Rechte Gewalt und neonazistischer Terrorismus stellen viele europäische Länder vor Herausforderungen. Bislang wird das komplexe Phänomen jedoch überwiegend aus nationaler Perspektive betrachtet. Mit dem Projekt „Unzivilgesellschaft“ erweitern die Goethe-Institute in Brüssel, Budapest, Mailand und Oslo den Diskurs und suchen nach europäischen Antworten. Im Rahmen des Projekts wird unter anderem eine vierteilige Online-Diskussionsreihe veranstaltet, das nächste Künstler*innengespräch findet am 27. Mai zwischen den Filmemacher*innen Mala Reinhardt und Bence Fliegauf statt.

Die NSU-Anschläge oder die Attentate in Halle, Hanau und auf der norwegischen Insel Utøya, die Mordserie an Roma in Ungarn oder der rassistische Anschlag im italienischen Macerata: Rechtsextremismus und Terrorismus sind in vielen europäischen Ländern präsent. Für eine gesamteuropäische Perspektive auf die Problematik wird im Rahmen des Projekts „Unzivilgesellschaft“ eine Reihe digitaler Künstler*innengespräche durchgeführt. Am Donnerstag, den 27. Mai 2021 um 19 Uhr (MESZ) treffen sich die Filmemacher*innen Mala Reinhardt und Bence Fliegauf online. Moderiert wird die Diskussion von Matthias Dell. Die Veranstaltung ist über den YouTube-Kanal des Goethe-Instituts auf Deutsch und Englisch zu verfolgen: www.goethe.de/youtube.

Mala Reinhardt hat für ihre vielbeachtete Dokumentation „Der zweite Anschlag“ mit Betroffenen von rassistisch motiviertem Terror sowie deren Angehörigen gesprochen. Diese lässt Reinhardt im Film ausgiebig zu Wort kommen und rückt damit eine Perspektive in den Vordergrund, die in der medialen Aufarbeitung oftmals nur eine Nebenrolle spielt. Der Film zeigt auch Strategien und Instrumente ihrer Vernetzung und Selbstorganisation, wie etwa das Tribunal „NSU-Komplex auflösen“, das 2017 in Köln stattfand.

Der ungarische Regisseur Benedek „Bence“ Fliegauf erzählt in seinem Spielfilm „Csak a szél-Nur der Wind“ vom prekären Alltag einer ungarischen Roma-Familie, deren Nachbar*innen von Rechtsextremisten ermordet wurden. Fliegauf wählte eine neonazistische Mordserie an Roma in den Jahren 2008/09 in Ungarn als Ausgangspunkt für seinen Film. Detailliert zeigt er einen Tag im Leben der ungarischen Familie, der beherrscht wird von einem Ereignis vom Vortag: Dem Mord an ihrer Nachbarsfamilie durch eine rechtsextreme paramilitärische Gruppe.

Zusätzlich zur Diskussion wird vom 24. bis 30. Mai 2021 auf der VOD-Plattform des Goethe-Instituts der Film „Der zweite Anschlag“ (Mala Reinhardt, 2018) als kostenloser Online-Stream angeboten.

Sprache: Deutsch, mit Untertiteln in Englisch.

Streaming-Link: https://belg.goethe-on-demand.de/

Auch der Film „Just the Wind“ von Bence Fliegauf ist vom 26. bis 27. Mai 2021 kostenlos online zu sehen.

Sprache: Ungarisch, mit Untertiteln in Deutsch.

Streaming-Link: https://belg.goethe-on-demand.de/

Das für den 28. April vorgesehene und ausgefallene digitale Künstler*innengespräch mit Henrike Naumann (Künstlerin) und Christina Varvia (Forensic Architecture) wird Ende Juli nachgeholt. Der genaue Termin wird in Kürze auf der Projektwebseite bekannt gegeben: www.goethe.de/belgien/unzivilgesellschaft.

Auf dem YouTube-Kanal des Goethe-Instituts unter www.goethe.de/youtube sind auch die vorangegangenen Folgen der Gesprächsreihe weiterhin abrufbar, an denen unter anderem der Theaterregisseur Tuğsal Moğul („Die NSU-Morde: Auch Deutsche unter den Opfern“) teilnahm.

Es folgen bis September 2021 weitere digitale Gespräche und ein Theaterstück. Zum Jahresende wird es eine Ausstellung zum NSU-Komplex und eine Abschlusskonferenz in Brüssel geben.

Über die Gäste am 27. Mai

Mala Reinhardt, 1989 in Wiesbaden geboren, studiert Regie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam. Zuvor studierte sie Ethnologie in Köln, Neu Delhi und Kampala. Sie arbeitet als Regisseurin und Produzentin von Dokumentarfilmen. Ihre filmische Arbeit hat einen starken Fokus auf unerzählte Narrative und Gegenerzählungen zu öffentlichen Diskursen aus einer migrantischen und feministischen Perspektive. Ihr Dokumentarfilm „Der Zweite Anschlag“, ein freies Projekt über rechte Gewalt in Deutschland, feierte 2018 auf der DOK Leipzig im Deutschen Wettbewerb Premiere.

Benedek „Bence“ Fliegauf ist Autor, Regisseur, Produktionsdesigner und Sounddesigner und lebt in Budapest und Berlin. Geboren 1974, drehte er 2003 seinen Debütspielfilm „Forest“. Der Film wurde für die Internationalen Filmfestspiele Berlin ausgewählt, wo er den Wolfgang Staudte Preis gewann. Sein zweiter Spielfilm „The Dealer“ (2004) wurde ebenfalls für Berlin ausgewählt und gewann den Berliner Zeitung-Publikumspreis. Sein dritter Film „The Milky Way“ (2007) gewann den Goldenen Leoparden, den Hauptpreis des Internationalen Filmfestivals Locarno. Sein fünfter Film „Just The Wind“ (2012) spielte im Wettbewerb in Berlin und gewann den Großen Preis der Jury, den Amnesty International Film Preis und den Friedensfilmpreis. Sein jüngster Film „Forest-I See You Everywhere“ (2021) feierte in Berlin Premiere und gewann den Silbernen Bären für die beste Nebendarstellerin.

Matthias Dell arbeitet als Film-, Medien- und Theaterkritiker, ist freier Mitarbeiter beim Deutschlandradio, bei Zeit-Online, Cargo, epd Film, Spiegel.de und FAS. Buchveröffentlichungen: „’Herrlich inkorrekt‘. Die Thiel-Boerne-Tatorte“ (2012), „Über Thomas Heise“ (2014), „Duisburg–Düsterburg. Werner Ruzicka im Gespräch“ (2018).

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: www.goethe.de/belgien/unzivilgesellschaft

„Unzivilgesellschaft“ ist ein Projekt der Goethe-Institute Brüssel, Budapest, Mailand und Oslo in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern: Beursschouwburg Brüssel, LaVallée Brüssel, Théâtre National Brüssel, Mertek Media Monitor Budapest, Romano Teatro Budapest, Fondazione Giangiacomo Feltrinelli Mailand, Black Box teater Oslo, ASA-FF e.V. Chemnitz, Projekt „Offener Prozess“ Chemnitz.

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