Die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise bringen insbesondere Geringverdienende in Bedrängnis – rund zwei Drittel der Arbeitnehmer-innen und Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen unter 2.300 Euro brutto sehen sich davon betroffen. In dieser Gruppe berichtet etwa ein Fünftel über „große finanzielle Schwierigkeiten“ in Folge der höheren Kosten für Heizenergie, Motorkraftstoffe und Strom. Zusätzlich geben in Abhängigkeit vom Energieträger jeweils 42 bis 50 Prozent an, auf andere Dinge verzichten zu müssen, um ihre Energierechnungen zu bezahlen. Unter Beschäftigten mit einem höheren Monatsverdienst ab 4.000 Euro brutto berichtet hingegen rund die Hälfte, dass sie sich die steigenden Kosten für Energie aufgrund ihres Einkommens bislang „ganz gut leisten“ können (Abbildung 1 bis 3 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Allerdings gibt auch in dieser Einkommensgruppe rund ein Viertel an, mindestens bei anderen Ausgaben sparen zu müssen. Im mittleren Verdienstbereich zwischen 2.300 und 4.000 Euro berichten schließlich jeweils 45 Prozent von Einschränkungen und rund jede*r zehnte von ernsthaften finanziellen Problemen. Rund ein Fünftel aller Befragten gibt an, von den einzelnen Energiepreissteigerungen bislang nicht betroffen zu sein – zum Beispiel, weil die Stromkosten noch nicht gestiegen sind oder sie kein Auto besitzen. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Portals Lohnspiegel.de, an der sich 5.164 Beschäftigte beteiligt haben. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut.

„Wir sehen immer deutlicher, welchen sozialen Sprengstoff die Preisentwicklung der vergangenen Monate birgt“, sagt Dr. Malte Lübker, Experte für Tarif- und Einkommensanalysen am WSI. Entscheidend hierfür sind zwei Faktoren: Zum einen entfällt für Haushalte mit geringen Einkommen ein besonders hoher Anteil der Ausgaben auf Güter, deren Preise zuletzt stark gestiegen sind. Neben Energie zählen hierzu auch Nahrungsmittel.* Zum anderen haben Menschen mit geringem Einkommen oft keinen finanziellen Spielraum, um die zusätzlichen Kosten aufzufangen. „Wenn das Haushaltsbudget sowieso schon auf Kante genäht ist, können Preissteigerungen beim Grundbedarf schnell zu finanziellen Problemen führen“, sagt WSI-Experte Lübker. „Selbst wenn man Energie spart, wo es eben geht, stehen dann harte Entscheidungen an – und man muss auch auf Dinge verzichten, die eigentlich notwendig sind.“

Die allgemeine Lohnentwicklung wird im laufenden Jahr voraussichtlich hinter der Preisentwicklung zurückbleiben. Per Saldo dürfte dies für viele Beschäftigte zu spürbaren Reallohnverlusten führen, die Kaufkraft der Löhne und Gehälter geht also zurück. Umso wichtiger ist nach Meinung der Fachleute die geplante Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns. Dieser soll von derzeit 9,82 Euro zunächst zum 1. Juli auf 10,45 Euro und dann ab dem 1. Oktober auf 12 Euro pro Stunde steigen. „Das liegt sehr deutlich oberhalb der Inflationsrate und bringt für diejenigen eine dringend notwendige finanzielle Entlastung, die unter der aktuellen Preisentwicklung besonders leiden“, so Lübker. „Der Mindestlohn von 12 Euro kommt also genau zum richtigen Zeitpunkt – und wirkt auch dort, wo keine Tarifverträge gelten und die Löhne besonders niedrig sind.“ Zudem sei nicht zu erwarten, dass die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro die Teuerung nennenswert beschleunigt. So zeigen detaillierte Berechnungen des WSI und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, dass der Inflationseffekt der Mindestlohnanhebung mit 0,25 Prozent äußerst moderat ausfällt.** Auch die Bundesbank prognostiziert für 2022/23 nur einen Preiseffekt von insgesamt 0,2 Prozent.

In der aktuellen Lohnspiegel.de-Umfrage wurde zudem erhoben, welche staatliche Maßnahme zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher die Befragten bevorzugen. Den größten Zuspruch erhielten dabei eine gezielte Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen (29 Prozent) und ein Preisdeckel für den Grundbedarf aller Bürger (ebenfalls 29 Prozent) (Abbildung 4). Deutlich weniger Befragte sprachen sich für eine Subvention des gesamten Energieverbrauchs aus (13 Prozent) oder forderten, dass in erster Linie Berufspendelnde unterstützt werden sollten (6 Prozent). Lediglich 2 Prozent der Befragten hielten Entlastungsmaßnahmen nicht für notwendig, während 22 Prozent zu dem Thema keine Meinung hatten. Differenziert man nach dem Einkommen der Befragten so zeigt sich, dass eine gezielte Entlastung von Menschen mit geringen Einkommen sowohl unter den Geringverdienenden (32 Prozent) als auch den Besserverdienenden (ebenfalls 32 Prozent) die bevorzugte Maßnahme ist. Unter Beschäftigen mit mittlerem Verdienst fand hingegen der Energiepreisdeckel für den Grundbedarf (31 Prozent) die größte Zustimmung.

Informationen zur Methode

Für die neue Studie wurden 5.164 Datensätze von Beschäftigten ausgewertet, die sich im Zeitraum vom 23. März bis zum 3. Mai 2022 an einer kontinuierlichen Online Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen haben. Die Umfrage ist nicht-repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Situation der Beschäftigten. Lohnspiegel.de ist ein Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.

* Dullien, Sebastian; Tober, Silke: IMK Inflationsmonitor – Hohe Unterschiede bei haushaltsspezifischen Inflationsraten: Energie- und Nahrungsmittelpreisschocks belasten Haushalte mit geringem Einkommen besonders stark. IMK Policy Brief Nr. 121, April 2022.
https://www.imk-boeckler.de/…

** Dullien, Sebastian; Herzog-Stein, Alexander; Lübker, Malte; Pusch, Toralf; Theobald, Thomas: Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro beeinflusst Inflation kaum, IMK Policy Brief Nr. 116, Januar 2022
https://www.boeckler.de/…

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