„Die Frage, wie Finanzströme gelenkt werden, ist zentral für den erfolgreichen Wandel zu klimaneutralem Wirtschaften“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance. „Gerade auch angesichts der geopolitischen Zeitwende in Europa führt nur eine beschleunigte Transformation der Wirtschaft aus der fossilen Abhängigkeit. Für die Transformation muss öffentliches und privates Kapital klug bereitgestellt werden, damit es über den Finanzmarkt schnell die größte Wirkung erzielt.“
Dabei ist nicht nur das 1,5-Grad-Limit der Pariser Klimaziele im Blick zu behalten, sondern die Tragfähigkeit unserer Lebensgrundlagen und Ökosysteme insgesamt. Matthias Kopp sagt: „Inzwischen stehen alle vor der zentralen Frage, welchen Einfluss ihre Kapitalvergabe- und Anlageentscheidungen auf das Erreichen von Klima- und Umweltzielen haben. Deshalb müssen Privatanleger:innen, Banken, Asset Owner wie Versicherungen und Pensionseinrichtungen, Fondsgesellschaften und die öffentliche Hand ein genaues Bild davon haben, was hinter Sustainable Finance steckt, wie Wechselwirkungen genutzt und erzeugt werden sollten und welche positiven Auswirkungen hinter der festen Verankerung im Finanzsystem liegen.“
Übersicht der gängigsten Missverständnisse zu Sustainable Finance:
Mythos 1
Sustainable-Finance-Ansätze gefährden die Stabilität des Finanzsystems.
Fakt: Studien zeigen, dass das Finanzsystem bei der Umsetzung der Transformation in Richtung Klimaneutralität in besonderer Weise gefragt ist. Es geht um das Lenken von Kapitalströmen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten – und damit letztlich auch um die Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit in einer klimaneutralen Wirtschaft. Nachhaltigkeitsorientierte Finanzentscheidungen sind zudem auch aus einer Risikoperspektive geboten, beispielsweise mit Blick auf drohende Kreditausfälle.
Mythos 2
Sustainable Finance zielt nur auf den Ausbau des grünen Marktsegments ab.
Fakt: Der Umbau zu einer sozial-ökologischen Wirtschaftsweise erfordert hohe Investitionen. Diese ergeben sich durch die notwendigen Veränderungen in alle Branchen, beispielsweise durch die angestrebte Dekarbonisierung. Um eine solche umfassende Transformation zu finanzieren, braucht es jedoch ein weitaus größeres Angebot an nachhaltigen, weil transformativ wirkenden Geldanlagen und mehr Facettenreichtum. Letztlich geht es bei Sustainable Finance um die Wirkung fast jeder Finanzierungs- und Investitionsentscheidung.
Mythos 3
Die öffentliche Hand ist als Finanzmarktakteurin zu vernachlässigen.
Fakt: Die öffentliche Hand ist eine zentrale Steuerungsinstanz für den sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft. Hier werden unter anderem geltende Standards formuliert, z. B. zum Unternehmens-Reporting. Gleichzeitig sollten staatliche Institutionen in der Umsetzung mit gutem Beispiel vorangehen. Zudem geht es bei öffentlichen Finanzentscheidungen, beispielsweise mit Blick auf bundeseigene Anlagen oder Immobilienbesitz, durchaus um bedeutsame Größenordnungen. Nicht zuletzt mobilisieren wir nur durch kluge staatliche Rahmensetzungen private Finanzmittel im erforderlichen Umfang.
Mythos 4
Zusätzliche Reporting-Anforderungen sind unnötige Bürokratie – sie belasten insbesondere kleine und mittlere Unternehmen.
Fakt: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zeigt aktuell nur unzureichend, ob die dringenden Transformationserfordernisse erkannt und wie sie angegangen werden. Weder sind bislang ausreichend viele Unternehmen berichtspflichtig, noch werden Risiko- und Wirkungsperspektiven umfassend berücksichtigt. Auch die Chancen eines zukunftsorientierten Reportings für die Steuerungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen selbst werden noch zu wenig gesehen. Egal auf welcher Ebene – der erfolgreiche Umbau zur treibhausgasneutralen Wirtschaft braucht fundierte Entscheidungsgrundlagen. Qualität, Verlässlichkeit, Relevanz und Verfügbarkeit von Unternehmensdaten zu Nachhaltigkeit müssen daher deutlich gestärkt werden.
Mythos 5
Biodiversität und Artenschutz sind für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen irrelevant.
Fakt: Die weitreichenden Leistungen intakter Ökosystemen geraten immer mehr in den Fokus. Zahlreiche Branchen und Sektoren hängen unmittelbar oder mittelbar von ihnen ab. Wie auch im Klimaschutzbereich beginnen sich für Biodiversität wissenschaftsbasierte (Reporting-)Standards zu etablieren. Eine wesentlich stärkere Berücksichtigung von Transformationseffekten auch in Bezug auf Ökosysteme, Kreisläufe und Artenvielfalt wird künftig für Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen unausweichlich sein.
Mythos 6
Es existieren unzählige Klimaschutzideen und -projekte – was fehlt, ist die Finanzierung.
Fakt: Das erforderliche Kapital zur Finanzierung des sozial-ökologischen Umbaus der Wirtschaft ist grundsätzlich vorhanden. Häufig finden die Mittel jedoch nicht im erforderlichen Umfang ihren Weg in 1,5-Grad-konforme Projekte und Aktivitäten. Vielmehr wird Althergebrachtes finanziert. Erhöhte Investitionen in sich tatsächlich transformierende Branchen brauchen mehr klare und belastbare Grundlagen, beispielsweise zu Zielen, Plänen und Ambitionsniveaus. Zusätzlich müssen investierbare Projekte und Anlagen wesentlich schneller entwickelt werden. Neben aussagekräftigeren Daten sind hier auch ein besseres Zusammenbringen und unkompliziertere Genehmigungsprozesse gefragt.
Mythos 7
Klimaschutz läuft ausschließlich über massive öffentliche Verschuldung, was wiederum auch nicht nachhaltig ist.
Fakt: Der Wandel hin zu einem klimaneutralen Wirtschaften in den planetaren Grenzen erfordert hohe Investitionen. Ganz unabhängig vom Umgang mit der Schuldenbremse wird es darauf ankommen, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass verstärkt auch privates Kapital mobilisiert wird. Sustainable Finance muss zu Regular Finance werden – zur selbstverständlichen Norm im Regelbetrieb des Finanzsystems.
Downloadlink
Den ausführlichen, 55-seitigen WWF-Faktencheck zu den „7 Sustainable-Finance-Mythen“ finden Sie unter: https://bit.ly/3LKPszX
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