Das Institut für Zweiradsicherheit (ifz) liefert in seiner Serie "Sternstunden der Motorradtechnik" heute interessante Fakten rund um das Thema "Das gefederte Fahrwerk".

Wer sich Bilder von den ersten käuflich erwerbbaren Motorrädern anschaut, der wird beim Blick auf die Radaufhängung schnell eine Ahnung davon bekommen, wie unbequem, ungemütlich und kräftezehrend die ersten Fahrenden damit unterwegs waren. Auf den sowieso schlechten Wegstrecken wurden sie ordentlich durchgerüttelt. Die Reifen sorgten kaum für Abrollkomfort, und von Federungskomfort konnte eigentlich auch keine Rede sein, wenn sich die starre Vorderradgabel eher vergeblich darum bemühte, die Härte der Stöße abzumildern und gerade mal der Allerwerteste per Sitzfederung ein wenig von den Schlägen verschont blieb.

Das muss Fahrenden wie Konstrukteuren sauer aufgestoßen sein, denn das motorisierte Zweirad war erst wenige Jahre alt, da erschienen ab 1905 schon die ersten Motorräder mit gefederter Vorderradaufhängung. Wenig später fand sich auch für das bisher starr im Rahmen verbaute Hinterrad ein „Weichmacher“. 1911 hatte die NSU 2 HP erstmals serienmäßig eine gefederte Hinterradschwinge zu bieten.

Obwohl das vollgefederte Motorradchassis technisch also früh machbar war, blieb der Starrrahmen bis in die 1930er Jahre die Regel. Erst in den 1950er Jahren setzte sich die mit Federbeinen bestückte Hinterradschwinge durch. Bei der Vorderradaufhängung wurde viel experimentiert. Auf der 1935 erstmals auf dem Markt erschienenen hydraulischen Tauchgabel basiert dann jene Telegabel, die sich bis heute gegen konkurrierende Lösungen als Standard für die Führung, Federung und Dämpfung des Vorderrads behauptet.

Apropos Dämpfung. Während die Federung „nur“ dafür sorgen kann, Stöße abzufangen, verhindert erst die Dämpfung ungeregeltes Nachschwingen und erlaubt damit die so wichtige Kontrolle der Ein- und Ausfederbewegungen. Ein gefedertes und gedämpftes Fahrwerk ist quasi die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Motorradreifen auch unter schlechten Fahrbahnbedingungen permanenten Bodenkontakt behalten. Nur dann können sie die Lenk-, Beschleunigungs- und Bremskräfte übertragen. Nur so bleibt das Motorrad jederzeit beherrschbar. Hinterradschwinge und Telegabel sind daher nicht nur ein Komfort-, sondern auch ein Niveausprung in Sachen Fahrsicherheit.

Die richtige Abstimmung der Federelemente – das zum Motorrad und seinem Einsatzgebiet passende Fahrwerkssetup – zu finden, ist eine Kunst für sich. Um ein sicheres und stabiles Fahrverhalten zu gewährleisten, „tüfteln“ die Hersteller für jedes Motorrad eine Grundabstimmung aus, die nahezu alle Fahrzustände abdeckt. Bei den einfachen, preisgünstigen Federelementen lässt sich manchmal gar nichts, oft zumindest aber die hintere Federbasis einstellen. Wenn es zum Beispiel voll bepackt auf Reisen geht, ist es sinnvoll, die Federbasis zu erhöhen, um das zuladungsbedingte Absinken des Hecks zu kompensieren.

Höherwertige Federelemente bieten darüber hinaus auch die Möglichkeit, Druck- und Zugstufen zu ändern. Die eigenhändige Abstimmung ist jedoch eine komplexe Angelegenheit. Wer hier unbedacht vorgeht, kann viel falsch machen und die Fahrbarkeit des Motorrads spürbar verschlechtern.

Fein raus sind all jene, die schon ein Motorrad mit „semi-aktivem Fahrwerk“, pilotieren. Hier übernimmt die Elektronik in Bruchteilen von Sekunden die Anpassung an die jeweilige Fahrsituation und kann damit die unterschiedlichen Anforderungen an Komfort, Dynamik und Sicherheit besser miteinander vereinbaren. Mal dynamisch straff, mal komfortabel gedämpft, auch nach persönlichen Vorlieben, immer aber unter Beachtung eines möglichst optimalen Kontakts der Reifen zur Fahrbahn. Die neueste Ausbaustufe des gefederten Fahrwerks hat Motorradfahren nicht nur komfortabler, sondern wieder ein Stück sicherer gemacht.

Abschließend noch der passende Sicherheitstipp:
Weil ein richtig funktionierendes Fahrwerk so wichtig ist für ein sicheres Fahrverhalten, sollten Sie die Federelemente Ihres Motorrads oder Rollers von Zeit zu Zeit einer kurzen Kontrolle unterziehen. Nach einer Sichtprüfung auf Beschädigungen oder Undichtigkeiten folgt die Funktionsprüfung im Stand, bei der Freigängigkeit und das korrekte Ein- und Ausfederverhalten geprüft werden. Dazu Gabel und Hinterradfederung jeweils kräftig runterdrücken und sofort wieder loslassen. Front bzw. Heck dürfen dabei weder zu langsam, noch zu schnell (auch kein Nachwippen!) in die Ausgangslage zurückkehren. Dabei auch auf verdächtige Geräusche achten. Bei Unsicherheit gilt es wie immer die Fachleute in der Nähe zu konsultieren.

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