„Das Gesundheitswesen hat eine weitaus größere Beschäftigtenzahl und eine größere Bruttowertschöpfung als beispielsweise die Automobilindustrie. Unser Gesundheitssystem hat uns gut durch die Krise geführt. Angesichts der weltweiten Bedrohungen durch weitere Pandemien oder die medizinischen Folgen des Klimawandels ist es elementar, das Gesundheitswesen auszubauen“, fordert Dr. Heinrich.
Gestützt wird diese Forderung auch vom Präsidenten des Weltärztebundes, dem Brasilianer Dr. Miguel R. Jorge. Er sieht als erste Lehre aus der Coronakrise die Stärkung der Gesundheitssysteme: „Wenn wir nun auf dem Weg einer Besserung sind, können wir nicht ignorieren, dass wir ein System aufbauen müssen, das uns vor weiteren Schäden schützt. Deshalb ist es wichtig, dass die Regierungen die öffentliche Gesundheit berücksichtigen, wenn sie über Konjunkturpakete diskutieren. Wir brauchen einen umfassenden Ansatz, einen gesunden und grünen Wiederaufbau, und wir brauchen ihn jetzt“, so Weltärztebundpräsident Jorge in einer Pressemitteilung des International Council of Nurses.
Kern des Erfolges bei der Bewältigung der Corona-Pandemie in den ersten Wochen war laut Dr. Heinrich zweifelsfrei der ambulante Sektor: „Sechs von sieben Coronafällen konnten ambulant behandelt werden. Dadurch wurde verhindert, dass die Krankenhäuser zu Beginn der Pandemie überlaufen wurden. Die ambulante Versorgung wirkte wie ein Schutzwall, so dass der stationäre Sektor die entsprechenden Intensivkapazitäten aufbauen konnte. Dass es nicht zu der erwarteten Zahl der schwerwiegenden Verläufe kam, ist auch dem frühen Einschreiten im ambulanten Bereich zu verdanken“, stellt der Virchowbund-Vorsitzende fest.
Zwischenzeitlich waren rund 500 Testzentren im ambulanten Bereich im Betrieb. 1.750 Callcenter-Mitarbeiter leisteten in den Leitstellen der 116 117 Koordinationsarbeit. In den Laboren der niedergelassenen Ärzte wurden zuletzt rund 110.000 Tests täglich durchgeführt.
Ein Aufbauprogramm des bundesdeutschen Gesundheitswesens muss im Wesentlichen aus vier Punkten bestehen:
- Ausbau des flächendeckenden ambulanten Angebots an Haus- und Fachärzten,
- Stärkung der Pflege, aber auch der Medizinischen Fachangestellten in den Praxen,
- Bereitstellung der erforderlichen Investitionen für notwendige Klinikstandorte,
- Weiterentwicklung der Krankenhausstrukturen durch Überführung in ambulante Strukturen, wo immer möglich.
„Wir haben gesehen, dass wir die Krankenhäuser der Maximalversorgung mit Spezialisten und Beatmungsplätzen brauchen. Wir haben aber auch gesehen, dass viele kleinere Kliniken in Kurzarbeit gegangen sind – oder zunächst viel Freizeitausgleich gewährt haben. Diese Strukturen haben in der Krise gezeigt, dass sie nicht arbeiten mussten, weil die Behandlungen aufgeschoben werden konnten. Bei einer Weiterentwicklung dieses Sektors müssen wir diskutieren, ob wir sie nicht in ambulante oder kurzstationäre Strukturen überführen sollten“, schlägt Dr. Heinrich vor.
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