Die neuseeländische Zentralbank hat am 7. Oktober den Einlagenzinssatz von 0,25 % auf 0,50 % erhöht. Die Notenbanker gehen davon aus, dass die Leitzinsen in Neuseeland 2,00 % bis Ende 2023 erreichen werden. Für diesen Zeitraum liegt der vom Markt erwartete Leitzins bei 1,75 %. Die Rendite 10-jähriger neuseeländischer Staatsanleihen lag Ende vergangener Woche bei 2,12 % und damit auf dem höchsten Stand seit Jahresbeginn. In letzter Zeit war die Nachfrage nach diesen AAA-Staatspapieren solide, während sich der „Kiwi-Dollar“ weitgehend unanfällig zeigte. Eine interessante Konstellation für eine Qualitäts-Diversifikatons-Strategie. Wir erhalten gerade auch einen Vorgeschmack darauf, wie sich langfristige Anleihen verhalten, sobald ein Zinserhöhungszyklus einsetzt.

Die polnische Zentralbank hat viele überrascht, indem sie den Leitzins um 40 Basispunkte auf 0,50 % anhob, als die Inflation 5,8 % erreichte. Polen schließt sich der ungarischen und tschechischen Zentralbank an und zieht die Liquiditätsbremse an. Interessanterweise haben auch die peruanische und die russische Notenbank beschlossen, die finanziellen Bedingungen zu verschärfen.

Das Inflations-Narrativ hat bei vielen Zentralbanken der zweiten und dritten Reihe eindeutig zu einer präventiven Reaktionsfunktion geführt. Die Zentralbanken der Schwellenländer versuchen, ihre Glaubwürdigkeit zu wahren; sie müssen sich losgelösten Inflationserwartungen entgegenstellen. Das ist ihre Schwachstelle. Aber was passiert, wenn auch die Zentralbanken der Industrieländer die Zügel anziehen, wie es in letzter Zeit der Fall war? Es wird deutlich, dass sich die Reihenfolge der Maßnahmen umgekehrt hat. Es war die FED, die Ende 2008 ein groß angelegtes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten startete. Die japanische Notenbank, die Bank of England und die EZB folgten diesem Beispiel in den darauffolgenden sieben Jahren. Erst eine globale Pandemie veranlasste die Zentralbanken der zweiten und dritten Reihe, ähnliche unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen. Neuseeland und Australien führten explizite Maßnahmen zur Steuerung der Renditekurve ein. Auch viele Zentralbanken der Schwellenländer unternahmen geldpolitische quantitative Experimente. Diese Entwicklungen machen ein Last-In-First-Out-Prinzip (LIFO) deutlich.

Die FED und die EZB können es sich erlauben, länger zu warten, bevor sie ihre quantitativen Programme auslaufen lassen bzw. sich von der Null- oder negativen unteren Zinsgrenze entfernen. Wirtschaftsindikatoren zeigen, dass das Wachstum im dritten und vierten Quartal unterdurchschnittlich ausfallen könnte. Der Höhepunkt des Wachstums könnte im ersten Halbjahr 2021 erreicht worden sein. Dieses Ergebnis könnte sich in der kommenden Woche auf der Jahrestagung des IWF bestätigen. Neben Wachstums- und Inflationsprognosen für die Jahre 2022 und 2023 wird höchstwahrscheinlich bekanntgegeben, dass die Inflation im vierten Quartal ihren Höhepunkt erreichen wird, aber gegen Mitte 2022 an Fahrt verliert. Die in Washington ansässige Institution wird sich der Meinung der FED einer „vorübergehenden Inflation“ anschließen.

Dennoch deuten die US-Inflationserwartungen mit einem schnellen Anstieg in der vergangenen Woche auf sorgenvolle Marktteilnehmer hin. Die 10-jährigen US-Breakeven-Renditen durchbrachen den Widerstand und schlossen bei 2,51 %. Wir befinden uns damit immer noch im taktischen Bereich. Ein Test der 2,75 %-Marke könnte bevorstehen, wie es während der Inflationsangst 2004/2005 der Fall war. Das Risikoszenario besteht in einem energischen und plötzlichen Überschreiten des 15-Jahres-Hochs und dem Versuch, die 3,00 %-Schwelle zu erreichen. Das sollte die FED verunsichern. Dies war in der vergangenen Woche bei inflationsgebundenen britischen Staatsanleihen der Fall. Die 10-jährige Inflationserwartung im Vereinigten Königreich durchbrach die Marke von 4,00 % – ein Wert, der Anfang 2008 und zwischen 1994 und 1996 erreicht wurde. Die Botschaft ist klar: Es handelt sich um einen außergewöhnlichen Umstand. Die Bank of England äußerte sich anschließend aggressiv und signalisierte den Märkten, dass jede geldpolitische Sitzung in Zukunft eine Zinserhöhung mit sich bringen könnte.

Dennoch: Einer solchen Drohung fehlt es an Glaubwürdigkeit. Es scheint, als hätten die Zentralbanken ihr Kommunikationsinstrumentarium erweitert und beschlossen, mit einer aggressiveren Tonart die Inflationserwartungen zu drücken.

Die Zentralbanken der zweiten und dritten Reihe können die Leitzinsen stark anheben und die finanziellen Bedingungen an den Rändern des Finanzsystems verschärfen. Ein solches Vorgehen würde den G4-Zentralbanken Zeit verschaffen.

Die Währungsbehörden der G4 befürchten keinen Lohndruck der zweiten Runde, während die Inflation die Kaufkraft der Verbraucher schmälert. Länder, die eine automatische Gehaltsindexierung anwenden, könnten sehen und akzeptieren, dass die Staatshaushalte länger außerhalb akzeptabler Grenzen bleiben. Tatsache ist, dass die politische Führung überhaupt nicht besorgt ist. Sie ist kreativ und erfindet kostspielige kurzfristige Maßnahmen, um sich bei Wählern beliebt zu machen. Wie zum Beispiel in Frankreich mit dem Einfrieren der Energiepreise und einem landesweiten „Winter-Energiegeld“ für bedürftige Haushalte. Studenten lernen im ersten Jahr des Wirtschaftsstudiums, dass Preiskontrollen langfristig zu schlechteren Ergebnissen führen, da ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage künstlich aufrechterhalten wird. Solche politischen Einstellungen könnten die wirkliche Ähnlichkeit mit der Inflation in den 1970er Jahren sein.

Es ist davon auszugehen, dass die G4-Zentralbanken die Finanzministerien so lange wie möglich unterstützen werden. In dem Moment, in dem die G4-Zentralbanken präventiv handeln, wie es kleinere Zentralbanken heute tun, wird über Nacht ein Rezessions-Narrativ die Oberhand gewinnen. Schon bald wird das Inflations-Narrativ durch ein Rezessions-Narrativ ersetzt werden. Letzteres wird der politischen Führung nicht gefallen. Erwarten Sie, dass die Inflationsdebatte noch bis zum ersten Halbjahr 2022 andauern wird.

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