Der Umweltverband Naturschutzinitiative e.V. (NI) hat der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein und dem LANUV erneut weitere Haselhuhnnachweise vorgelegt, nachdem diese behauptet hatten, dass nach einem zuletzt von der NI vorgelegten Spurnachweis von keinem Haselhuhnvorkommen am Kuhlenberg auszugehen sei. Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI und Dipl.-Ing. agr. Gerhard Bottenberg, Haselhuhnkenner des Umweltverbandes Naturschutzinitiative e.V. (NI) widersprechen damit der Einschätzung der Fachbehörden, da in den letzten Wochen weitere Nachweise erzielt wurden.

„Wir sind auch irritiert von der „eindeutigen“ Ablehnung des Nachweises, da zuvor ein namhafter und anerkannter Wissenschaftler und Autor von Spurenbüchern, Dr. Franz Müller, die Interpretation als „Haselhuhnspur“ bestätigt hatte und das Gebiet entgegen der Darstellung der Kreisverwaltung eine vergleichsweise gute Eignung als Haselhuhn-Lebensraum aufweist.

Der gesamte Höhenzug „Kuhlenberg“ zwischen Freudenberg und Dirlenbach wurde von der Naturschutzinitiative e.V. (NI) im Jahre 2020 einer erneuten Habitatbewertung unterzogen, deren Ergebnisse der Kreisverwaltung zur Verfügung gestellt wurden. „Es liegen zwar nicht mehr die optimalen Voraussetzungen wie Mitte des letzten Jahrhunderts vor, wo große Teile des Süderberglandes vom Haselhuhn besiedelt waren. Als Ergebnis kann aber festgehalten werden, dass sehr wohl noch eine ausreichende Habitateignung und Habitatvernetzung für das Haselhuhn besteht“, so Dipl.-Ing. agr. Gerhard Bottenberg.

Verwundert ist der Umweltverband auch darüber, dass seitens des Kreises weder die zitierten „Haselhuhnexperten“ namentlich genannt werden noch deren Ergebnisse zur Verfügung gestellt wurden. Dies gehöre aber zu einem wissenschaftlich fundierten und transparenten Diskurs dazu. Die Naturschutzinitiative (NI) habe diese Informationen daher bei der Kreisverwaltung und dem LANUV nachgefordert.

Hinzu komme, dass die Ausführungen der Kreisverwaltung kritisch zu hinterfragen seien, nachdem die seitens des LANUV NRW ergänzend kontaktierten Behörden in den angrenzenden Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz für die letzten Jahre keinen Nachweis eines Haselhuhn-Fundes für den die Landesgrenzen überschreitenden Raum bestätigen konnten. Biologe Vollmer, der eine Recherche zu aktuellen Haselhuhnbeobachtungen durchführte, hinterfragt, ob es überhaupt Untersuchungen dieser Bundesländer gegeben habe, die eine solche Behauptung für einen so großen Raum rechtfertigen können. „Wenn z.B. die aktuelle Verbreitungskarte aus dem Artenschutzportal des Landesamtes für Umwelt Rheinland-Pfalz noch das Haselhuhn aus 77 Kartenblättern vermeldet und der aktuelle Steckbrief zur Art 200-240 Brutpaare für Rheinland-Pfalz vermerkt, bekommt man eher den Eindruck, dass auf Landesebene keine Übersicht besteht“, so Immo Vollmer.

Entsprechend einer Recherche der NI existieren sowohl in NRW als auch Rheinland-Pfalz  noch einige vertrauenswürdige Fundmeldungen aus den letzten 3-5 Jahren für das hiesige Siegerland – auch aus Untersuchungen von Planungsbüros.

Nach Biologe Immo Vollmer ist es auch ein Problem, dass angesichts der Seltenheit der Art die Hürden für die Anerkennung von Haselhuhnbeobachtungen durch „avifaunistische Seltenheitskommissionen“ so hoch gelegt wurden, dass die Fachleute praktisch keine Beobachtung aus den letzten 10 Jahren mehr anerkennen möchten. „Da es in dieser Zeit das Haselhuhn eindeutig noch gegeben hat, taugen bei dieser Art die Kriterien nicht zur Bestandsmessung, führen aber im Gegenschluss dazu, dass keine Hilfsmaßnahmen ergriffen werden“, so der Vorwurf des NI-Biologen.

Die NI hat für das Gebiet am Kuhlenberg/Freudenberg dem LANUV und der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein erneut mehrere aktuelle Sicht- und Spurnachweise mehrerer sachkundiger Personen zur Diskussion und Bewertung vorgelegt.

„Aufgrund der Detailliertheit der neuen Angaben muss von einer hohen Validität der Daten ausgegangen werden, so dass in der Gesamtschau der Nachweise und der noch ausreichend bestehenden Habitateignung von einem Vorkommen der Art Haselhuhn ausgegangen werden muss“, betone Biologe Immo Vollmer.

Die entscheidende Frage aber sei, ob das Haselhuhn hier noch mit annähernd hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen könne, so der Umweltverband.

Da das Haselhuhn eine streng geschützte Anhang 1 Art der EU-Vogelschutzrichtlinie sei, müsse nach europäischem Recht gerade in der aktuellen Situation alles getan werden, um das Aussterben dieser Art zu verhindern. „Es nährt sich der Eindruck, dass unter den konkurrierenden Entwicklungsinteressen vorschnell das Buch „Haselhuhn“ zugeklappt werden solle und im übertragenen Sinn darauf verzichtet wird‚ einem Ertrinkenden einen Rettungsring zuzuwerfen“, erklärten Gerhard Bottenberg und Immo Vollmer.

Die NI erwartet jetzt von der LANUV aufgrund des neu vorgelegten Materials eine erneute und direkte Antwort sowie eine Revision der erfolgten Meldung. „Wir fordern daher eine schnelle Ableitung von Schutzmaßnahmen für das Haselhuhn im betroffenen Freudenberger Raum und eine Nachmeldung als europäisches Vogelschutzgebiet („Wälder bei Freudenberg“)“, so Harry Neumann, Landesvorsitzender NRW der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

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