Krankheitsbild und Krankheitsverlauf
Bei Tremor-Patienten unterscheidet man in essenziellen und von Parkinson verursachtem Tremor. Tremor Patienten sind in fortgeschrittenem Stadium oft nicht mehr befähigt, ganz alltägliche Dinge auszuführen, was schnell zu reduzierter Selbstständigkeit und Lebensqualität und zu progressiv zunehmendem Pflegeaufwand, Frühverrentung und bei ca. 25 % zu großem Pflegebedarf führt.
Essenzieller und von Parkinson verursachter Tremor werden bisher vor allem medikamentös behandelt, wobei die derzeitig verfügbaren Medikamente Tremor nur mildern, nicht heilen können.
Eskalatorische Therapien (neurochirurgische Behandlungen oder Pumpentherapien)
Bei fortschreitender Parkinsonkrankheit, bzw. Tremor Erkrankung tritt nach ca. drei bis acht Jahren (individuell unterschiedlich) die medikamentöse Therapieresistenz ein mit sogenannten Wirkungsschwankungen und Dyskinesien, die durch orale oder transkutane Medikamentengabe alleine nicht mehr beherrschbar sind. In dieser Phase kommen dann sogenannte eskalatorische Therapien zur Anwendung.
Die European Academy of Neurology (EAN) zusammen mit der Europäischen Sektion der Movement Disorder Society (MDS-ES) haben in der Leitlinie vom 16.12.22 nach GRADE-Standards (Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation) die derzeitig gängigsten 3 invasiven Verfahren empfohlen:
- die tiefe Hirnstimulation, bei der Elektroden durch den Schädel gebohrte Löcher an bestimmte Hirnareale gebracht, mit einem unter der Haut gelegenen Generator verbunden und dann stimuliert werden,
- L-Dopa- bzw. Apomorphinpumpen, die durch Infusion beim Patienten gleiche Spiegel ermöglichen und gleichmäßig wirken sowie
- die MRT-gesteuerte Ultraschallbehandlung (MRgFUS)
Das MRgFUS lässt mit der Magnetresonanztechnik den Verursachungspunkt des Tremors im Gehirn lokalisieren. Dieser Zielpunkt wird dann mit 1024 Ultraschallwellen unter Magnetresonanzkontrolle hoch fokussiert punktgenau (2/10 mm) auf die Quelle des Tremors gebracht. Der fokussierte Ultraschall erlaubt eine kontrollierte, kontinuierliche Energiesteuerung auf über 60 Grad Celsius, die zu einer gezielten Thermoläsion führt. Dadurch wird das TREMORNETZWERK im Gehirn unterbrochen und unwirksam gemacht. Das Verringern des Zitterns bei Armtremor kann mit diesem Verfahren unmittelbar während des Eingriffs wahrgenommen werden. Der Armtremor ist bei Beendigung des Eingriffs im Regelfalle auf ca. 10 % – 30 % reduziert.
Während oder kurz nach der Behandlung kann es zu Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Übelkeit oder Magenschmerzen kommen.
In den Leitlinien der EAN wird im Fazit für die Praxis resümiert: „Der Einsatz von invasiven Behandlungen ist mittlerweile für verschiedene klinische Konstellationen mit guten Erfolgen möglich. Sie sind neben der medikamentösen Therapie zu einem unverzichtbaren Teil der modernen Parkinson-Behandlung geworden“.
Nachhaltigkeit der MRgFUSPersönliche Erfahrungen
Der Leiter der Parkinson-Selbsthilfegruppe Karlsfeld-Dachau, Karl Walter und sein Stellvertreter, Klaus Englert, die beide seit 10 Jahren mit rechtsseitigem Armtremor leben, entschlossen sich nach einer Testwoche am Universitätsklinikum Kiel im November 2022 die MRgFUS-Therapie durchführen zu lassen. Beide Patienten erhielten im jeweiligen Befund die Empfehlung zur Durchführung eines MRgFUS-Eingriffs.
Karl Walter und Klaus Englert berichten von einem hoch professionellen Eingriff, begleitet von großer menschlicher Nähe durch die Ärzte und der Erfahrung des sofortigen Wirkens während des Eingriffs.
Bei Karl Walter konnten „aufgrund einer „mäßigen Schädeldurchdringbarkeit“ nur mit einer erschwerten Behandlung (6 Läsionen) suffiziente Temperaturen erzielt werden. Postoperativ zeigte sich ein gutes Tremoransprechen mit lediglich leichter Gangunsicherheit, die schwellungsbedingt war“.
