Unsere Knochen verfügen über Sinnesfühler, die auf Druck reagieren und miteinander kommunizieren: „Diese Mechanosensoren ermöglichen, dass Knochen dort angebaut wird, wo er mechanisch nötig ist und anderswo abgebaut wird“, sagt Richard Weinkamer von der Abteilung Biomaterialien. Dem Rätsel, wo sich diese Mechanosensoren befinden, kamen die Forscher einen entscheidenden Schritt näher: Ein im Inneren des Knochens in einem Kanalsystem verborgenes Zellnetzwerk „spürt“ äußeren Druck.

Das funktioniert, indem die Belastung auf den Knochen in einen Flüssigkeitsfluss durch dieses Netzwerk von feinen Kanälen übersetzt wird. Zwischen der untersuchten Netzwerkarchitektur und dem neuronalen Netzwerk im Gehirn bestehen Ähnlichkeiten. Möglicherweise können daraus Rückschlüsse auf Krankheiten wie Osteoporose oder Arthrose gezogen werden, bei denen das Netzwerk eine veränderte Architektur aufweist.

Knochen lassen sich wie ein Muskel trainieren. Im Zuge der Studie untersuchten Forscher in Montreal Mäuseknochen, die ein kontrolliertes „Knochentraining“ durchlaufen haben. In Potsdam nutzten Weinkamer und sein Team konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie, um das Zellnetzwerk der trainierten Knochen in 3D abzubilden. Diese Bilddaten verwendeten sie zur Analyse und Bewertung von Netzwerken mit Millionen von Kanälen mittels Computersimulationen, die den Flüssigkeitsfluss durch das Netzwerk berechnen: „Auf Grund unserer Ergebnisse, sind wir überzeugt, dass die Knochenzellen innerhalb der Netzwerke den Flüssigkeitsfluss wahrnehmen können, miteinander kommunizieren und so Informationen wie ‚Knochenwachstum‘ an andere Zellen weitergeben“, sagt Alexander van Tol. Er fügt hinzu: „Die untersuchten Mäuse haben unterschiedlich stark auf das Knochentraining reagiert. Eine Maus, die besonders wenig neuen Knochen produziert hat, verfügt über ein Netzwerk, dessen Architektur nur einen langsamen Flüssigkeitsfluss zulässt.“ Er ergänzt: „Daher glauben wir, dass auch für den Menschen gilt: Knochen lässt sich durch sportliche Betätigung besonders gut kräftigen, wenn die Netzwerkstruktur innerhalb des Knochens ,mitspielt‘.“ Mit dieser Studie erfolgte erstmals eine Bewertung der Qualität der Netzwerkarchitektur in Bezug auf die Wahrnehmung mechanischer Reize.

Beteiligte Wissenschaftler

Seit 2003 ist Dr. Richard Weinkamer als Biophysiker und Materialforscher am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung tätig. In der Abteilung Biomaterialien leitet er eine fünfköpfige Forschungsgruppe. Seine Forschungsgebiete umfassen unter anderem mechanobiologische Systeme wie Knochen und Computermodellierung von Wachstum, Mechanik und Anpassung von Biomaterialien.

Dr. Alexander Franciscus van Tol forscht in der Abteilung Biomaterialien in der Gruppe von Richard Weinkamer und ist Erstautor der wissenschaftlichen Studie. Er hat medizinische Physik studiert und Anfang November dieses Jahres erfolgreich seine Dissertation über die Bedeutung von Netzwerkarchitekturen im Knochen verteidigt. 

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