Unter dem Motto „Demenz – Gemeinsam. Mutig. Leben.“ findet am 21. September wie in jedem Jahr seit 1994 der Welt-Alzheimertag statt. In der gesamten „Woche der Demenz“ werden vom 16. bis zum 22. September bundesweit vielfältige Aktionen organisiert, um auf die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen aufmerksam zu machen.

Eine Demenzerkrankung verändert das Leben von Grund auf. Für die erkrankte Person und ihre Familie ist sie mit vielen Fragen und großer Verunsicherung verbunden. Viele Hürden sind zu meistern. Das Motto des diesjährigen WAT soll daran erinnern, dass diesen Herausforderungen gemeinsam begegnet werden muss – gemeinsam als Familie, gemeinsam mit dem Freundeskreis, gemeinsam als Gesellschaft –, um ein gutes Leben mit Demenz möglich zu machen.

Menschen mit Demenz in allen Lebenslagen unterstützen
Demenz hat viele Formen und Gesichter. Meist erkranken Menschen erst im höheren Alter an einer Demenz, manchmal beginnt die Krankheit jedoch schon viel früher, während der Berufstätigkeit. Die Symptome und die Auswirkungen verändern sich im Verlauf der Krankheit und je nach Demenzform. Menschen mit einer beginnenden Demenz sind meist noch weitgehend selbstständig, haben viele Fähigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten, können und wollen sich ins gesellschaftliche Leben einbringen. Wenn die Demenz fortschreitet, benötigen die Betroffenen immer mehr an Unterstützung – sei es durch Angehörige, ehrenamtlich Unterstützende oder professionell Pflegende.

„Neue Medikamente für den Einsatz im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit, an denen derzeit intensiv geforscht wird, machen den Betroffenen große Hoffnungen“, so Monika Kaus, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. „Auch wenn die Amyloid-Antikörper-Therapie mit dem Wirkstoff Lecanemab – im Gegensatz zu vielen anderen Staaten – in der EU nicht zugelassen wurde, wird die Entwicklung hier weitergehen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass diese Medikamente bisher nur einem sehr kleinen Teil der Betroffenen zugutekommen können. Menschen mit weiter fortgeschrittener Alzheimer-Krankheit, mit – im Alter nicht seltenen – Begleiterkrankungen, oder mit einer anderen Form der Demenz, werden davon nicht profitieren. Gleichzeitig ist auch mit den neuen Medikamenten ein Stopp der Krankheit nicht möglich, auch wer sie bekommt, wird im Verlauf hilfebedürftig werden. Deshalb müssen wir das Unterstützungssystem weiter ausbauen bzw. so umbauen, dass Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen flächendeckend passende Angebote finden. Dazu gehören Strategien gegen den Pflegenotstand ebenso wie eine Pflege- und Versorgungsplanung auf kommunaler Ebene.“
  
Prävention und Diagnostik stärken und vorhandene Therapiemöglichkeiten endlich nutzen
Die Immuntherapie bei der Alzheimer-Krankheit wird eher bei jüngeren Personen mit leichter kognitiver Störung und beginnender Demenz mit positivem Biomarkerbefund zur Anwendung kommen. Die in den nächsten 15 Jahren zu erwartende massive Zunahme der Zahl von Personen mit Demenzerkrankungen wird aber aufgrund des demografischen Wandels hauptsächlich Menschen betreffen, die 80 Jahre und älter sind. Sehr viele dieser hochaltrigen Menschen, die erst jenseits des 80. Lebensjahres an Demenz erkranken, werden aufgrund von Begleiterkrankungen nicht für die Immuntherapie in Frage kommen.
„Aus Sicht der Fachgesellschaft birgt die aktuelle Diskussion die große Chance, auf die immer noch unzureichende Versorgung von Menschen mit Demenz mit den heute bereits zur Verfügung stehenden Mitteln hinzuweisen. Es gibt immer noch erhebliche Defizite bei der differentialdiagnostischen Abklärung und dem Einsatz der bereits verfügbaren medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapien bei leichter kognitiver Störung und beginnender Demenz“ sagt Professor Michael Rapp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie e.V. (DGGPP), der deutschen Alterspsychiater. Es gibt in Deutschland noch kein flächendeckendes Demenzregister, aber Schätzungen auf der Basis von Daten aus anderen europäischen Ländern suggerieren, dass bei einem signifikanten Anteil sekundärer Demenzerkrankungen eine Chance auf Stillstand oder Besserung besteht. Dazu zählt z.B. die chirurgische Behandlung von Nebenschilddrüsenadenomen oder chronischen subduralen Hämatomen, die medikamentöse Substitution von fehlenden Schilddrüsenhormonen, die optimale Einstellung eines Bluthochdrucks oder Diabetes mellitus, die Sekundärprophylaxe bei Hirninfarkten. Voraussetzung dafür ist aber, dass möglichst frühzeitig eine korrekte Diagnose gestellt wird. Die Erfahrung in gerontopsychiatrischen Kliniken zeigt, dass immer noch viel zu oft Kranke in fortgeschrittenen Demenzstadien bis zur Krankenhausaufnahme keine angemessene Diagnostik hatten, und dass sich hinter einer „Blickdiagnose Alzheimer“ auch etwas ganz anderes verbergen kann.

