Heute hat die EU-Kommission in Brüssel ihr Klimaschutzgesetz für Europa vorgestellt. Eine Einschätzung der in diesem Gesetz genannten Ziele und Maßnahmen nimmt Prof.  Dr.  Martin Kesternich vor, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Umwelt und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ am ZEW Mannheim und Professor an der Universität Kassel:

„Es ist gut, dass die EU-Kommission mit dem Klimaschutzgesetz einen rechtsverbindlichen Rahmen für eine Langfriststrategie bis 2050 vorgibt. In ihrem Entwurf formuliert die Kommission aber nicht nur das Ziel der Klimaneutralität, sondern geht noch einen Schritt weiter. Für die Zeit nach 2050 fordert sie, dass die Menge an Treibhausgasen, die der Atmosphäre entzogen wird, größer sein soll als die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase. In ihrem Entwurf räumt sich die EU-Kommission auch das Recht ein, ab 2030 alle fünf Jahre Zwischenziele festzulegen und die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei deren Erreichung zu bewerten. Dieser Baustein weist Parallelen zum sogenannten „Ratcheting“ auf, das sich bereits im Pariser Klimaabkommen findet. Dieses dynamische Anreizsystem gibt den Vertragsstaaten vor, ihre Beiträge zum Klimaschutz in regelmäßigen Abständen transparent darzulegen und über die Zeit schrittweise zu erhöhen. Untersuchungen am ZEW Mannheim zeigen allerdings, dass dieser Mechanismus kontraproduktiv wirken kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn kooperative Akteure mit eher anspruchsvollen Klimaschutzzielen ihre zu Beginn hohen Ambitionen zunächst deutlich zurücknehmen, um vorzubeugen, dass andere Staaten von diesen Maßnahmen profitieren, ohne eigene Anstrengungen zu unternehmen. Die EU-Kommission wäre aus ökonomischer Sicht besser beraten, wenn sie Freifahreranreize gezielt angehen würde. Es ist zu begrüßen, dass die EU-Kommission den Mitgliedstaaten keine detaillierten Vorgaben dazu macht, wie diese die gemeinschaftlichen Klimaziele erreichen sollen. Zu raten wäre der Kommission, sich mittelfristig insbesondere darauf zu konzentrieren, die aktuell unverbundenen Systeme der CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene zusammenzuführen. Derzeit ist dies mit dem europäischen Emissionshandel für Industrie und Stromproduktion auf der einen Seite sowie der Lastenverteilungsordnung für die Bereiche Verkehr, Gebäude, Wärme und Landwirtschaft auf der anderen Seite leider noch nicht der Fall. Mit einer solchen Zusammenführung würde ein einheitliches Preissignal auf europäischer Ebene geschaffen. Die perspektivische Integration nationaler Maßnahmen in ein solches europäisches Gesamtsystem sollte dabei bereits heute mitgedacht werden.“

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

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