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Sehr geehrte Damen und Herren,

vor etwas mehr als zwei Jahren hatte mich die damalige Vorstandsvorsitzende der thyssenkrupp AG, Frau Martina Merz, gebeten, dem Aufsichtsrat der thyssenkrupp Steel Europe AG als Vorsitzender beizutreten. Frau Merz wollte dem bis dahin vollständig aus leitenden Mitarbeitern der thyssenkrupp AG bestehenden Aufsichtsrat der thyssenkrupp Steel Europe AG eine stärkere Unabhängigkeit ermöglichen, um die Integrität des bereits damals geplanten Prozesses der Verselbständigung der thyssenkrupp Steel Europe AG zu erhöhen. Ein eigenverantwortlicher Aufsichtsrat der thyssenkrupp Steel Europe AG sollte sicherstellen, dass der geplante Prozess der Trennung der thyssenkrupp Steel Europe AG vom Mutterkonzern fair und nicht zu Lasten der thyssenkrupp Steel Europe AG verlaufen würde.

Nicht zuletzt aufgrund der guten Erfahrungen als Mitglied des Aufsichtsrates der Salzgitter AG, bei der Ende der 90er Jahre dort erfolgten Verselbständigung und Loslösung vom damaligen Eigentümer „Preussag“, fand ich die Strategie von Frau Martina Merz überzeugend und bat Frau Dr. Elke Eller aufgrund ihrer großen Erfahrung als Personalvorstand bei der Um- und Neustrukturierung der TUI sich ebenfalls in den Aufsichtsrat der thyssenkrupp Steel Europe AG berufen zu lassen.

Schon relativ bald nach unserer Berufung in den Aufsichtsrat der thyssenkrupp Steel Europe AG wurde uns klar, dass das Ziel einer Verselbständigung der thyssenkrupp Steel Europe AG nur erreichbar wäre, wenn vorher eine solide Grundlage für die weitere wirtschaftliche Zukunft der thyssenkrupp Steel Europe AG geschaffen würde. Aus unserer Sicht war es zwingend erforderlich, mit der längst überfälligen Restrukturierung des Unternehmens thyssenkrupp Steel Europe AG zu beginnen. Dazu gehörten einerseits die mit der Strategie 2030 bereits begonnene deutliche Erhöhung des Investitionsbudgets, um die nachholende Modernisierung des Unternehmens voranzutreiben und zudem Klarheit über den Einstieg in die Transformation in eine klimaneutrale Stahlerzeugung. Andererseits aber auch die Anpassung (Reduzierung) der Produktionskapazitäten an die neuen Realität des Stahlmarktes in Europa.

Wir waren der Überzeugung, mit den Restrukturierungsvorschlägen des Vorstands der thyssenkrupp Steel Europe AG, der Trennung von den Hüttenwerken Krupp Mannesmann und der damit verbundenen besseren Kapazitätsauslastung der Hütte im Duisburger Norden, dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und der Einigung zwischen thyssenkrupp Steel Europe AG und thyssenkrupp AG über die Beauftragung eines IDW S 6 Restrukturierungsgutachtens einen erfolgversprechenden Weg in die Neuaufstellung des Stahlunternehmens beschritten zu haben. Wir waren der Überzeugung, mit den erreichten Vereinbarungen aus der Aufsichtsratssitzung am 9. August 2024 eine gute Grundlage für unsere weitere Arbeit geschaffen zu haben.

Gut drei Wochen danach müssen wir mit großem Bedauern feststellen, dass es insbesondere mit dem Vorstandsvorsitzenden der thyssenkrupp AG mit großer Unterstüt-zung seines Aufsichtsrats Differenzen über diesen gemeinsamen Weg gibt. Die beispiellose Kampagne, die insbesondere der Vorstandsvorsitzende der thyssenkrupp AG in den letzten Wochen gegen den Vorstand der thyssenkrupp Steel Europe AG öffentlich in Gang gesetzt und betrieben hat, beschädigt nicht nur die Handlungsfähigkeit des Stahlvorstands, sondern ist vor dem Hintergrund der Vereinbarungen der Aufsichtsratssitzung am 9. August zugleich ein schwerer Vertrauensbruch.

Offenbar war es das Ziel, den Vorstand zur Aufgabe zu bewegen. Und dies, obwohl der Vorstand der thyssenkrupp Steel Europe AG die Interessen des Stahlunternehmens engagiert wahrgenommen und sich gegen, aus seiner Sicht, nicht vertretbare Einflüsse auf seine Arbeit mit Erfolg gewehrt hat.