Außerdem müsse die Prävention und frühe nichtmedikamentöse Behandlung deutlich gestärkt werden. „Die Lancet Kommission für Demenz hat schon 2020 klargestellt, dass Verfahren wie die Förderung körperlicher Aktivität, die konsequente Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen und psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen, ergotherapeutische Verfahren, kognitive Stimulation und Gedächtnistraining und die Förderung sozialer Teilhabe für die Prävention und Behandlung von Demenzerkrankungen flächendeckend eingesetzt werden sollten“, so Rapp. Diese Verfahren seien deutlich kostengünstiger, klinisch nachgewiesen relevant und immer noch nicht in der Regelversorgung flächendeckend verfügbar, geschweige denn ausreichend finanziert. „Wir möchten deshalb dazu motivieren, diese nichtmedikamentösen und psychosozialen Verfahren in Verbindung mit einer differentialdiagnostischen Abklärung breit einzusetzen.“

Alzheimerforschung fördern
Die Alzheimerforschung hat in den letzten 3 Dekaden wichtige Ergebnisse zur Frage der Entstehung, Behandlung und Früherkennung geliefert. „Die bislang gewonnenen Erkenntnisse sind nur Puzzleteile in einem hochkomplexen Krankheitsgeschehen. Wir sind froh, dass mit Lecanemab ein Medikament aus der Gruppe der Amyloid-Antikörper zur Verfügung steht, die in der Lage sind Eiweißablagerungen (Plaques) im Gehirn zu entfernen. Die mit dem Medikament durchgeführten internationalen und multizentrischen klinischen Studien zeigen, dass diese Amyloidablagerungen in ihrem Ausmaß verkleinert werden und der Krankheitsverlauf bei einigen Patient:innen gebremst werden kann. Diese Studienergebnisse haben dazu geführt, dass Lecanemab in den USA, Kanada, Großbritannien und Israel sowie anderen asiatischen Ländern zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassen wurde, allerdings nicht in der EU. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA in Amsterdam hat befunden, dass der Nutzen der Substanz im Vergleich zum Risiko zu gering sei. Tatsächlich ist nicht klar, wie groß die positiven Effekte bei einzelnen Patient:innen sein werden und ob diese Amyloid-Antikörper quasi zu einem Anhalten des kognitiven Verlustes führen können. “Dazu brauchen wir dringend weitere Daten aus Langzeitstudien“, so Prof. Isabella Heuser, Berlin, Vorsitzende der Hirnliga e.V.

„Die Studienergebnisse machen aber Mut. Wie bei anderen neuen Medikamenten auch, sind für die Forschung und Weiterentwicklung jetzt Daten wichtig, die nach einer Zulassung und der Markteinführung gewonnen werden. Die Entscheidung der EMA gegen die Zulassung von Lecanemab führt in der EU allerdings dazu, dass wir diese dringend notwendigen weiteren Studien hier nicht werden durchführen können.“
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat die von deutschen Alzheimerforschern 1986 gegründete Hirnliga mehrere Millionen Euro Spenden gesammelt und damit Forschungsprojekte finanziert sowie Preise vergeben. „Besonders die translationale und klinische Forschung muss dringend gefördert werden, damit wir schnell fundierte Daten aus z.B. Medikamentenentwicklungsstudien bekommen. Deshalb hat die Hirnliga nun ein Programm zur Unterstützung junger Wissenschaftler:innen aufgelegt, die gerade an ihrer Promotion arbeiten. Mehr Informationen dazu gibt es unter:
 hirnliga.de/hirnliga-promotionsstipendien/
  
Hintergrund:
Seit 1994 findet jeweils am 21. September der Welt-Alzheimertag statt, der von der Dachorganisation Alzheimer’s Disease International (ADI) mit Unterstützung der WHO initiiert wurde, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Alzheimer-Krankheit und andere Formen der Demenz-Erkrankungen zu richten. Die Woche der Demenz wird gemeinsam mit den Akteuren der Nationalen Demenzstrategie rund um den Welt-Alzheimertag organisiert.

Kontaktdaten:
Hirnliga e.V. – Geschäftsstelle
Tel.: 02262 – 999 99 17
www.hirnliga.de
 
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Tel.: 030 – 25 93 79 50
www.deutsche-alzheimer.de
www.welt-alzheimertag.de
 
Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und –psychotherapie e.V.
Tel.: 02262 – 79 76 83
www.dggpp.de
 
Informationen zur Nationalen Demenzstrategie:
www.nationale-demenzstrategie.de

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