Die ungleiche Verteilung von COVID-19-Impfstoffen ist ein Musterbeispiel für strukturelle rassistische Diskriminierung. Denn in den wohlhabenden Ländern, die derzeit Impfstoffe herstellen und horten, leben mehrheitlich „weiße“ Menschen, während die ehemals kolonialisierten Länder, die unter mangelndem Zugang zu Impfstoffen leiden, mehrheitlich von Schwarzen, Indigenen und anderen People of Colour bewohnt werden.
In ihrer Beschwerde an den UN-Ausschuss für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) erhebt das Bündnis deshalb den Vorwurf, dass die USA, Großbritannien, Deutschland, Norwegen und die Schweiz gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung verstoßen, das von fast allen Ländern der Welt ratifiziert wurde. Es verlangt von jedem Vertragsstaat wirksame Maßnahmen, „um das Vorgehen seiner staatlichen und örtlichen Behörden zu überprüfen und alle Gesetze und sonstigen Vorschriften zu ändern, aufzuheben oder für nichtig zu erklären, die eine Rassendiskriminierung – oder dort, wo eine solche bereits besteht, ihre Fortsetzung – bewirken.“
Die USA, Großbritannien, Deutschland, Norwegen und die Schweiz haben sich jedoch geweigert, alle verfügbaren Maßnahmen zu ergreifen, um das weltweite Angebot an COVID-19-Impfstoffen und anderen Medizintechnologien zu erhöhen und einen gleichberechtigten Zugang dazu zu ermöglichen. Dies ist ein Verstoß gegen ihre Verpflichtungen aus der Menschenrechtskonvention.
Die beschwerdeführenden Organisationen fordern den CERD-Ausschuss auf, die beklagten Länder zur „Achtung, zum Schutz und zur Erfüllung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen" zu verpflichten und mehrere Sofortmaßnahmen zu ergreifen, darunter:
- die Staaten aufzufordern, unverzüglich eine vorübergehende Aussetzung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe, -Tests und -Behandlungen zu unterstützen, umzusetzen und durchzusetzen, der derzeit durch das Übereinkommen der Welthandelsorganisation über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) besteht, wie von Indien und Südafrika im Oktober 2020 gefordert, und
- von den einschlägigen Pharmakonzernen zu fordern, Technologie und Wissen mit anderen Herstellern zu teilen, die weltweit bereitstehen, um in die Produktion dieser lebensrettenden medizinischen Produkte einzusteigen.
Der CERD-Ausschuss tritt ab dem 15. November zu einer einwöchigen Sitzung zusammen, gefolgt von einem Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) am 30. November.
Zum Bündnis der beschwerdeführenden Organisationen gehören African Alliance, Center for Economic and Social Rights, Centro de Estudios Legales y Sociales, Minority Rights Group, Oxfam International and Treatment Action Campaign. Die Beschwerde wurde koordiniert durch Global Network of Movement Lawyers (of Movement Law Lab) und ESCR-Net, und wird unterstützt von SECTION27 sowie weiteren Organisationen in der People’s Vaccine Alliance.
Redaktionelle Hinweise:
- Die vollständige Pressemitteilung des Bündnisses (in englischer Sprache) mit Zitaten und weiteren Informationen finden Sie hier: https://docs.google.com/document/d/1M19LDCqeqAIVXEsDbZtj43FXmDL9SckalKfQjHxg-3s/edit
- In einem aktuellen Gastbeitrag erläutern Oxfam-Aufsichtsratsmitglied Markus Kaltenborn und Miriam Saage-Maaß, Vize-Legal Director des ECCHR, die rechtlichen Hintergründe des indisch-/südafrikanischen Antrags auf Aussetzung des Patentschutzes für COVID-19-Impfstoffe, -Tests und-Behandlungen: https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/verstoss-gegen-menschenrechte
- Weltweit gingen 73 Prozent aller COVID-19-Impfstoffdosen an nur zehn Länder. Die wohlhabenden Länder haben pro Kopf 61-mal mehr Impfdosen verabreicht als einkommensschwache Länder und nur 14 Prozent der 1,8 Milliarden Impfdosen geliefert, die sie einkommensschwachen Ländern versprochen haben. Nur 5,8 Prozent aller Afrikaner*innen sind bislang geimpft. Die zehn einkommensstärksten Länder werden bis Ende 2021 870 Millionen überschüssige Impfdosen gehortet haben.
- Den Ländern des Südens drohen bis 2025 wirtschaftliche Verluste in Höhe von 2,3 Billionen US-Dollar, wenn sie es nicht schaffen, bis Mitte 2022 60 Prozent ihrer Bevölkerung zu impfen.
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