Trotz einer Reihe von Negativereignissen zeigten sich die Volkswirtschaften auf beiden Seiten des Atlantiks im Jahr 2023 relativ robust. Die erwartete tiefe Rezession blieb aus. Wie ist der Ausblick für das Jahr 2024? Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management, ist vorsichtig optimistisch gestimmt. 

„Die Rezessionsrisiken sind nach wie vor ausgeprägt“, sagt Sauer. Dies zeige sich unter anderem an den Einkaufsmanagerindizes, insbesondere denen des verarbeitenden Gewerbes. Sie würden auf eine starke Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit hindeuten. Auch die weiterhin inversen Zinsstrukturkurven unterstrichen das Risiko eines Einbruches. „Allerdings muss man anmerken, dass die Zinsstrukturkurven bereits seit einiger Zeit invers sind und ein drastischer Einbruch bislang nicht eingetreten ist“, ordnet die Expertin ein. Positiv sei auf der anderen Seite die Entwicklung am Arbeitsmarkt, das Lohnwachstum und rückgängige Inflationszahlen.

Nachlassende Inflation in Europa und den USA

„Insbesondere die Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung stimmen uns optimistisch“, sagt Sauer. „Wir gehen davon aus, dass sich sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation in den nächsten Monaten weiter abschwächen wird. Wobei sich nicht ausschließen lässt, dass es aufgrund von negativen Schocks ein paar Ausschläge nach oben geben könnte.“ Auslöser eines solchen Schocks könnten beispielsweise weitere Angriffe von Houthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer sein, die die globale Schifffahrt belasten könnten.

Angesichts der positiven Entwicklung der Inflationszahlen dürften nach Einschätzung Sauers sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-Notenbank Fed im Laufe des Jahres 2024 Zinssenkungen vornehmen. In diesem Punkt stimmen die Erwartungen von Sauer und der Märkte überein. „Während der Markt allerdings bereits erste Senkungen im ersten Quartal eingepreist hat, erwarten wir, dass angesichts der vielen Ungewissheiten sowohl die EZB als auch die Fed zunächst die wirtschaftliche Situation weiter bewerten und frühestens im Laufe des zweiten Quartals mit Zinssenkungen beginnen werden“, so Sauer.

Der Ausblick für das Vereinigte Königreich ist aus Sicht Sauers verhaltener: „Auch wenn die Inflation mittlerweile auf die straffe Geldpolitik der Bank of England reagiert, ist sie in Großbritannien noch immer hoch“, stellt Sauer fest. „Die britischen Zinssätze dürften deshalb noch länger auf ihrem derzeitigen Niveau verbleiben müssen, um die Inflation nachhaltig auf nahe zwei Prozent zu senken.“

Ausgewählte Chancen am Rentenmarkt

Trotz der vielen Ungewissheiten ist die Strategin recht optimistisch, was das Kapitalmarktumfeld 2024 anbetrifft. „Die guten Renditeniveaus machen Rentenanlagen insgesamt wieder attraktiv“, so Sauer. Allerdings sollten Anleger differenziert vorgehen. „Wir präferieren weiterhin Investment-Grade- gegenüber High-Yield-Anleihen.“ Das High-Yield-Segment wäre aus Sicht der Strategin besonders betroffen, sollte sich das schwierigere wirtschaftliche Umfeld negativ auf Unternehmensgewinne und Ausfallraten auswirken. „Aus unserer Sicht besteht das größte Risiko in einem größeren wirtschaftlichen Schock, der die Ausfallraten drastisch in die Höhe treibt“, betont Sauer. Allerdings liege dieses Szenario vorerst außerhalb der Konsenserwartungen. „Das Wirtschaftswachstum ist zwar in einigen Teilen Europas gering oder sogar leicht negativ, aber ein starker Abschwung ist nicht unser Basisszenario“, sagt die Expertin. „Dennoch glauben wir, dass die Ausfallraten steigen werden und dass die Wirtschaft weitere Risse bekommen könnte.“ 

Hinzu komme, dass sich die wesentlich straffere Geldpolitik durch ihre zeitverzögerte Wirkung noch nicht vollständig in den schwächeren Wirtschaftsdaten niederschlage. Auch dies könne sich negativ auf Unternehmen, insbesondere im High-Yield-Segment, auswirken. Bei Hochzinsanleihen sollten Anleger deshalb sehr selektiv vorgehen, wobei Sauer durchaus auch Chancen sieht: „Hochzinsanleihen aus dem höheren Qualitätsspektrum sowie nordische Hochzinsanleihen könnten nach vorne hin weiter Potenzial bieten.“

Aufschwung am Aktienmarkt, doch Risiken bleiben

Für den Aktienmarkt ist Sauer ebenfalls vorsichtig optimistisch gestimmt: „Die Zinswende im Jahr 2024 sollte dafür sorgen, dass der Appetit auf Aktien im Allgemeinen steigt. Davon könnten insbesondere jene Segmente profitieren, die in den letzten Jahren entweder abgestraft wurden, z. B. Small und Mid Caps, oder etwas weniger Berücksichtigung fanden, z. B. europäische Aktien.“ Zwar sei der Ausblick für die europäischen Volkswirtschaften problematisch, aber die niedrigen bzw. niedrigeren Bewertungsniveaus könnten attraktive Einstiegschancen bieten, insbesondere dann, wenn das Jahr 2024 überraschende, positive wirtschaftliche Impulse bereithalten sollte.

„Ganz allgemein gesprochen ist das Rückschlagspotenzial bei Aktien aber weiterhin ausgeprägt“, sagt Sauer. „Um sich ein wenig risikoärmer aufzustellen, erscheint uns ein Fokus auf Qualitätsaktien sinnvoll. Unternehmen mit einem stabilen Geschäftsmodell und einer hohen Prognostizierbarkeit der Erträge sollten das Abwärtsrisiko von Anlegern begrenzen können.“ Außerdem könnten Wandelanleihen einen guten Kompromiss darstellen, denn sie böten Anlegern die Sicherheit von Anleihen mit wieder attraktiveren Kupons und gleichzeitig Chancen, am Aktienmarkt zu partizipieren.

Fazit

Insgesamt erwarten Sauer und ihre Kollegen in den kommenden Monaten ein positives Kapitalmarktumfeld, das allerdings auch einige Herausforderungen bereithält. „Neben der wirtschaftlichen Situation gibt es für 2024 gleich mehrere Unsicherheitsfaktoren“, sagt Sauer. Da sei beispielsweise der Ausgang der Wahlen, insbesondere der Präsidentschaftswahl in den USA und der Landtagswahlen in Deutschland, und ein möglicherweise daraus resultierender Rechtsdruck. Aber auch eine mögliche Zuspitzung in Nahost sowie die fragile Lage am Immobilienmarkt könnten zu Turbulenzen an den Märkten führen. „Aktives Management könnte angesichts dieser Herausforderungen im Jahr 2024 der Schlüssel zum Erfolg sein“, resümiert Sauer.

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