wo die auto-aggressiven T-Zellen überhaupt herkommen. So entscheide der Ort ihrer Aktivierung darüber, wo im zentralen Nervensystem sie sich ansiedeln und welche regulatorischen und schädigenden Wirkungen sie haben. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit sind die T-Helferzell- Regulation, die Determinanten bei der Entstehung von T-Helferzell- Antworten und die von Th17-Zellen gesteuerten Schädigungsmechanismen.

Seine Studienergebnisse haben eine hohe translationale Relevanz für die MS als Autoimmunerkrankung.

Für eine bessere Zukunft mit MS

Beide Preisträger publizieren ihre Forschungsergebnisse in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen und gehören zu den meistzitierten Wissenschaftlern ihrer Disziplin. Ministerialdirektor Dr. Hans J. Reiter, Amtschef des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden- Württemberg, bezeichnete die Forschungsleistung der beiden Preisträger in seiner Laudatio als zukunftsweisend. „Mit ihren bisherigen Forschungsarbeiten schaffen die beiden Forschungspreisträger die Basis für ein besseres Verständnis der Multiplen Sklerose und für die Entwicklung noch zielgerichteter Therapien gegen diese nach wie vor unheilbare Erkrankung. Damit schenken sie vielen MS-Erkrankten eine wertvolle Perspektive“, so der Ministerialdirektor. Die Verleihung des Sobek Forschungspreises unterstreiche die Bedeutung der herausragenden wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Dr. med. Martin Kerschensteiner und Prof. Dr. med. Thomas Korn. „Der Preis soll auch Ansporn sein für Ihre künftige wichtige Forschungsarbeit.“

Sobek Nachwuchspreis 2023 an Dr. Dr. Kaufmann Dr. med. Dr. rer. biol. hum. Max Kaufmann führte die Entwicklung und Anwendung innovativer bioinformatischer Analysestrategien im Hinblick auf die Pathogenese der MS durch und entschlüsselte frühe neurodegenerative Prozesse. Dies ist ein entscheidendes Verdienst, für das er den Sobek Nachwuchspreis 2023 erhielt. Sein Ansatz der Integration von Molekularbiologie und Data Science würden vielfältige Möglichkeiten eröffnen, um neue Therapiestrategien für die Behandlung insbesondere der progredienten Multiplen Sklerose identifizieren zu können, betonte Prof. Klaus V. Toyka, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Sobek Stiftung, in seiner Laudatio auf den medizinisch-experimentell tätigen Neuroimmunologen am Institut für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Sobek Ehrenpreis an Prof. em. Dr. med. Adriano Fontana

Erstmals in der Geschichte der Preisverleihung, die seit dem Jahr 2000 jährlich stattfindet, wurde die Lebensleistung eines Forschers für jahrzehntelanges Engagement in der Erforschung der MS honoriert. Den Sobek Ehrenpreis erhielt Prof. em. Dr. med. Adriano Fontana. Er war Klinikdirektor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich und Professor an der Medizinischen Fakultät und Mathematisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Seit 2011 ist er emeritiert, wohnt in Bad Ragaz, Schweiz. Professor Adriano Fontana gilt als einer der Pioniere der modernen Neuroimmunologie. „Seine Entdeckungen haben unser heutiges Verständnis der MS entscheidend geprägt, in konzeptioneller wie auch klinischer Hinsicht“, bekräftigte Laudator Prof. Dr. med. Hartmut Wekerle, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Sobek Stiftung und ebenfalls Koryphäe der MS-Immunologie. Einige der wirksamsten Therapien von entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) wie der MS würden auf den Forschungsergebnissen zu grundlegenden immunologischen Vorgängen im ZNS von Prof. Fontana basieren. Damit habe er wesentlich zur Krankheitsbewältigung und Lebensqualität von MS-Betroffenen beigetragen.

Mit den Preisen zeichnete die Roman, Marga und Mareille Sobek Stiftung erneut herausragende Wissenschaftler aus, die mit ihren Forschungsergebnissen neue Perspektiven für die Diagnose und Therapie der MS eröffnen.

Hintergrund-Informationen

Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste Erkrankung des Zentralnervensystems. Aus bislangnoch unbekannter Ursache werden die Schutzhüllen der Nervenbahnen an unterschiedlichenStellen angegriffen und zerstört, Nervensignale können in der Folge nur noch verzögert odergar nicht weitergeleitet werden. Die Symptome reichen von Taubheitsgefühlen über Seh-,Koordinations- und Konzentrationsstörungen bis hin zu Lähmungen. Die bislang unheilbare,aber mittlerweile behandelbare Krankheit bricht gehäuft zwischen dem 20. und 40. Lebensjahraus. In Deutschland leiden rund 240.000 Menschen an MS. Weltweit sind schätzungsweise2,5 Millionen Menschen an MS erkrankt.

Roman, Marga und Mareille Sobek-Stiftung

Mit dem Sobek-Forschungspreis der Stiftung aus Renningen, Baden-Württemberg, werdenrichtungsweisende Leistungen von Wissenschaftlern an Hochschulen und außeruniversitärenForschungseinrichtungen im Bereich der Multiplen Sklerose und der dazugehörendenGrundlagenforschung ausgezeichnet. Entscheidungskriterien sind allein Qualität undExzellenz der Forschungsleistung. Es kann sowohl eine außerordentliche wissenschaftlicheEinzel- als auch eine Gesamtleistung gewürdigt werden.Die Sobek-Stiftung verleiht ihren Forschungspreis auf Vorschlag eines wissenschaftlichenBeirates in Zusammenarbeit mit der AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter,Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V. und der Deutschen Multiple SkleroseGesellschaft, Bundesverband e.V. (DMSG). Die Schirmherrschaft für die Preisverleihung hatdas Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg.

AMSEL e.V.

Die AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V. ist Fachverband, Selbsthilfeorganisation und Interessenvertretung für MS-Kranke in Baden-Württemberg. Die Ziele der AMSEL: MS-Kranke informieren und ihreLebenssituation nachhaltig verbessern. Der AMSEL-Landesverband hat rund 7.200 Mitgliederund über 60 AMSEL-Gruppen in ganz Baden-Württemberg. Mehr unter www.amsel.de

DMSG, Bundesverband e.V.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die BelangeMultiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. DieDeutsche Multiple Sklerose Gesellschaft mit Bundesverband, 16 Landesverbänden undderzeit 852 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihrenAngehörigen, über 4.000 engagierten ehrenamtlichen Helfern und 292 hauptberuflichenMitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG rund 42.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichenDienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aberauch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D. Weitere Informationen unterwww.dmsg.de.

Bilder der Preisträger finden Sie am 15.12.2023 ab 17 Uhr auf www.amsel.de/presse > Pressemeldungen

Einen Bericht über die Preisverleihung finden Sie nächste Woche auch auf www.dmsg.de

 

Über den Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V.

Hintergrund:

Der DMSG-Bundesverband e.V., 1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge.

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und derzeit mehr als 750 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, 4.186 engagierten ehrenamtlichen Helfern und 251 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG rund 42.000 Mitglieder.

Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 240.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Deutschlandweit sind schätzungsweise 280.000 Menschen an Multipler Sklerose erkrankt, weltweit etwa 2,8 Mio. Menschen.

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