Das deutsche PEN-Zentrum hat die Caselist des PEN International, seiner internationalen Dachorganisation, für das letzte Jahr veröffentlicht. Die Statistik verzeichnet 220 aktualisierte Übergriffe auf Schriftsteller, Journalistinnen und Verleger und wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten, mit denen Autorinnen und Autoren aufgrund der Pandemie konfrontiert werden, wenn sie sich unvoreingenommen äußern wollen.

„Viele Regierungen haben die Pandemie genutzt, um strengere Kontrollen und Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten durchzusetzen, Kritiker wurden unterdrückt, Journalistinnen an ihrer Arbeit gehindert. Unter dem Deckmantel von COVID-19-Vorschriften nahmen die Restriktionen leider weltweit zu“, erklärt Ralf Nestmeyer, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des deutschen PEN.

Neben neuen Fällen finden sich in der diesjährigen Statistik auch Schicksale akut bedrohter Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich jahrzehntelanger Justizwillkür ausgesetzt sehen. In der Türkei laufen noch immer Gerichtsverfahren gegen mehrere Autorinnen und Autoren sowie über 40 Journalistinnen und Journalisten, die zwischen 2009 und 2010 verhaftet wurden, und nach Jahren in Haft auf Bewährung freigelassen wurden. Ein Ende dieser Prozesse ist nicht abzusehen. In Eritrea sind fünf Schriftstellerinnen und Schriftsteller, deren Verbleib unbekannt ist, seit 2001 inhaftiert.

Während im letzten Jahr keine Autoren in Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet wurden, gehen die Morde an Journalistinnen und Journalisten weiter. Nach Angaben des Committees to Protect Journalists (CPJ) wurden 22 Medienschaffende aufgrund ihrer Berichterstattung umgebracht und somit doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Mexiko und Afghanistan gehören weltweit zu den gefährlichsten Ländern für Journalistinnen und Journalisten.

44 Schriftstellerinnen wurden inhaftiert, vor Gericht gestellt, angegriffen oder bedroht, da sie gegen Menschenrechtsverletzungen protestierten, Korruption aufdeckten, ihre Regierungen kritisierten oder die Rechte von Minderheiten verteidigten. So ist die Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin Golrokh Ebrahimi Iraee unter miserablen Bedingungen in einem iranischen Gefängnis inhaftiert, weil sie in einer unveröffentlichten Kurzgeschichte die Steinigung einer Frau schildert. In Brasilien recherchierte die Schriftstellerin Patrícia Campos Mello über eine mögliche illegale Finanzierung der Wahlkampagne des Präsidenten Jair Bolsonaro, woraufhin ihr unterstellt wurde, sexuelle Dienstleistungen für Informationen anzubieten. Das feministische Künstlerinnenkollektiv LasTesis aus Chile arbeitete mit der russischen Punkband Pussy Riot für eine Videoproduktion zusammen, in der Polizeigewalt, die Zunahme von häuslicher Gewalt aufgrund der Pandemie sowie soziale Ungleichheiten angeprangert werden. Die chilenischen Behörden erstatteten infolgedessen Anzeige wegen angeblicher Hetze und warfen den Künstlerinnen vor, zur Gewalt gegen die Polizei aufzurufen.

Die vollständige Caselist, welche jährlich die Informationen zu aktuellen Fällen bündelt und aktualisiert, mitsamt Länderberichten, Informationen zur Writers-in-Prison-Arbeit des PEN sowie der weltweiten Situation der Meinungsfreiheit ist abrufbar auf der Internetseite des deutschen PEN unter www.pen-deutschland.de/wp-content/uploads/2021/05/PEN-Case-List-2020.pdf.

Über P.E.N.-Zentrum Deutschland

Das deutsche PEN-Zentrum ist mit seinem Geschäftssitz in Darmstadt eine von weltweit über 150 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International zusammengeschlossen sind. PEN steht für Poets, Essayists, Novelists. Die ursprünglich 1921 in England gegründete Vereinigung hat sich als Anwalt des freien Wortes etabliert und gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Der deutsche PEN begleitet mit Initiativen und Veranstaltungen das literarische Leben in der Bundesrepublik. Er bezieht Stellung, wenn er die Meinungsfreiheit, gleich wo, in Gefahr sieht. Er mischt sich ein, wenn im gesellschaftlichen Bereich gegen den Geist seiner Charta verstoßen wird.

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