Herbstzeit ist Erkältungszeit. Im Büro begegnet man dann nicht selten Kollegen mit rot-nasigen Gesichtern und einem Husten, der die gesamte Etage in Atem hält. Doch was gilt, wenn die Nase läuft, der Hals kratzt und dennoch der Gang zum Arzt nicht als notwendig erachtet wird? Dürfen Arbeitgeber verlangen, dass Mitarbeiter sich krankschreiben lassen? Und was müssen Arbeitnehmer generell bei einer Krankmeldung beachten? ARAG Experte Tobias Klingelhöfer klärt die wichtigsten Fragen.

Darf der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern eine Krankschreibung verlangen?
Tobias Klingelhöfer:
 Nein. Auch wenn die Ansteckungsgefahr bei Erkältungen nicht zu unterschätzen ist, hat der Arbeitgeber kein Recht, zu verlangen, dass Mitarbeiter sich bei einer einfachen Erkältung krankschreiben lassen. Ob jemand arbeitsunfähig ist, entscheidet einzig und allein der behandelnde Arzt. Allerdings kann der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass der Mitarbeiter zum Arzt geht.

Es gibt Alternativen: Um eine Ausbreitung von Erkältungen im Betrieb zu vermeiden, kann der Arbeitgeber den kränkelnden Mitarbeiter bitten, auf eigene Kosten zu Hause zu bleiben. In diesem Fall muss jedoch das Gehalt weitergezahlt werden. Ein Anspruch auf Urlaub oder die Verwendung von Zeitguthaben besteht nicht.

Was gilt es bei einer Krankmeldung zu beachten? Wie schnell muss ich mich krankmelden?
Tobias Klingelhöfer:
 Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer „unverzüglich“ dem Arbeitgeber mitzuteilen. „Unverzüglich“ ist aber so eine Sache. Ich empfehle, aus Höflichkeit dem Chef und den Kollegen gegenüber, sich möglichst frühzeitig krank zu melden. Die Mitteilung sollte aber spätestens vor dem üblichen Dienstantritt erfolgen.

Müssen Arbeitnehmer ihrem Chef sagen, an was sie erkrankt sind?
Tobias Klingelhöfer:
 Nein, das müssen sie nicht. Wichtig ist nur, dass sie ihre Arbeitsunfähigkeit melden. Der Arbeitgeber muss lediglich wissen, dass der Mitarbeiter aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten kann. Es liegt im Ermessen des Arbeitnehmers, ob er weitere Informationen zu seiner Erkrankung geben möchte.

Wie meldet man sich vorschriftsmäßig krank und wann muss die ärztliche Bescheinigung vorliegen?
Tobias Klingelhöfer:
 Die Art der Krankmeldung kann jeder Betrieb individuell regeln. Viele Unternehmen erlauben eine formlose Mitteilung per E-Mail, Anruf oder SMS. Der Arbeitgeber muss –meinst ab dem 3. Tag – einen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erhalten.

Seit Januar 2023 gilt das elektronische Verfahren (eAU für „elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“), bei dem die Praxen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) direkt an die Krankenkasse übermitteln. Diese stellt die Daten dann dem Arbeitgeber zur Verfügung. Arbeitnehmer müssen jedoch darauf achten, rechtzeitig zum Arzt zu gehen, um die Bescheinigung zu erhalten.

Dürfen Arbeitgeber die Krankschreibung anzweifeln?
Tobias Klingelhöfer:
 Wenn ein Arbeitgeber den Beweiswert einer ärztlichen AU infrage stellt, kann es problematisch werden. Der Arbeitgeber muss jedoch konkrete Gründe vorbringen, wenn er den Beweiswert einer Bescheinigung ernsthaft anzweifelt. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat klargestellt, dass Arbeitgeber zwar in bestimmten Fällen berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit anmelden können, jedoch nicht pauschal bei jeder Krankmeldung (Az.: 5 AZR 137/23). Wenn sich die Zweifel allerdings als berechtigt herausstellen und der kranke Mitarbeiter gar nicht so krank ist, wie die AU ihm attestiert, riskiert er die Lohnfortzahlung oder gar seine Kündigung.

Dürfen Chefs kontrollieren, ob der Arbeitnehmer wirklich krank ist?
Tobias Klingelhöfer:
 Wie auch immer man persönlich zu den Kontrollbesuchen steht, die E-Auto-Hersteller Tesla erst vor Kurzem bei häufig erkrankten Mitarbeitern durchgeführt hat: Grundsätzlich steht es Chefs frei, ihre kranken Mitarbeiter zu Hause zu besuchen, um festzustellen, ob sie tatsächlich krank sind. Allerdings ist ja niemand verpflichtet, die Tür aufzumachen und den Chef hereinzulassen. Tabu sind auch Nachforschungen beispielsweise durch Privatdetektive, weil dieses Vorgehen das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters verletzen würde.

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