Unternehmen in Nordrhein-Westfalen befürchten vom Lieferkettengesetz (LKG) einen erhöhten bürokratischem Mehraufwand, der die positiven Ziele des Gesetzes konterkarieren könnte. Das hat eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg in Kooperation mit fünf weiteren IHKs in NRW ergeben. 90,5 Prozent der antwortenden Unternehmen erwarten demnach einen deutlich höheren bürokratischen Aufwand und 90,3 Prozent befürchten sogar erhöhte Haftungsrisiken. Dennoch stimmen auch 68,7 Prozent zu, dass die Achtung der Menschenrechte bei ihren direkten Lieferanten durch die Vertragsgestaltung sichergestellt werden soll – 53,1 Prozent bejahen dies sogar für die gesamte Kette der Lieferanten.

Obwohl die abgestimmte Vorlage zum LKG aus den Ministerien BMWI und BMZ weiter auf sich warten lässt, schweben die möglichen Eckpunkte dieses Sorgfaltspflichtengesetzes, landläufig als Lieferkettengesetz bekannt, mit möglichen weiteren Pflichten und damit zunehmender Bürokratisierung über (Teilen) der deutschen Wirtschaft. Nach ersten Verlautbarungen aus dem Frühjahr 2020 sollen mit dem Gesetz Verantwortlichkeiten im Bereich Menschenrechte für alle Unternehmen in der Lieferkette, vom Hersteller über Weiterverarbeiter und Händler auf deutsche Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter übergehen. „Hier steht aber zu erwarten, dass die neuen Pflichten an die meist mittelständischen Zulieferer weitergereicht werden und daher große Teile der deutschen Wirtschaft betreffen können“, sagt Armin Heider, Bereichsleiter International der IHK Bonn/Rhein-Sieg.  Deshalb soll die Umfrage der Einstellung von kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Übernahme von mehr Verantwortlichkeiten zur (möglichen) Reduzierung von Verfehlungen im Bereich der Menschenrechte bei wirtschaftlichen Zusammenhängen nachgehen.

Um der Verwirklichung der Ideen des LKG näher zu kommen, sollten aus Sicht der Unternehmen eine enge Anbindung der Lieferanten erfolgen, beispielsweise durch regelmäßige Besuche, Verpflichtung zur Zertifizierung und Auditierung, dezidierter Auswahl der Lieferanten und regelmäßige Lieferantenbesuche. Entsprechende Vereinbarungen sollten in den Verträgen aufgenommen werden.  Dabei sollte auch auf eine ´faire´ Bezahlung geachtet werden, die Zeiten des ´Geiz ist geil´ seien doch vorüber. 58 Prozent der Unternehmen setzen sich heute schon für die ISO-Zertifizierung ihrer direkten Lieferanten ein. 53,1 Prozent der Unternehmen haben mehr als drei Lieferanten in ihrer Kette und 71,8 Prozent von allen Teilnehmern kennen nicht alle Vorlieferanten.

An positiven Effekten durch das LKG sehen 48,3 Prozent Vorteile bei Werbemaßnahmen, für 20 Prozent würde das Lieferkettengesetz kein Mehraufwand bedeuten, da sie den möglichen Verpflichtungen bereits heute nachkommen. Insgesamt sehen bis zu 96,8 Prozent der Teilnehmer Ansätze, auf die Einhaltung der Menschenrechte hinwirken zu können, auch ohne strikte Vorgaben der Art und Weise, wie dies zu geschehen habe, befolgen zu müssen. Eine große Mehrheit von 84,3 Prozent der Umfrageteilnehmer stimmten zu, dass die Einhaltung der Menschenrechte inklusive Arbeitsrechtnormen primär von den im jeweiligen Land zuständigen Behörden sicherzustellen sei und dass die deutsche/europäische Politik sich dafür einsetzen solle, dass die lokalen Behörden dies auch leisten. 

Von den Teilnehmern gaben 25 Prozent an, mit dem Inhalt des LKG vertraut zu sein, 53 Prozent hatten davon gehört und 22 Prozent ist es noch überhaupt nicht zu Ohren gekommen.

Hintergrund:

Bereits im Juni 2011 verabschiedeten die Vereinten Nationen die „Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ mit Pflichten und Verantwortungsbereichen für Staaten und Unternehmen zum Schutz der Menschenrechte. Darauf basierend regte die EU-Kommission an, die Prinzipien in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland wurde so der „Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) im Jahr 2014 zur Umsetzung der Leitprinzipien entworfen, welcher vollständig auf Freiwilligkeit beruht. Nach mehrfachem Monitoring der Unternehmen durch die Bundesregierung mit unzureichenden Ergebnissen wurde in Deutschland die Notwendigkeit gesehen, die Forderungen der UN in ein Gesetz zu fassen und die Eckpunkte des „Sorgfaltspflichtengesetzes“ wurden geboren.

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