Die dänische Choreographin Mette Ingvartsen sezierte mit ihrer international gefeierten Serie der ›Red Pieces‹ effektvoll das Wechselspiel von Körperlichkeit, Erotik, Gender-Zuschreibungen und Gewalt. Mit ihrem neuen Stück ›The Dancing Public‹ (24. & 25.09.), das bei PACT seine Premiere feiert, widmet sich die Künstlerin nun dem Phänomen der Tanzwut – einer vermeintlichen Krankheit, die Menschen zu kollektiven Bewegungsausbrüchen verleitet.

Unkontrolliert beginnen Menschenmengen sich ekstatisch zu bewegen – ein hoch ansteckendes und ebenso verdächtiges Phänomen, wie historische Beobachter:innen schildern. Vom Mittelalter bis in die Neuzeit wurden hinter den Ausbrüchen der Tanzwütigen verschiedene Gründe vermutet, die von teuflischer Besessenheit bis zum vermeintlichen Krankheitsbild der „Hysterie“ reichten. Die Tatsache, dass die unbändige Bewegungslust rasch überzuspringen schien, ließ jene nur noch furchteinflößender erscheinen. Welche überwältigende Wirkung ein tanzender Körper – umso mehr eine sich bewegende Masse – entfaltet, erforscht Mette Ingvartsen vor dem Hintergrund der Geschichte der Tanzwut in ›The Dancing Public‹. Warum entwickelt sich aus der raumgreifenden Gegenwart kollektiv bewegter Körper eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung? Welche Strukturen geraten im Moment des Bewegungsrausches ins Wanken? Hinter dem Anschein einer empfindlichen Störung der öffentlichen Ordnung verbirgt sich, so sieht es Ingvartsen, ein Körper, der sich frei tanzt: frei von der Bedrohung durch Katastrophen, Krankheit und Armut. Ein Körper, tanzend im Dissens.

Indem sie Momente der Tanzwut und der Bewegungsekstase aus der Vergangenheit aufruft, erkundet Ingvartsen zugleich unsere von der Isolation der Pandemie geprägte Gegenwart. In einer intensiven Mischung aus unaufhaltsamen Bewegungen, unaufhörlicher Musik und rasanten Rhythmen aus Worten und Gesängen sprengt ihr Solo die soziale Isolation des Jahres 2020. Zwischen erschöpfender körperlicher Raserei und gesprochener Poesie stellt Ingvartsen Fragen an das Potential kollektiver Tanzwut: Kann ein Tanz den sozialen Körper des Publikums entführen und umgestalten? Sind wir bereit, wieder berauscht vom Leben zu sein?

Über Mette Ingvartsen
Die Choreographin und Tänzerin Mette Ingvartsen (DK/BE) lebt und arbeitet in Rennes und Brüssel. 2004 schloss sie ihr Studium bei der renommierten Schule P.A.R.T.S. (Brüssel) ab und entwickelt seit 2002 eigene Projekte, u.a. ›Manual Focus‹, ›50/50‹, ›to come‹, ›Why We Love Action‹, ›It’s in the air‹ und das YouTube-Projekt ›Where is my privacy‹. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit Perspektivwechseln und der Wahrnehmung des Körpers in unterschiedlichen Präsentationsrahmen. Neben ihrem künstlerischen Schaffen arbeitet Mette Ingvartsen an Rechercheprojekten zu Produktionsfragen der Performing Arts mit. So wirkte sie 2008 an einem Projekt mit Jan Ritsema und Bojana Cvejic mit und nahm an dem von Xavier Le Roy und Bojana Cvejic initiierten ›6M1L – SIX MONTHS ONE LOCATION‹ teil. Sie ist außerdem Mitglied des Kollektivs COCO’S, das 2008 die Arbeit ›Breeding, Brains and Beauty‹ präsentierte. Ihre Arbeiten ›Giant City‹ und ›Evaporated Landscapes‹, die beide 2010 bei PACT Zollverein zu sehen waren, sowie die Produktion ›The Artificial Nature Project‹, die 2012 bei PACT uraufgeführt wurde, befassen sich mit der Idee künstlicher Natur. Auch ›69 positions‹, erster Teil ihrer Reihe ›Red Pieces‹ zu Überlegungen über die politischen Dimensionen von Sexualität, feierte seine Uraufführung im Oktober 2014 bei PACT Zollverein. Mit ›7 pleasures‹ folgte im April 2016 der zweite Teil der Reihe, mit ›21 pornographies‹ 2017 der dritte. Im Rahmen der Ruhrtriennale 2021 präsentiert die Künstlerin im Museum Folkwang in der Ausstellung ›Global Groove‹ (13.08.–14.11.) die Performance ›The Life Work‹. Mit ›The Dancing Public‹ bringt sie 2021 bei PACT ihre jüngste Arbeit zur Uraufführung.  /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:12.0pt; font-family:Calibri; mso-ascii-font-family:Calibri; mso-ascii-theme-font:minor-latin; mso-hansi-font-family:Calibri; mso-hansi-theme-font:minor-latin; mso-fareast-language:EN-US;}

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