Kann der Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen und damit auch Autobahnen in Deutschland rechtssicher gestoppt werden? Ein Rechtsgutachten der Rechtsanwältin Cornelia Ziehm im Auftrag des NABU beantwortet diese Frage positiv. Der aktuelle Bedarfsplan ist nach heutigen Standards nicht hinreichend auf seine Vereinbarkeit mit den Zielen des Klimaschutzes oder des Flächenverbrauchs überprüft worden. Dies müsse nun nachgeholt werden, um eine weitere Versiegelung von Flächen, die Zerschneidung wertvoller Naturräume sowie zu hohe Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors zu vermeiden, so der Umweltverband. Durch das sogenannte Autobahnmoratorium, also ein zeitweises Aussetzen weiterer Bauvorhaben, kann Zeit für die notwendigen Anpassungen des Bundesverkehrswege- und Bedarfsplans gemäß bestehender Umwelt- und Klimaschutzziele gewonnen werden.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Natur darf nicht weiter für überflüssigen Straßenbau zerstört werden. Mit dem aktuellen Bundesverkehrswegeplan wird ein klima- und naturfeindlicher Status betoniert. Wir brauchen daher jetzt den Baustopp, um die Zeit für eine bedarfsgerechte Neuplanung zu gewinnen und Klima- und Artenschutz ins Zentrum des Handelns zu rücken. Da rechtlich keine Hindernisse bestehen, sind Bundestag und Bundesregierung aufgefordert, so schnell wie möglich eine Baupause einzuleiten. Dazu könnte das Fernstraßenausbaugesetz mit einem Vorbehalt versehen und vorgesehene Finanzmittel im Bundeshaushalt zurückgestellt oder für den Erhalt umgewidmet werden. Dies wäre ein konkreter Schritt, um die zuletzt nochmals verschärften Klimaziele endlich mit entsprechenden Maßnahmen im Verkehrssektor zu unterlegen und damit in die Umsetzung zu kommen. Hier müssen die Parteien erklären, wie sie sicherstellen, dass die notwendige Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplans zum Rückgrat der anstehenden Mobilitätswende wird. Ansonsten werden weiter Steuermilliarden für unsinnige Infrastrukturprojekte verschwendet und obendrauf der Umwelt und Artenvielfalt erheblich geschadet.“

Daniel Rieger, Leiter Verkehrspolitik: „In Bezug auf die tatsächlichen Umweltauswirkungen geplanter Verkehrsinfrastruktur befinden sich Bundesregierung und Behörden im Blindflug. Weder der Bundesverkehrswegeplan, noch der aktuelle Bedarfsplan wurden im Zuge der Strategischen Umweltprüfung im Jahr 2016 auf ihre Vereinbarkeit mit dem Pariser Klimaschutzabkommen oder den Flächenverbrauchszielen der Bundesregierung geprüft. Auch Landnutzungsänderungen durch die Zerstörung natürlicher CO2-Senken wie Wälder und Moore sind nicht eingepreist. Aus heutiger Sicht absolut unvorstellbar und ein schweres Versäumnis. Das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts erhöht hier nochmals den Handlungsdruck. Das jetzt vorliegende Rechtsgutachten zeigt, dass man diese Geisterfahrt sofort und rechtssicher stoppen kann.“

Das Rechtsgutachten argumentiert, dass es mit dem Bundesverkehrswegplan keine verbindlichen zeitlichen Vorgaben oder sonstige gesetzliche Durchführungspflichten gibt, die in den kommenden Jahren den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen verlangen. Zudem hätten sich die umweltrechtlichen Rahmenbedingungen im Vergleich zur ursprünglichen Umweltprüfung im Jahr 2016 deutlich verändert, so dass diesem Umstand im Zuge der aktuell laufenden Bedarfsplanüberprüfung Rechnung getragen werden müsse. Mindestens bis zum Abschluss der aktuell laufenden Bedarfsplanüberprüfung sollten keine neuen Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Laufende Planfeststellungsverfahren sollten ausgesetzt und auf die Realisierung bereits planfestgestellter Bundesfernstraßen vorerst verzichtet werden. Dafür müsse ein Vorbehalt im Fernstraßenausbaugesetz verankert werden, sodass für neue und laufende Planfeststellungsverfahren keine Planrechtfertigung gegeben ist, da die Klima- und Flächenschutzziele nicht eingehalten werden. Die vorgesehenen Finanzmittel seien im Bundeshaushalt zurückzustellen, nicht zu bewilligen oder für den Erhalt bestehender Infrastruktur umzuwidmen.

Für die Autobahn A26 Ost fordert der NABU Hamburg entsprechend des Rechtsgutachtens ein Aussetzen der Planung. „Die Bewertung der A26 Ost basiert auf einem Kosten-Nutzenverhältnis, das einerseits weder die stagnierende Hafenentwicklung und eine politisch postulierten Verkehrswende weg von Pendlerströmen des motorisierten Individualverkehrs abbildet. Andererseits sind die erheblichen negativen Klima- und Umweltwirkungen bei der fast zwei Dekaden alten Planung nicht vernünftig berücksichtigt“, moniert Malte Siegert, Vorsitzender vom NABU Hamburg. Der NABU fordert Bürgermeister Tschentscher deswegen erneut auf, sich im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation des CO2-intensiven Verkehrssektors beim Bundesverkehrsministerium für den Stopp der Stadtautobahn A 26 Ost einzusetzen.

Link zum Gutachten: www.NABU.de/rechtsgutachten-autobahn

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