Bei der Nachuntersuchung im Juli 2023 wurde eine deutliche Reduktion des Tremors attestiert.
Ein Jahr nach der Operation fühlt sich Walter „vom Tremor nur in Off-Phasen bei Anspannung leicht belastet“. Die tägliche Levodopa Einnahme konnte auf dem Stand von vor dem MRgFUS-Eingriff gehalten werden bei einer 90-prozentigen Beseitigung der Tremor-Belastung.
Bei Klaus Englert war das Ansprechen auf die Behandlung mit nur 2 Läsionen unerwartet gut. Am Tag des Eingriffs und am Folgetag war der Tremor zu 100 % ausgeschaltet. Es traten anschließend Nebenwirkungen auf. Starke Gangunsicherheit, ein Rechtsdrall und Bewegungsstörungen waren die Folge. Diese ließen im Laufe der nachfolgenden 8 Wochen wieder nach. Jedoch kam auch der Tremor in den Off-Phasen stark zurück. Nach 3 Monaten wurde eine Verbesserung der Tremor Symptome um 20% attestiert. Die Medikation wurde umgestellt und 6 Monate nach der Behandlung ist die tägliche Levodopa Einnahme um fast die Hälfte reduziert.
Offizielle Statistiken der Herstellerfirma bescheinigen bei einjährigem Abstand zum Eingriff bei 100 Personen (P) noch
ein Taubheitsgefühl oder Kribbeln im Gesicht, Beinen, Händen oder Fingern bei 15, anhaltende Probleme beim Gehen (wackliges Gangbild) bei 10, Veränderungen des Geschmacksempfindens bei 4, Koordinationsprobleme bei Bewegungen bei 4, Gleichgewichtsprobleme bei 2
Eine 5-Jahres-Nachbeobachtungsstudie zur MRgFUS-Therapie gegen Essenziellen Tremor ergab, dass die behandelte Seite auch nach 5 Jahren deutlich verbessert geblieben, und in Bezug auf Lebensqualität der therapierten Patienten, die mit dem Eingriff erzielte Verbesserung erhalten geblieben ist.
Haben Tremor Patienten 2024 Anlass zur Hoffnung?Aktuelle Situation
Mit ca. 1 Mio Tremor Patienten (parkinsonverursacht und essenziell) hat Deutschland zwei MRgFUS-Kliniken (Uni Kliniken Bonn und Kiel seit März 24 die Paracelsius Klinik in Kassel.) Bisher sind 200 Tremor Kranke mit MRgFUS in Deutschland therapiert worden. Aktuell werden durchschnittlich 2 Tremor Kranke pro Woche und Klinik therapiert.
Die Schweiz mit ca 100 000 Tremor Patienten hat 3 MRgFUS-Kliniken und 650 MRgFUS-Therapierte.
Spanien mit ca. 650 000 Tremor-Patienten hat 14 MRgFUS-Kliniken und 1300 MRgFUS-Therapierte.
MRgFUS ist seit 2016 weltweit in Erprobung; es wurden insgesamt mehr als 15 000 Tremor—Patienten therapiert.
Mit 200 therapierten Tremor Patienten in Deutschland, Stand Ende 2023, muss man Deutschland eine eindeutige Unterversorgung der Tremor Patienten attestieren.
Die Tatsache, dass ca 25 % der Tremor Patienten, das sind ca. 275 000 Patienten, der Frühverrentung und des frühen Bedarfs einer Vollpflege entgegenleben ist eine besondere Härte für diese Menschen und für Ihre Angehörigen.
Es besteht dringender humanitär begründeter Handlungsbedarf!
Die bisherigen weltweit vorliegenden Therapieergebnisse lassen annehmen, dass ein MRgFUS-therapierter Tremor Patient wesentlich später als der nicht oder anders Therapierte, wenn überhaupt, zum schweren Pflegefall wird.
Der Aufenthalt im Pflegeheim kostet in Deutschland monatlich ca. 6 000,00 €.
Bei Vermeidung eines Pflegeheimaufenthaltes für z.B 1000 Tremor Patienten durch die MRgFUS-Therapie (Kostenumfang ca. 16 000,00 € je Patient) könnten in einem Jahr
72 000,00 € x 1000 Patienten = 72 000 000,00 € eingespart werden, die Kosten für die Frühverrentung nicht berücksichtigt.