Wir haben großen Respekt davor, mit wieviel Geduld und Disziplin der Vorstand der thyssenkrupp Steel Europe AG versucht hat, trotz allem seine Aufgaben wahrzunehmen und sich bis zum Schluss für die Zukunft des Unternehmens einzusetzen. Und so sehr wir die Entscheidung von drei Vorstandsmitgliedern bedauern, nunmehr im gegenseitigen Einvernehmen aus der thyssenkrupp Steel Europe AG auszuscheiden, verstehen wir aber auch, dass ein Verbleib im Unternehmen unter diesen Bedingungen für sie nicht länger in Betracht kommt. Das Ausscheiden von Bernhard Osburg, Markus Grolms und Dr. Heike Denecke-Arnold ist ein großer Verlust für die thyssenkrupp Steel Europe AG und folgt doch dem Verantwortungsbewusstsein der betroffenen Vorstandsmitglieder, für die eine erfolgreiche Arbeit für die thyssenkrupp Steel Europe AG nur auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen denkbar ist.

Nachdem sich diese Entwicklung abzeichnete, gab es gestern Abend und auch heute Vormittag Versuche, aus der Bundes- und Landespolitik, uns dazu zu bewegen, die heutige Aufsichtsratssitzung um vier Wochen zu verschieben, um etwas mehr Zeit zu haben, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Ich verstehe den Wunsch der Politik sehr gut und auch den Appell an alle Beteiligten, sich der Verantwortung für 27.000 Beschäftigte bewusst zu sein und nach Wegen zu suchen, um den Konflikt zu deeskalieren.

Allerdings haben die betroffenen Vorstandsmitglieder jedes Vertrauen in den Willen und die Fähigkeit des Vorstandsvorsitzenden der thyssenkrupp AG zu einer angemessenen Zusammenarbeit verloren, und wollen das Unternehmen thyssenkrupp Steel Europe AG verlassen.

Ich habe den Aufsichtsratsvorsitzenden der thyssenkrupp AG, Siegfried Russwurm, um seine Einschätzung und Meinung zu diesem Wunsch aus der Politik gebeten. Seine Antwort lautete, dass er keine Meinung dazu habe, ich aber selbstverständlich frei sei, die Sitzung um vier Wochen zu verschieben.

Die Tatsache, dass der Aufsichtsratsvorsitzende der thyssenkrupp AG zu der aktuellen Situation keine Meinung besitzt, hat mich dazu veranlasst, von einer Verschiebung der Sitzung abzusehen.

Nicht zuletzt diese Tatenlosigkeit auf der Ebene der thyssenkrupp AG und die Erfahrungen der letzten Wochen machen auch aus Sicht von Frau Dr. Eller eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Interesse der thyssenkrupp Steel Europe AG mit dem Vorstandsvorsitzenden der thyssenkrupp AG nicht mehr möglich. Wir sehen keine Möglichkeit mehr, unsere Maßstäbe an Professionalität, einer offenen Diskussions- und „Speak-Up“-Kultur und Respekt im gegenseitigen Miteinander noch in einem angemessenen Maße berücksichtigt zu sehen. Ein verantwortungsvolles Handeln als Aufsichtsräte ist unter diesen Bedingungen für uns nicht mehr möglich.

Noch entscheidender ist aber, dass wir nicht mehr den Eindruck haben, dass Vorstand und Aufsichtsrat der thyssenkrupp AG die ursprüngliche Idee der damaligen Vorstandsvorsitzenden, Martina Merz, weiterverfolgen. Denn danach sollte ein höheres Maß an Unabhängigkeit des Aufsichtsrats der thyssenkrupp Steel Europe AG dem Prozess der Verselbstständigung des Stahlbereichs eine höhere Integrität verleihen und dem Eindruck entgegenwirken, die Lastenverteilung könne einseitig zu Ungunsten der thyssenkrupp Steel Europe AG erfolgen.

Aus diesen Gründen ist für uns die Geschäftsgrundlage entfallen, auf deren Grundlage Frau Dr. Elke Eller und ich der Berufung in den Aufsichtsrat der thyssenkrupp Steel Europe AG zugestimmt haben. Daher werden wir fristgerecht unsere Mandate niederlegen. Aus den gleichen Gründen werden auch der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Detlef Wetzel und der „neutrale Mann“ im Aufsichtsrat, Staatssekretär a.D. Wilfried Schäffer, ihre Mandate niederlegen. Die Reihenfolge unseres Ausscheidens aus dem Aufsichtsrat und die damit verbundenen Nachbesetzungen werden sicherstellen, dass die Parität zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat immer beibehalten wird.

Wir bedanken uns für die exzellente Zusammenarbeit mit dem Vorstand der thyssenkrupp Steel Europe AG, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Aufsichtsratsbüros und auch bei den Mitgliedern des Aufsichtsrates, die engagiert und integer an der Zukunftsfähigkeit der thyssenkrupp Steel Europe AG mitgearbeitet haben.

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