Die Kinderverschickung betrifft auch den Caritasverband in der Diözese Rottenburg-Stuttgart: Sie war in Württemberg Trägerin von Einrichtungen, in die Kinder bis in die 1970er Jahre verschickt wurden. Außerdem war die Caritas in die Organisation und Begleitung von Verschickungen eingebunden. Wie die Praxis der Verschickung und der Alltag in den Erholungsheimen aussah, beschreibt eine nun veröffentlichte kulturhistorische Dokumentation. Mit dieser Archivrecherche leistet der Caritasverband einen kritischen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der Verschickungskinder. „Dieser zeitgeschichtliche Bericht hat wichtige neue Erkenntnisse für die Aufarbeitung und damit zum Gesamtbild der Kinderverschickung befördert“, erklärt Caritasdirektor Oliver Merkelbach. Der von einer Kulturwissenschaftlerin erstellte Bericht gebe tiefergehende Erkenntnisse in die vergangene Zeit und zeichne ein Bild der Umstände der Kinderverschickung in Württemberg. Klar sei: Der damalige pädagogische Umgang mit den Kindern und Jugendlichen sei „aus heutiger Sicht fragwürdig und unzumutbar“.  

Da alle ehemaligen Kinderkurheime geschlossen sind, standen für die Dokumentation keine Akten zu den damals verschickten Kindern zur Verfügung. Die wissenschaftlich fundierte Recherche basiert ausschließlich auf Archivmaterial aus den Caritas-Regionen Heilbronn-Hohenlohe und Schwarzwald-Alb-Donau sowie einer Einrichtung in Rot an der Rot, in die Kinder und Jugendliche verschickt wurden. Der Bericht hat ergänzend zu anderen Studien beispielsweise die Erkenntnisse erbracht, dass an der Verschickung in den Nachkriegsjahrzehnten Personen beteiligt waren, die noch wenige Jahre zuvor die NS-Politik unterstützt hatten. Auch zeigt er, dass in Einzelfällen durchaus auf Beschwerden der Eltern eingegangen wurde. Details aus dem Alltag wurden aufgearbeitet, etwa dass die Kinder teilweise zu religiösen Praktiken gezwungen wurden oder auf Strohsäcken schlafen mussten. Auch wurden Kinder ins Ausland verschickt.

Nach aktuellem Stand gab es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sieben katholische Kinderkurheime, die ausschließlich Verschickungskinder aufnahmen. Darüber hinaus nahmen in den Nachkriegsjahren auch Kinder- und Jugendheime Verschickungskinder auf. Kranke Kinder wurden in Kinderfachkliniken zur Rehabilitation, zum Beispiel bei Asthma oder Tuberkulose, untergebracht. Der Caritasverband Rottenburg-Stuttgart organisierte damals vor allem die Verschickung von württembergischen Kindern in andere Bundesländer und ins europäische Ausland (wie z.B. Schweiz, Österreich, Holland und Spanien).

Den Bericht finden Sie unter: https://www.caritas-rottenburg-stuttgart.de/cms/contents/caritas-rottenburg-s/medien/dokumente/schutz-vor-sexuellem/2024-09-10-kinderver/2024-09-10_verschickung_dicvrs.pdf

Betroffene, die durch die Caritas Württemberg verschickt wurden oder in einem Kinderkurheim in katholischer Trägerschaft auf dem Gebiet der Diözese Rottenburg-Stuttgart untergebracht waren, können sich bei der Anlaufstelle Gewaltschutz der Caritas melden. Hier erhalten sie Hilfe bei der Recherche nach möglichen Unterlagen oder beim Zugang zu Unterstützungsangeboten.

Weitere Informationen zur Kinderverschickung innerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart finden Sie unter Von der Erinnerung der Vergangenheit zur Gestaltung der Zukunft – Aufarbeitung (caritas-rottenburg-stuttgart.de).

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