Hebammenreformgesetz
Seit Anfang Januar 2020 werden angehende Hebammen akademisch in einem dualen Studium mit hohem Praxisanteil ausgebildet. In Vollzeit beträgt die Studiendauer laut ARAG Experten mindestens sechs und höchstens acht Semester. Praktische Erfahrungen können die Studenten im Krankenhaus, bei einer freiberuflichen Hebamme oder in einem Geburtshaus sammeln. Durch die jeweilige Praxiseinrichtung erhalten angehende Hebammen während des gesamten Studiums eine Vergütung.
Faktencheck
In Deutschland arbeiteten 2019 rund 26.000 Hebammen und Entbindungspfleger, wie männliche Hebammen offiziell bezeichnet werden. Ihre Zahl ist mit 22 Entbindungspflegern allerdings überschaubar. Damit wuchs diese Berufsgruppe zwar um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr, doch auch die Zahl der Geburten in Deutschland steigt: Mit rund 795.000 Lebendgeborenen in 2021 wurde ein Höchststand seit über 20 Jahren erreicht, Tendenz weiterhin steigend. Es droht also ein Versorgungsengpass, der vor allem in Großstädten dazu führen kann, dass Frauen nicht in ihrer Wunschklinik entbinden können.
Laut eines vom Bundesgesundheitsministerium beauftragten Gutachtens des IGES Instituts (Institut für Gesundheit und Sozialforschung) betreut eine Hebamme in einer normalen Schicht durchschnittlich drei Frauen gleichzeitig. Während der Geburtsphase liegt das Verhältnis in der Regel nur noch bei 1:2. An Tagen mit überdurchschnittlich vielen Geburten – was jede vierte Schicht betrifft – versorgt eine Hebamme allerdings mehr als drei Frauen parallel im Kreißsaal. Die Arbeitsbelastung ist also hoch, das Gehalt in der Regel nicht: Das Bruttoeinstiegsgehalt einer in einer Klinik angestellten Hebamme liegt laut ARAG Experten bei rund 3.100 Euro , zuzüglich Nacht-, Schicht- und Sonderzuschlägen.
Haftpflichtprämie für Hebammen
Freiberuflich tätige Hebammen müssen pro Jahr eine Haftpflichtprämie von gut 9.000 Euro zahlen. Eine Summe, die wohl das Aus der Berufsgruppe bedeuten würde, wenn sie aus eigenen finanziellen Mitteln finanziert werden müsste. Daher erhalten freiberufliche Hebammen, die im Deutschen Hebammenverband (DHV) organisiert sind, einen sogenannten Sicherstellungszuschlag von den Krankenkassen. Der Zuschlag muss beantragt werden und steht jeder freiberuflichen Hebamme zu, die mindestens eine Geburt pro Quartal bei gesetzlich Versicherten begleitet hat.
Darüber hinaus wurde die Deckungssumme für schwere Geburtsschäden von zehn auf 12,5 Millionen Euro angehoben, um Hebammen von der Gefahr einer persönlichen Haftung zu entlasten. Die ARAG Experten weisen allerdings darauf hin, dass Hebammen die Haftpflichtprämie zunächst vorfinanzieren müssen, weil sie den Zuschlag erst nach sechs Monaten beantragen können. Zudem erheben die Kassen prozentuale und pauschale Abzüge, so dass Hebammen mehr als 2.000 Euro aus eigener Tasche zahlen müssen. Laut Bundesgesundheitsministerium wird der Sicherstellungszuschlag gut angenommen, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) hat bis Ende 2021 rund 64 Millionen Euro an Hebammen ausgezahlt.
Zugangsvoraussetzungen
Wer Hebamme oder Entbindungspfleger werden will, muss eine zwölfjährige allgemeine Schulausbildung oder eine abgeschlossene Ausbildung in einem Pflegeberuf nachweisen. Zudem werden ein Gesundheitszeugnis und ein aktuelles, erweitertes Führungszeugnis sowie für das Studium erforderliche Deutsch-Kenntnisse vorausgesetzt. Die ARAG Experten weisen darauf hin, dass viele Hochschulen ein mindestens vierwöchiges Praktikum im Berufsfeld voraussetzen.
Eine Hebamme finden
Ab dem ersten Tag der Schwangerschaft unterstützen Hebammen werdende Mütter in allen psychischen und physischen Belangen. Auch bei der Entscheidung, ob das Kind im Kreißsaal, im Geburtshaus oder zu Hause zur Welt kommen soll, beraten Hebammen Familien individuell.
Die ARAG Experten raten werdenden Eltern, sich möglichst früh auf die Suche nach einer Hebamme zu machen. Dabei kommt es nicht nur auf die Qualifikation an, sondern auch die Chemie zwischen Hebamme und Mutter muss stimmen. Über die Landesverbände können künftige Eltern Kontakt zu DHV-Hebammen aufnehmen. Auch der GKV stellt online Hebammenlisten zur Verfügung, in der freiberuflich tätige Hebammen aufgeführt sind. Darüber hinaus können Hebammen beispielsweise auch über regionale Hebammenzentralen, Krankenkassen, Familienbildungsstätten, das zuständige Gesundheitsamt oder über Gynäkologen gefunden werden.
Welche Hebamme darf’s denn sein?
Viele freiberufliche Hebammen arbeiten weder in Kliniken noch in Geburtshäusern. Sie sind also vor allem für Hausgeburten zuständig und begleiten Schwangere von der Vorsorge bis hin zur Wochenbettbetreuung in den ersten Wochen nach der Geburt. Beleghebammen arbeiten ebenfalls freiberuflich, haben jedoch einen Vertrag mit Kliniken und Geburtshäusern, so dass sie die werdenden Mütter auch bei der Geburt in der Klinik oder im Geburtshaus begleiten können. Angestellte Hebammen arbeiten fest angestellt in Klinik oder Geburtshaus und betreuen die Frauen, die während ihrer Schicht entbinden. Frauen, die bis zur Geburt keine Leistungen einer Hebamme in Anspruch genommen haben, sollten sich auf Anraten der ARAG Experten rechtzeitig um eine Nachsorgehebamme kümmern, die der Familie in den ersten Wochen nach der Geburt mit Rat und Tat zur Seite steht.
Sonderfall Familienhebamme
Familienhebammen unterstützen Mütter, die mit dem Baby-Alltag überfordert sind. Sie haben eine Zusatzqualifikation und betreuen Mütter bei Bedarf bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes. Ihr Angebot richtet sich z. B. an sehr junge Mütter, Familien mit Migrationshintergrund, Frauen mit Gewalterfahrung oder Familien mit Suchtproblematik.
Weitere interessante Informationen unter:
https://www.arag.de/auf-ins-leben/geburt/mehr-als-eine-berufung-hebamme/
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