Es brummt und rieselt wieder im Kornhaus in Schwalmtal-Renzendorf, denn dieses feierte vor einigen Wochen seine „Neueinweihung“, wie der neue Eigentümer Landwirt Moritz Schäfer es nennt. In den Fünfzigern eröffnete dort die Raiffeisen-Genossenschaft das Kornhaus, um Getreide aus der Region anzunehmen, aufzubereiten, zu lagern und weiterzuverkaufen. Seit Frühjahr 2020 gehört die für einige Jahre unbenutzte Immobilie mitsamt den Anlagen im Innern dem Schwalmtaler Landwirt. Etwa acht Wochen ist die Anlage nun in Betrieb. Anlässlich der Eröffnung des ersten Öko-Kornhauses im Vogelsbergkreis stattete Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak (CDU) dem Betrieb einen Besuch ab.

Landwirt Moritz Schäfer erwarb den Hof im Jahr 2011. Er begann relativ früh, den Betrieb auf biologisch-dynamische Landwirtschaft umzustellen und die Betriebsstruktur grundlegend zu verändern. Diversifizierung: Ein Stichwort, das die Entwicklung umschreibt, die der Betrieb unter der Leitung von Schäfer genommen hat. Denn neben den etwa 120 Milchkühen, den knapp 120 Tieren Nachzucht, 150 Hektar Ackerland sowie gut 100 Hektar bewirtschaftetem Grünland, sind weitere Betriebszweige hinzugekommen. Gerade der Ackerbau rückte auf dem Demeter-Betrieb immer mehr in den Fokus. „Mein Ziel ist es, möglichst viele Produktionsschritte und die Wertschöpfungskreisläufe in meinem Betrieb zu halten“, sagt Schäfer. Der reine Milchviehbetrieb wurde erweitert und der Anbau von Sonderfrüchten ausgebaut. „Das erweiterte Konzept passt ideal in die Region. Es ist ein Scharnier zwischen Ökolandbaumodellregion Vogelsberg und der Regionalmarken-Initiative ‚Vogelsberg ORIGINAL‘“, sagt Dr. Mischak. „Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung sind in der Region gebündelt – kurze Wege und Wertschöpfung vor Ort.“

Auf den fruchtbaren Böden in der Gemeinde Schwalmtal ist Schäfer dazu übergegangen, Feldfrüchte anzubauen, die für viele Vogelsberger Flächen recht ungewöhnlich klingen: Grüne Linsen, Beluga-Linsen, goldener und brauner Leinsamen, Leindotter, Nackthafer, Buchweizen, aber unter anderem auch Weizen, Dinkel, Roggen, Ackerbohnen und Sonnenblumen finden sich auf den Feldern rund um den Hof. Auch ausgefallene Ölsaaten wie der „Iberische Drachenkopf“, dessen Samen beispielsweise bei der Herstellung von Seife verwendet werden, haben ihren Platz auf den Feldern. „Der Ackerbau von Sonderkulturen ist ein wichtiger Teil des Betriebs geworden“, sagt Schäfer. Auch die Züchtung, Vermehrung und Aufbereitung von Saatgut bilden einen Arbeitsbereich. „In der Aufbereitung von Sonderkulturen, auch im Lohnbetrieb, hatten wir in den vergangenen Jahren jeweils ein Mengenwachstum von mehr als 100 Prozent“, führt Schäfer aus. Deshalb stand er vor der Wahl: Einschränken oder die Kapazitäten erweitern. Ein Neubau einer Anlage schien nicht wirtschaftlich und nach eingehender Prüfung war die Option des Kornhauses in Renzendorf eine vielversprechende. Denn gerade für Bio-Landwirte im Vogelsbergkreis gebe es Hindernisse bei der Vermarktung ihrer Feldfrüchte. „Bisher fehlte ein Stück weit die Infrastruktur. Einen Ort, zu dem ein Bio-Landwirt sein Getreide zum Verkauf, zur Aufbereitung oder zur Lagerung ohne viele Umstände bringen kann, gab es bisher nicht“, sagt der Demeter-Landwirt. Viele Bio-Landwirte bauten beispielsweise Gemenge an – eine Anbauform bei der zum Beispiel Gerste- und Erbsen-Saatgut bei der Aussaat gemischt wird, um Erträge zu steigern und Symbiosen zu nutzen – was den Weiterverkauf erschweren kann. „Mit der Anlage kann nun Gemenge vor Ort gereinigt, getrennt und zum Weiterverkauf vorbereitet werden“, sagt Schäfer. Egal ob in der Region vermehrtes Saatgut oder Rohware aus der Gegend, „der Bedarf ist da und wächst zusehends.“ Deshalb sei auch die Ökosaat Hessen GmbH, die er mit fünf weiteren Betrieben und Partnern aus ganz Hessen gegründet habe, seit 1. Juli in Renzendorf zu Hause. Ihr Ziel sei es, gemeinsam Saatgut zu züchten, zu vermehren, aufzubereiten und zu verkaufen. Denkbar seien dort auch Kooperationen mit Landwirten aus der Region. „Denn Saatgutgewinnung und -veredelung kann eine Einkommensalternative sein“, sagt Schäfer.

Beim Rundgang durch die Anlage berichtet er von den weiteren Schwerpunkten des Betriebs. Denn auch in die Fleischerzeugung und -vermarktung möchte Schäfer einsteigen. „Neues zu entwickeln und die Produktions- sowie Wertschöpfungskette zurück in die Region zu holen, können Lösungsansätze und Zukunftsperspektive für Landwirte sein“, sagt der zuständige Dezernent Dr. Mischak. Unabhängig von stark schwankenden globalen Agrarmärkten könne so mehr Planungssicherheit erreicht werden.

Gut zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten auf dem Demeter-Hof Schwalmtal. Sie kümmern sich neben der landwirtschaftlichen Produktion auch um den Vertrieb. Die erzeugte Milch wird an eine Demeter-Molkerei geliefert. Grüne Linsen, Leinsamen, Beluga-Linsen, Nackthafer, Weizen, Roggen, Leindotteröl oder Lupine-Kaffee liefert der Demeter-Hof an knapp 30 Verkaufsstellen und Läden zwischen Gießen, Fulda und Siegen. „Eine passende Ergänzung und echte Vogelsberger ORIGINALE“, kommentiert Dr. Mischak das Angebot des Demeter-Betriebs. „Die neu geschaffene Möglichkeit für die Weiterverarbeitung von Bio-Feldfrüchten kann für viele regionale Betriebe eine Ergänzung der Betriebsstruktur sein und ermöglicht den Marktzugang für Landwirte in der Region“, kommentiert der zuständige Dezernent abschließend.

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