Unternehmen benötigen eine bessere Transparenz in ihrer Lieferkette, um optimale Qualität zu gewährleisten und auf Ereignisse wie Produktfälschungen schneller reagieren zu können. Das Leibniz-Institut IPF, das Fraunhofer IFAM und das Kunststoff-Zentrum SKZ forschen daher gemeinsam im Forschungsprojekt PICtor an einer nachhaltigen Lösung zur individuellen und robusten Bauteilkennzeichnung.

Die genaue Rückverfolgbarkeit von Produkten besitzt für viele Unternehmen einen hohen Wert. So beläuft sich der Schaden bspw. durch Produktfälschungen allein in Deutschland auf rund 50 Mrd. Euro pro Jahr. Auch eine Rückverfolgbarkeit trägt zur konsequenten Umsetzung der Kreislaufwirtschaft bei. Unternehmen könnten nach Berechnungen der Europäischen Kommission bis zu jährlich 8 % mehr Umsatz generieren und in hohem Maße Treibhausgase einsparen. Eine zielgerichtete Rückverfolgbarkeit der Daten zu den Herstellern und ihren Produktionsinformationen erlaubt darüber hinaus fehlerhafte Produkte gezielter zu Prozessparametern und Materialeigenschaften zuzuordnen und ebenfalls Kosten in Milliardenhöhe durch erforderliche Rückrufaktionen einzusparen.

Markierungen bereits während des Spritzgießens aufbringen
Diesen Bedarf der Industrie will das Konsortium aus drei renommierten Forschungseinrichtungen in den kommenden zwei Jahren durch ein innovatives Lösungskonzept adressieren. Zentrale Idee ist es, Markierungen aus zufällig verteilten Mikropartikeln auf die Formteiloberflächen bereits während des Spritzgießens aufzubringen und so kontrolliert eine Individualisierung durch die jeweiligen Zufallsstrukturen herbeizuführen (Abb. 1). Nach der Formgebung können die Bauteile registriert und idealerweise jederzeit durch erneutes Auslesen der Markierung wiedererkannt werden. Hierzu werden fluoreszierende Mikropartikel eingesetzt, um die Auslesung der Markierungen bspw. mittels einfacher Handykameras zu ermöglichen. Das angestrebte Verfahren kann dadurch direkt mit bereits kommerziell verfügbaren Detektionssystemen kombiniert werden.

Integration der Marker-Applikation in den Spritzgießprozess
Ein zentrales Element des Projekts PICtor besteht in der Integration der Marker-Applikation in den Spritzgießprozess (Abb. 2). Dazu werden die Partikel in Form einer Tinte auf die Werkzeugoberfläche gebracht und durch das Einspritzen der Kunststoffschmelze auf das Bauteil übertragen werden. Diese Form der prozessintegrierten Applikation bietet mehrere Vorteile. Nachträgliche Prozessschritte zur Bauteilkennzeichnung entfallen und Fälschungen durch Dritte oder nachträgliche Manipulation werden verhindert. Eine Aufbringung der Markierungen auf geometrisch komplexe Bauteile und strukturierte Oberflächen ist einfach möglich und die Partikel werden so in Oberfläche eingebettet, dass Adhäsion und Abriebbeständigkeit erhöht werden. Im Rahmen des Projekts werden daher geeignete Applikationstechniken (Sprühbeschichtung, Tampondruck) erprobt, um möglichst zufällige Partikelstrukturen bei gleichbleibender Qualität zu erzeugen. Für die Langzeitstabilität der Markierungen und Vermeidung von Partikelverluste werden die Partikel zusätzlich mit maßgeschneiderten Haftvermittlern modifiziert. Diese reagieren während des Spritzgießzyklus direkt mit der Kunststoffschmelze, bilden kovalente Bindungen zwischen Partikel und Kunststoff und verbessern auf diese Weise die Adhäsion.

Das Leibniz-Institut IPF nutzt die vorhandenen Kompetenzen in den Bereichen der Ober- und Grenzflächenchemie, um fluoreszierende Mikropartikel mithilfe makromolekularer Haft-vermittler zu modifizieren und zu verarbeitbaren Dispersionen zu formulieren. Die Integration der Marker-Applikation in den laufenden Spritzgießprozess sowie die Prozessoptimierung erfolgen mithilfe der verfahrenstechnischen Kompetenzen des SKZ. Das Fraunhofer IFAM digitalisiert die Markierungen und führt die Alterungsprüfungen durch.

Zum Projekt:
Das Vorhaben PICtor ist am 1. August 2021 gestartet. Interessierte Unternehmen sind herzlich eingeladen, im projektbegleitenden Ausschuss des Forschungsvorhabens PICtor (IGF-Nr: 21964 BG) kostenfrei mitzuwirken, die Untersuchungen in diesem Forschungsvorhaben mitzugestalten und sich über die aktuellen Ergebnisse zu informieren. Das Vorhaben wird im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) der Forschungsvereinigung Kunststoff-Zentrum über die AiF vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Über das SKZ
Als Europas größtes Kunststoff-Institut bietet das SKZ seit 61 Jahren praxisgerechte Lösungen für die Kunststoff-Industrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das SKZ ist Mitglied der Zuse-Gemeinschaft. Diese ist ein Verbund unabhängiger, industrienaher Forschungseinrichtungen, die das Ziel verfolgen, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, insbesondere des Mittelstandes, durch Innovation und Vernetzung zu verbessern.

Über das IFAM
Das Fraunhofer IFAM ist eine der europaweit bedeutendsten unabhängigen Forschungseinrichtungen auf den Gebieten »Klebtechnik und Oberflächen« sowie »Formgebung und Funktionswerkstoffe«. Im Mittelpunkt stehen an allen sechs Institutsstandorten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit dem Ziel, unseren Kunden zuverlässige und anwendungsorientierte Lösungen zu liefern.

Über Leibniz Institut IPF
Die großen Herausforderungen in Energie, Mobilität, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Kommunikation erfordern neue Technologien und Materialien. Polymere bieten einzigartige Möglichkeiten Materialien maßzuschneidern und innovative Technologien auf den Weg zu bringen. Am IPF kooperieren Forscher verschiedener Disziplinen, um dieses faszinierende Potenzial zu nutzen. Als Mitglied der Leibniz Gemeinschaft widmet sich das Institut anwendungsorientierter Grundlagenforschung und ist am Standort Dresden, national und international stark vernetzt.

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