Die Gesamtzahl von derzeitig potentiell ca. 275 000 Tremor verursachten Pflegeaufenthalten lässt, kumuliert berechnet, ein milliardenschweres Einsparpotenzial erkennen bei gleichzeitiger Reduzierung von unnötigem Leid!
Aktuelle Bestimmungsfaktoren/Einflussgrößen
< Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat am 8. November 2023 eine neue S2k- Leitlinie für Diagnose und Therapie der Parkinson herausgegeben, mit der u.a. festgestellt wird: „dass MRgFUS sehr effektiv gegen den Tremor eingesetzt werden kann,“ aber „zum erweiterten Einsatz des MRgFUS aktuell noch weitere Studien-Ergebnisse vorliegen müssen.“ Auf Anfrage definiert Frau Prof. Dr. Trenkwalder (Mitglied der Leitlinien Koordination) „erweitert“ als „den Einsatz der FUS bei allgemein Parkinson und zur Eröffnung der Blut-Hirnschranke, nicht um den Tremor.“
Bis zum Vorliegen weiterer Studien-Ergebnisse wird von der DGN primär die doppelt so teure Tiefe Hirnstimulation (THS) mit Öffnung der Schädeldecke und größeren Risiken für den Patienten empfohlen.
< Der Kostenaufwand für den skalpellfreien Eingriff mit MRgFUS beläuft sich derzeitig bei der UKSH Kiel auf ca. 16 000,00 € pro Patient. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlten bis dato ca. 6600,00 €, was zu einer Kostenunterdeckung geführt und die zwei Kliniken veranlasst hat, bis auf weiteres nur wenige Patienten zu therapieren.
< Die Auswirkung von Leitlinien auf die Zahlungsbereitschaft der Kassen konnte Karl Walter selbst erfahren. Er stellte basierend auf dem von der Uni Klinik Kiel erhaltenen
Kostenvoranschlag über 16000,00 € an seine Krankenversicherung (Beihilfe) eine Vergütungsanfrage
Diese wurde negativ beschieden mit dem Hinweis
„Bei der o.g. Behandlung handelt es sich nicht um eine Behandlung im Sinne der Bundesbeihilfeverordnung. Diese Behandlung wird nach dem Leitlinien-Update „Invasive Parkinson-Therapie vom 12.07.2022 nicht empfohlen…“
Bei tatsächlicher Rechnungstellung konnte Karl Walter auf die europäische Leitlinie vom 16.12.22 verweisen, mit der die MRgFUS zu „einem unverzichtbaren Teil der modernen Parkinson-Behandlung erklärt worden ist“, was dann die Beihilfe zur uneingeschränkten Kostenübernahme veranlasst hat.
Die geringe Anzahl der wöchentlich therapierten Patienten liegt u.a. auch darin begründet, dass die MRgFUS-Abteilungen sich das MRT-Gerät mit anderen Abteilungen teilen müssen.
Diese Einschränkung kann vermieden werden, indem nicht nur ein FUS-Gerät (2,5 Mio €) sondern gleichzeitig auch ein MRT-Gerät (1,5 Mio € ) beschafft wird.
Damit könnten bei optimaler Betriebsorganisation jährlich ca. 500 Tremor Patienten therapiert werden
< MRgFUS als Chance für Tremor-Patienten ist vielen Ärzten und vielen Patienten noch wenig bekannt.
Hoffnung für Tremor Patienten in Deutschland
< An erster Stelle stimmt die menschliche und fachliche Kompetenz der in Kiel von den Autoren beim Eingriff erlebten Ärzte und Therapeuten hoffnungsvoll!
< Seit März 24 gilt für MRgFUS eine neue Kassenverordnung. Mit der Einstufung der MRgFUS in den NUB 1 Status (Neue Untersuchungs- und Behandlungsformen) können auch mit den gesetzlichen Krankenkassen kostendeckende Zahlungsverträge abgeschlossen werden, was zu Investitionen und wirtschaftlichem Handeln motivieren wird.
< Jüngst hat die Paracelsus Elena Klinik als erste Klinik in privater Trägerschaft mit fokussiertem Ultraschall einen Patienten mit essenziellem Tremor erfolgreich therapiert.
