Mit dem G20-Gipfel ab Samstag und der direkt anschließenden Weltklimakonferenz steht die internationale Klimapolitik vor zwei entscheidenden Wochen. Die G20 kann und muss nach Ansicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch am Wochenende viel tun, um der Weltklimakonferenz ab Sonntag ordentlich Rückenwind zu geben. „Die G20-Länder spielen für die Eindämmung der Klimakrise die zentrale Rolle. Sie sind für gut 75 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich und müssen dringend große Fortschritte beim Klimaschutz machen“, betont Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Zentral ist, dass sie spätestens zu Beginn des Klimagipfels in Glasgow ihre Klimaziele nachbessern. Da fehlen noch China und Indien. Zudem haben Länder wie Australien, Brasilien und Mexiko völlig inakzeptable neue Ziele vorgelegt.“

Beim G20-Gipfel stehen überdies zentrale Fragen zum Einhalten des 1,5 Grad-Limits und zum Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Energien auf der Agenda. „Die G20-Staaten müssen sich gemeinsam endgültig von der Finanzierung der Kohle im Ausland verabschieden sowie sich zum Ziel der Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts und zum 1,5 Grad-Limit bekennen. Damit würden sie das Wettrennen der Staaten und Industrie weltweit zu einer Zukunft ohne Treibhausgase deutlich beschleunigen“, sagt David Ryfisch, Co-Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.

Solche Zusagen der G20-Länder beim World Leaders Summit zu Beginn der Verhandlungen würden der COP26 einen Schub geben. Auf der Klimakonferenz lasten hohe Erwartungen. Sie findet als erste große klimapolitische Präsenzveranstaltung seit Beginn der Corona-Pandemie statt und soll dennoch sicher und für alle Teilnehmenden gut zugänglich sein.

Richtige Maßstäbe: Es geht um Verkleinerung der Lücke zu 1,5 Grad

Politisch sind die Herausforderungen nicht geringer. Zunehmende Wetterextreme weltweit, der jüngste alarmierende Bericht des Weltklimarats IPCC und die klaffende Lücke zwischen 1,5 Grad-Limit und bisherigen Klimazielen der Staaten erhöhen die Erwartungen an richtungsweisende Ergebnisse und Beschlüsse. Bals mahnt, dennoch die richtigen Maßstäbe anzusetzen: „Es wäre vermessen zu erwarten, dass die Welt nach dieser Konferenz plötzlich auf einem 1,5 Grad-Pfad ist. Das ist nicht zu schaffen. Aber es muss jetzt mit Schwung das Jahrzehnt der Umsetzung der Klimaziele beginnen. Diese Dynamik muss dann den Spielraum für regelmäßige Zielverschärfungen und einen gemeinsamen großen Schritt in fünf Jahren schaffen. Ambitionierte Klimaziele, wirkungsvolle Umsetzungsstrategien und eine Erhöhung der internationalen Klimafinanzierung insbesondere durch die Industrieländer sind dafür zentral. Es geht um möglichst große Schritte, um die Lücke zum 1,5 Grad-Limit spürbar zu verkleinern. Jedes Zehntelgrad zählt.“ Bei den Klimazielen werde vor allem auf China, Indien, Australien und Brasilien geschaut, bei der Klimafinanzierung ebenfalls auf Australien und zudem Italien.

Erwartet werden in Glasgow eine Reihe wichtiger Einigungen. Die Dynamik befördern kann das gemeinsame Bekenntnis, alle fünf Jahre gemeinsam neue Klimaziele einzureichen und zusätzlich jährlich die Möglichkeit zur Zielverschärfung zu schaffen. Wichtig ist auch eine Transparenz herzustellen, die es den Ländern selbst – aber auch der Zivilgesellschaft und dem Finanzmarkt – erlaubt, Fortschritte zu bewerten. Es müssen endlich Spielregeln zu Marktmechanismen (Artikel 6, Pariser Klimaabkommen) beschlossen werden, die verhindern, dass diese Mechanismen die Ziele von Paris untergraben.

Rennen zur Klimaneutralität hat begonnen – Deutschland vorn dabei?

Zudem wird es viel Druck geben für mehr internationale Klimafinanzierung sowie für Unterstützung angesichts der nicht mehr vermeidbaren Schäden und Verluste. „Deutliche Fortschritte in diesen Feldern und damit die Verabschiedung des Regelbuchs zum Pariser Klimaabkommen können neue Dynamik für die begonnene Transformation auslösen, die wir nun dringend brauchen“, sagt Rixa Schwarz, Co-Leiterin des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.

Für die Koalitionsverhandler:innen in Berlin wird es sich ebenfalls lohnen, nach Glasgow zu schauen. Es werden von einer Reihe von Staaten substanzielle Ankündigungen für das begonnene Jahrzehnt der Umsetzung, etwa zu einem zügigen Kohleausstieg oder auch dem Ausstieg aus fossilen Verbrennungsmotoren erwartet. Christoph Bals: „Glasgow wird zeigen, dass das internationale Wettrennen zur Klimaneutralität bereits begonnen hat. Die kommende Bundesregierung hat es in der Hand: Wird Deutschland vorne dabei sein und die neuen Maßstäbe mit setzen oder hecheln wir eher hinterher? Es geht um unsere Lebensgrundlagen weltweit – aber eben auch um den Standort Deutschland. Die neue Bundesregierung muss gleich zu Beginn ihrer Amtszeit ein 100-Tage-Programm auflegen, das auch in Deutschland das Jahrzehnt der Umsetzung der Klimaziele ernsthaft einleitet.“

Unser Hintergrundpapier zur COP26 finden Sie hier: https://germanwatch.org/de/20964

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