Die weltweite Corona-Pandemie hat auch den jahrelangen erfolgreichen Kurs der Rostocker Tourismuswirtschaft stark ausgebremst. Innerhalb eines Jahres sind die Übernachtungszahlen um ein Drittel zurückgegangen. Der zweite Lockdown und die damit einhergehende Schließung der Beherbergungseinrichtungen und der Gastronomie sind ein herber Rückschlag für die touristischen Leistungsträger der Region. Viele Existenzen und Arbeitsplätze sind akut bedroht.

„Wir fordern eine klare Perspektive, damit eine der wichtigsten Branchen des Landes, die Unternehmen sowie die Beschäftigen eine Zukunft haben. Rostock braucht einen starken Tourismus. Wir setzen gerade alles aufs Spiel, was in den vergangenen Jahren aufgebaut worden ist“, sagte Tourismusdirektor Matthias Fromm angesichts der aktuellen Lage.

Die Corona-Krise führte nach den ersten beiden Jahren mit über 2 Millionen Übernachtungen 2018 und 2019 zu einem drastischen Absturz in der Bilanz. Verzeichnete die Hanse- und Universitätsstadt 2019 noch einen Rekordwert von 2.288.907 Übernachtungen, so konnten im vergangenen Jahr nur noch 1.522.359 Beherbergungen gezählt werden. Dieser Rückgang von 33,5 Prozent bei den Übernachtungen wirkt sich auch massiv auf alle weiteren Bereiche des wirtschaftlichen Lebens in Rostock negativ aus. Von den 1.522.359 Übernachtungen entfielen 868.454 (-34%) auf das Seebad Warnemünde. Die Zahl der Gästeankünfte reduzierte sich insgesamt sogar fast um die Hälfte von 829.222 im Jahr 2019 auf 485.139 im Vorjahr. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer erhöhte sich dagegen leicht und betrug im vergangenen Jahr 3,1 Tage in Rostock bzw. 3,7 Tage in den Seebädern. Besonders herbe Einbrüche gab es zudem bei der Zahl der Auslandsgäste: konnte Rostock 2019 noch 168.252 internationale Gäste begrüßen, so sank die Zahl 2020 um mehr als 60 Prozent auf 65.238. Auch hier wurde ein erfreulicher Aufwärtstrend der letzten Jahre gestoppt. Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock verfügt insgesamt über 130 Hotels, Jugendherbergen, Pensionen und Campingplätze mit 15.757 Schlafplätzen, von denen im vergangenen Jahr allerdings ein Großteil zeitweise komplett geschlossen war.

Dauerlockdown ist keine Lösung

„Auch wenn es insbesondere im Sommer durchaus starke Monate gab, die aus touristischer Sicht sehr erfolgreich waren, konnten die Verluste dadurch nicht aufgefangen werden“, so Fromm weiter. „Die Entwicklung war zunächst mehr als vielversprechend. Zu Beginn des Jahres 2020, im Januar und Februar, sowie im September kamen sogar mehr Gäste als im Rekordjahr 2019 nach Rostock. Nun steuern wir auf das erste halbe Jahr zu, in dem der Tourismusbranche komplett die Grundlage entzogen worden ist. Wenn es jetzt nicht zu einem Kurswechsel kommt, werden die Schäden irreparabel sein und uns um viele Jahre zurückwerfen“, befürchtet der Tourismusexperte. „Der Dauerlockdown ist jedenfalls keine Lösung.“

Dem schloss sich Frank Martens, Vorstandsvorsitzender des Tourismusvereins Rostock & Warnemünde e. V., an. „Während wir im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Stadt und Rostock Marketing im engen Austausch mit der Politik standen und zusammen wirksame Konzepte für einen sicheren Tourismus unter Corona-Bedingungen entwickelt und umgesetzt haben, findet jetzt praktisch kein Dialog mehr statt. Die Politik hat eine der wichtigsten Branchen im Land komplett abgemeldet und sich selbst überlassen“, kritisierte der Vereinsvorsitzende. Dabei sei längst wissenschaftlich erwiesen, dass die Hotellerie oder Gastronomie keine Infektionstreiber sind. „Die Schutzmaßnahmen, die sich im letzten Jahr gut bewährt haben, haben weiter Bestand und sind sogar noch erweitert worden. Die Touristiker tun alles, um die Sicherheit für Gäste und Einheimische zu gewährleisten“. Umso unverständlicher ist für ihn die fehlende Reaktion seitens der Entscheidungsträger. „Die Stimmung in der Branche und bei den Mitarbeitern ist angesichts der totalen Sprachlosigkeit der Politik katastrophal. Wenn jetzt nichts passiert, wird sich die Tourismuslandschaft in Rostock deutlich ausdünnen“, erklärte Martens. „Der einzige Hoffnungsschimmer sind die treuen Stammgäste, die uns unermüdlich signalisieren, dass sie sofort nach Aufhebung der Corona-Maßnahmen wiederkommen werden.“

Touristiker sind startbereit

Trotz Dauerlockdowns ist die Branche nicht untätig, betonte der Tourismusdirektor. „Viele Unternehmen haben die Zwangspause für Modernisierungsarbeiten genutzt und mit teils hohem Aufwand Hygienekonzepte für einen sicheren Tourismus weiterentwickelt. Wir sind optimistisch, dass es bald wieder losgeht und bereiten unter Hochdruck die Wiederöffnung vor. Es gibt viele bewährte und neue Möglichkeiten, trotz weiterer Infektionen sicheres Reisen zu ermöglichen.“ Dazu zählen vor allem die touristischen Hygienekonzepte, die Einhaltung der AHA-Regeln, die digitale Kontaktnachverfolgung durch die luca-App, eine intensive Teststrategie und das Impfen.

„Mit der vom Landestourismusverband MV (TMV) und dem DEHOGA MV erarbeiteten Konzeption liegt seit längerem schon ein konkreter Stufenplan für einen vorsichtigen Re-Start des Tourismus vor, der auch eine Wiedereröffnung zu Ostern realistisch macht. Bei der Umsetzung der Maßnahmen und dem Neu-Start stehen wir Seite an Seite mit unseren touristischen Leistungsträgern. Jetzt ist es an der Politik, wieder Planungssicherheit für das Jahr 2021 zu schaffen.“

Die große Bedeutung des Tourismus für die Hansestadt Rostock verdeutlicht sich in den in der Tourismuskonzeption 2011 erhobenen Zahlen, die mit wachsenden Übernachtungen bis einschließlich 2019 noch gesteigert werden konnten. Die Branche erwirtschaftet einen Bruttoumsatz von knapp 0,5 Milliarden Euro. Branchenübergreifend profitieren Gastgewerbe, Einzelhandel und Dienstleistungen wie Kultur, Freizeit und Verkehr von den Ausgaben der Gäste. Aus dem touristischen Einkommensbeitrag lässt sich ein Beschäftigungseffekt von 15.000 Personen ableiten. Gleichzeitig erbringt die Branche 7,3 Prozent des gesamten Primäreinkommens der Hansestadt Rostock und trägt damit erheblich zur Sicherung von Beschäftigung und Einkommen bei. Nicht nur monetär wirkt sich der Tourismus positiv auf die Stadt aus: so leiten sich Bekanntheitsgrad und Image ebenfalls maßgeblich aus der touristischen Attraktivität ab.

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