Frau Prof. Dr. Brit Mollenhauer, Chefärztin und Ärztliche Leiterin der Paracelsus Elena Klinik resümierte das Ergebnis mit den Worten: „Das MRgFUS-System ist ein wichtiger Baustein in der Therapie des Tremors und auch für Parkinson-Patienten“
< Mit Investition von ca. 4 Mio in MRT und FUS könnten in einer Spezialklinik für MRgFUS bei relativ geringem Infrastruktur- und Personalaufwand wöchentlich 10 Tremor Patienten (jährlich 500 ) MRgFUS-therapiert werden, was bei Einrichtung einer „Spezialklinik für MRgFUS zur Behandlung von essenziellem und Parkinson verursachtem Tremor“ sehr wirtschaftliches Handeln ermöglicht mit einem „Break Even“ (Einnahmen = Ausgaben) nach ca. drei Jahren und einer schnellen Amortisation der Investition.
< Mit ca. 15 MRgFUS-optimierten Spezialkliniken in Deutschland könnte bei den derzeitigen Rahmenbedingungen die drastische Unterversorgung der Tremor Patienten schnell reduziert werden, bei gleichzeitig schneller Amortisation der Investitionen und großem Einsparpotenzial bei Pflegekosten.
Es gibt aus Patientensicht auch in Deutschland keine Gründe mehr, MRgFUS nicht zugunsten der Tremor Patienten einzusetzen.
Diese Bewertung wurde von zwei Tremor-Patienten der Selbsthilfegruppe Karlsfeld-Dachau (Karl Walter und Klaus Englert) erarbeitet, die in den Monaten März bzw. Mai 2023 aufgrund eines sehr starken Handtremors die MRgFUS-Therapie an der Universitätsklinik Kiel (UKSH Kiel) erfolgreich durchführen ließen, seither ein fast zitterfreies Leben führen und h o f f e n, dass möglichst alle Tremor-Patienten bald ähnlich leben dürfen.
Karlsfeld, 22.09.2024
Die erfolgreich therapierten Mitglieder der Selbsthilfegruppe Karlsfeld-Dachau (Herr Walter (walter-karlsfeld@t-online.de) und Herr Englert (klausenglert@aol.com) sind gerne bereit Fragen zu beantworten.
Das Parkinson Journal, vor drei Jahren als Blog des selbst an Parkinson erkrankten Jürgen Zender ins Leben gerufen, ist mittlerweile eine einzigartige Sammlung von Informationen und Tools rund um das Thema Morbus Parkinson geworden. Seine zahlreichen Beiträge (Texte, Videos, Ratgeber, Verzeichnisse oder Podcasts ), geschrieben oder produziert von namhaften Autoren oder Betroffenen selbst, sind über die Jahre zum Wegbegleiter vieler Betroffener, Angehöriger und Ratsuchender geworden. Wenn der Trend so bleibt, wie er sich bereits heute abzeichnet, werden das Parkinson Journal in diesem Jahr erstmals über 200.000 Seitenaufrufe erleben und auf Instagram die 7.000 Follower Marke überschreiten.
Es wird geschätzt, dass in Deutschland etwa 10 % der Parkinson-Kranken in Selbsthilfegruppen organisiert sind oder zumindest gelegentlich deren Angebote nutzen.
Das sind 40.000 von 400.000 Erkrankten. Es ist eines unserer Ziele, diese Zahl dauerhaft und stetig zu erhöhen, denn der Austausch mit „Leidensgenossen“, das reichhaltige Informationsangebot, die neu entstehenden Freundschaften, Sportarten, die man plötzlich (wieder) für sich entdeckt, die selbstgewählte Isolation, die man verlässt … all das sind gute Gründe, sich einer der zahlreichen Selbsthilfegruppen anzuschließen. Neben Beiträgen aus und über die Szene hilft uns dabei maßgeblich unser Verzeichnis der Parkinson-Selbsthilfegruppen und der Parkinson-Event-Kalender.
Für alle anderen, die noch nicht bereit sind, sich zu öffnen, wollen wir weiterhin ein Fenster zur Parkinson-Welt sein, deren Bewohner sie ohne eigenes Zutun geworden sind, und sie mit Wertschätzung und mit Herz und Verstand informieren.
Das zweite Ziel, das uns sehr am Herzen liegt, ist das Bewusstsein für Bewegung als eine der wenigen erfolgversprechenden, nicht medikamentösen Therapien zu schärfen. Immer mehr Studien zeigen, dass Sportarten wie Tischtennis, Nordic Walking, selbst Boxen einen positiven Einfluß auf die Symptomatik und Progredienz der bisher unheilbaren Krankheit haben.
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